In Großbritannien wird gerade mit dem Online Safety Bill eine ähnliche Gesetzgebung wie die Chatkontrolle debattiert. Nun hat das zum Meta-Konzern gehörende WhatsApp laut The Telegraph indirekt angekündigt, dass es seinen Messenger aus dem Land zurückziehen könnte, wenn das Gesetz verabschiedet würde.
Der WhatsApp-Manager Will Cathcart erklärte gegenüber der Zeitung, er sei eher bereit, die App für britische Smartphone-Nutzer zu sperren, als ihre Sicherheit zu schwächen. Schon im vergangenen Sommer hatte WhatsApp der BBC gesagt, dass es seine Sicherheitsstandards nicht senken werde, nur weil eine Regierung das fordere. WhatsApp hat etwa 40 Millionen Nutzer:innen im Vereinigten Königreich.
Erica Portnoy, leitende Technologin von der EFF, bezeichnete das britische Chatkontrolle-Äquivalent gegenüber TechMonitor als „eine Katastrophe für die Privatsphäre der Nutzer“, welches das Unterhaus nicht passieren dürfe. „Das Scannen privater Inhalte ist mit Verschlüsselung unvereinbar und gefährdet die Rechte aller Nutzer, einschließlich der Kinder“, so Portnoy. „Wenn es verabschiedet wird, wird das zensurfreundliche, verschlüsselungsfeindliche Online-Sicherheitsgesetz nicht nur Großbritannien betreffen, sondern eine Blaupause für Unterdrückung auf der ganzen Welt sein. Der Gesetzesentwurf würde Apple dazu zwingen, seine Verschlüsselung zu kompromittieren, sowohl die bereits vorhandene als auch die neu hinzugefügte.“
Noch härter als die EU-Chatkontrolle
Noch weitergehend als im EU-Chatkontrolle-Entwurf schreibt der britische Gesetzentwurf derzeit fest, dass private Messaging-Apps in der Lage sein müssen, Inhalte über sexuelle Ausbeutung und sexualisierte Gewalt gegen Kinder sowohl in der öffentlichen als auch in der privaten Kommunikation zwischen Nutzer:innen zu erkennen und zu entfernen. Dies ist ohne einen Bruch von verschlüsselter Kommunikation oder einer Durchsuchung vor dem Abschicken von Nachrichten nicht möglich. Will Cathcart von WhatsApp sieht genau das als Problem. Der derzeitige Gesetzentwurf sähe ein Brechen der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vor, sagte er gegenüber The Telegraph.
Die britische Bürgerrechtsorganisation „Index on Censorship“ hat eine umfangreiche juristische Einschätzung zum Online Safety Bill (PDF) veröffentlicht. Die Autoren Matthew Ryder und Aidan Wills kommen dabei zum Schluss, dass der Online Safety Bill die „umfassendsten und mächtigsten Überwachungsbefugnisse“ enthalten würde, „die jemals in einer westlichen Demokratie vorgeschlagen wurden“. Großbritannien würde mit dem Gesetz ein De-facto-Verbot der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für private Messaging-Apps verhängen. Die Autoren halten den Gesetzentwurf weder mit britischem Recht noch mit internationalen Menschenrechtsverträgen für vereinbar, die das Land unterzeichnet hat.
Dazu schrieb ich hier:
https://netzpolitik.org/2022/positionspapier-zu-chatkontrolle-innenministerin-faeser-will-koalitionsvertrag-brechen/
soeben.
Allerdings:
Um WhatsApp (und andere auf „Überwachung“ basierende Dienste) ist’s mir nicht schade. Die können ruhig „gehen“. Wenn dafür Open-Source-Dienste kommen…
Öhm,
war das nicht GB, die die Menschenrechte als nicht anwendbar erklärten in Ihrem Land?
WhatsApp kann die Rückzugspläne gleich auf die EU ausweiten, siehe aktuelles Top-Thema.
Ich halte das für eine wunderbare Sache. Anders bekommen die meisten Leute gefühlt überhaupt nicht mit, was hier gespielt wird, oder es ist ihnen schlichtweg egal. Allein in meinem Umfeld ist WhatsApp so fest in der Kommunikations„kultur“ verankert, dass ich schon als Querulant verschrien bin, weil ich mich dem konsequent verweigere und stattdessen auf Threema setze (was mit einmalig fünf Euro zu teuer ist – erzählen mir Leute, die zehn Euro pro Monat für Discord Nitro ausgeben), und dass man nicht einmal mehr auf die Idee kommt, mich per E-Mail zu kontaktieren, wenn man was von mir will, obwohl die Adresse gemeinhin bekannt ist (sogar mit PGP, das außer mir keiner nutzt, weil es ja viel zu kompliziert sei) – ohne WhatsApp ist man für die meisten quasi unsichtbar. Ein drohender Rückzug WhatsApps aus Deutschland oder gar der EU wäre genau der Schuss vor den Bug, den die Leute bräuchten, um sich mal mit den Plänen der EU auseinanderzusetzen.