Noch bis zum kommenden Freitag findet die diesjährige Weltklimakonferenz Cop 27 im Schatten der autoritären Realität des Gastgeberlandes Ägypten statt. Seit Beginn der Veranstaltung gibt es Vorwürfe, dass Teilnehmer:innen überwacht oder in ihrer Arbeit behindert werden. Auch die deutsche Delegation soll ausspioniert worden sein. Nun haben die Vereinten Nationen bekanntgegeben, die Vorwürfe zu prüfen.
Ägyptische Sicherheitskräfte stehen im Verdacht, eine Veranstaltung im deutschen Pavillon beobachtet und gefilmt zu haben. Wie Zeit Online berichtet, sollen sie den Ablauf der Veranstaltung zudem durch längere Redebeiträge gestört haben. Bei der Veranstaltung sprach unter anderem die Schwester des Bloggers und Demokratie-Aktivisten Alaa Abdel Fattah. Er ist einer der prominentesten von rund 60.000 politisch Inhaftierten in Ägypten. Zu Beginn der Konferenz trat er in einen Hunger- und Durststreik, um auf seine unmenschlichen Haftbedingungen aufmerksam zu machen. Den Hungerstreik hat er nun beendet.
Nach der Veranstaltung hat sich die deutsche Botschaft Medienberichten zufolge bei den ägyptischen Behörden beschwert. „Wir erwarten, dass alle Teilnehmenden der UN-Klimakonferenz unter sicheren Bedingungen arbeiten und verhandeln können“, wird ein:e Sprecher:in des Auswärtigen Amtes von der Nachrichtenagentur MEE unter Verweis auf die dpa zitiert. Vergangenen Samstag soll das Bundeskriminalamt (BKA) laut Informationen der Nachrichtenagentur Reuters dann eine Mail an die deutsche Delegation verschickt und sie vor ägyptischer Spionage gewarnt haben.
Ägyptische Polizist:innen als UN-Sicherheitspersonal
Die Ereignisse legen nahe, dass Ägypten seine Sicherheitskräfte vor allem dort einsetzt, wo die Lage der Menschenrechte in Ägypten zur Sprache kommt. Das Regime des Militärs as-Sisi unterdrückt schon seit Jahren Demokratiebestrebungen und Aktivismus, hat im Vorfeld der Cop 27 seine Überwachungsmaßnahmen aber noch ausgeweitet. Auf dem Konferenzgelände selbst kann das Land nicht ohne Weiteres hart durchgreifen, da es sich um UN-Gelände handelt.
Manche UN-Sicherheitskräfte seien jedoch ägyptische Polizeibeamt:innen, wie eine Stellungnahme des UN-Klimabüros bestätigt, die der Associated Press vorliegt. Grund hierfür seien „Umfang und Komplexität“ des Vorhabens, Sicherheit bei einer Veranstaltung von dieser Größe zu gewährleisten. Diese Sicherheitskräfte unterstünden aber der Abteilung für Sicherheit der Vereinten Nationen.
Auch außerhalb des Geländes sind Delegierte wie Einheimische vor Überwachung nicht sicher. In allen 800 Taxis Scharm al-Scheichs sollen Überwachungskameras installiert werden, die sowohl Video- als auch Tonaufnahmen erstellen, berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Die Aufnahmen würden laut dem Bericht an das ägyptische Innenministerium geschickt. Die Regierung begründet diese Maßnahme mit dem Ziel, das Verhalten der Taxifahrer:innen beobachten zu wollen.
In den letzten Tagen haben sich Teilnehmende vermehrt dahingehend geäußert, dass sie sich auf der Klimakonferenz beobachtet fühlten. „Sobald du Aktivismus in einem Gespräch erwähnst, kommen „Reinigungskräfte“ und technisches Personal zu dir“, sagt ein:e anonyme:r Teilnehmer:in gegenüber dem Guardian. Von kurzfristig stornierten Hotels bis zu Kreuzverhören am Flughafen – Betroffene berichten davon, dass sie sich alles andere als erwünscht fühlen.
Zu Gast beim Geheimdienst
Schließlich kommt noch hinzu, dass das Konferenzgelände offenkundig dem ägyptischen Auslandsgeheimdienst General Intelligence Service (GIS) gehört. Nach Recherchen der Stiftung Wissenschaft und Politik befindet es sich seit 2017 in der Hand des Geheimdienstes und wird von einem „undurchsichtigen Event-Unternehmen“ betrieben. Dieses Unternehmen organisiere die Logistik der Weltklimakonferenz, an der der GIS über diesen Weg vermutlich mitverdient.
Wie die Nachrichtenagentur Middle East Eye berichtet, fänden sogar Telefonkontrollen statt. So sei das Handy des Anwalts Makarios Lahzy wegen Verbindungen zu einem ägyptischen Umweltaktivisten konfisziert worden. „Auch wenn [die Telefonkontrollen] zufällig gestreut wirken, sind sie sehr gezielt.“ Die Anschuldigungen häufen sich also, überprüfen lassen sie sich leider nicht so einfach. Es bleibt nur die Hoffnung, dass die Vereinten Nationen ihrer Aufgabe nachkommen und die Vorwürfe prüfen.
Auch die App, die Teilnehmenden einen Überblick über das Konferenzgelände sowie Abläufe verschaffen soll, stand jüngst in der Kritik. Nutzer:innen müssten der App Berechtigungen gewähren, für die es technisch keine Erklärung gebe, warnten Expert:innen. Diese könnten laut dem Bericht dazu genutzt werden, Telefonate und selbst verschlüsselte Nachrichten zu überwachen. Ob diese Möglichkeiten auch genutzt werden, ist bisher noch unklar. Entwickelt wurde die App vom ägyptischen Ministerium für Kommunikation und Informationstechnologie.
Protestieren gegen Deutschland, ohne das Wort Deutschland zu benutzen
Dass sie zu Gast bei einem autoritären Regime sind, spüren vor allem Klimaktivist:innen, deren Aktionen strengen Regeln unterliegen. Es gibt sogenannte „designated protest areas“, die sicherlich nicht zufällig in der prallen Sonne liegen. Proteste müssen frühzeitig angemeldet werden und dürfen nur zwischen 10 und 17 Uhr stattfinden. Luisa Neubauer, deutsche Klimaktivistin und Sprecherin von Fridays for Future, erzählt auf Instagram von dem Gefühl, permanent überwacht zu werden. An Plastikpalmen seien Überwachungskameras angebracht. Während der Reden auf Demonstrationen dürften keine Länder oder Politiker:innen mit Namen genannt werden. „Wir gehen davon aus, dass unser Internet und unsere Chats überwacht werden“, sagt sie. Das ist nicht weit hergeholt, da WLAN-Betreiber:innen auf alle unverschlüsselten Inhalte zugreifen können und das WLAN höchstwahrscheinlich von einem regierungsnahen Unternehmen bereitgestellt wird.
Im Moment ist es keine Seltenheit, dass international viel beachtete Events in autoritär regierten Staaten ausgerichtet werden. Für die Diskussionskultur der Konferenz ist eine solche Atmosphäre besonders schädlich. Bei vielen Teilnehmenden ruft die potenzielle Überwachung großes Unwohlsein hervor. Gleichwohl stellt sie für diejenigen aus freiheitlichen Demokratien ein erheblich geringeres Risiko dar als für Menschen aus autokratisch regierten Staaten. Sie müssen befürchten, nach der Klimakonferenz verhaftet zu werden. Auch in Bezug auf Ägypten fürchten Beobachter:innen eine Welle der Repressionen. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem die Welt vermutlich zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Katar blicken wird.
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