Zahlreiche Netflix-Mitarbeiter:innen haben diese Woche ihre Arbeit niedergelegt, um vor dem Sitz des Streaming-Unternehmens in Los Angeles öffentlich gegen die Show „The Closer“ von Dave Chappelle zu demonstrieren. Die Sendung hatte im Vorfeld Transphobievorwürfe von Aktivist:innen aus der LGBTQ-Community provoziert. Sie kritisieren den afroamerikanischen Komiker für seine Äußerungen, mit denen er sich über Transpersonen lustig macht.
In „The Closer“ vergleicht Chappelle unter anderem Transfrauen mit der als rassistisch geltenden Methode des Blackfacings. Ein Problem mit Trans-Personen habe Chappelle nicht, wie er selbst betont. Er beneide vielmehr die Fortschritte der Bewegung: „Wenn Sklaven kurze Shorts angehabt hätten und mit Babyöl eingerieben gewesen wären, wären wir vielleicht 100 Jahre früher frei gewesen“. Die queere Non-Profit Organisation Glaad kritisierte Chappelles Äußerungen als transphob.
Schon vor der Veröffentlichung hatten Netflix-Mitarbeiter:innen Kritik an den Inhalten der Show geäußert. Mit den Protesten setzen sie nun öffentlich ein Zeichen gegen Transphobie. Wie eine Liste mit den Forderungen der Protestator:innen zeigt, geht es nicht darum, dass die Show gecancelt wird. „Wir wollen für zusätzliche Klarheit darüber sorgen, warum die Witze schädlich sind“, erklärte Organisatorin Ashlee Marie Preston. Zugleich sind mit der Arbeitsniederlegung Forderungen nach einer Erneuerung der Unternehmenskultur und mehr Mitbestimmung bei dem Streamingsender verbunden. Transschauspieler Elliot Page und TV-Star Jonathan Van Ness, bekannt aus der Netflix-Show „Queer Eye“, unterstützen die Protestaktion durch Video-Nachrichten. Begleitet wurde der Protest von einer kleinen Gegenversammlung von Chappelle-Anhänger:innen, die für die „Freiheit des Witzes“ demonstrierten.
Im Fall der Chappelle-Kontroverse treffen Forderungen für einen besonderen Schutz von Trans-Personen auf Vorwürfe einer Untergrabung der Kunstfreiheit – eine typische Auseinandersetzung, die unter dem Stichwort „Cancel Culture“ diskutiert wird. Im konkreten Fall geht es darum, ob und inwieweit man sich über die Transgender-Community lustig machen darf. Bereits im Vorfeld der Proteste gab es im Streamingunternehmen interne Spannungen.
Verschärft wurde die Kontroverse durch Netflix-Ko-Firmenchef Ted Sarandos. Dieser soll in der vergangenen Woche Chappelles Show intern in Schutz genommen haben. Das ging am Dienstag aus einer geleakten Email des CEOs hervor. Darin erklärt er, dass die Inhalte auf dem Bildschirm in der realen Lebenswelt keinen wirklichen Schaden anrichten könnten. Außerdem betont er, wie wichtig es sei, die „Kunstfreiheit“ zu verteidigen. Gegenüber The Hollywoodreporter revidierte er diese Aussagen nun und gab zu, „versagt“ zu haben. Trotzdem betonte er, an der Chappelle-Sendung festhalten zu wollen. Sarandos Aussagen sollen die Empörung der Mitarbeiter:innen befeuert und die Proteste letztendlich ausgelöst haben.
Suspendierung von Trans-Mitarbeiter:innen
Bereits vor den Protesten hatte der Fall Chappelle für Schlagzeilen gesorgt. Netflix setzte Maßnahmen gegen zwei Trans-Mitarbeiterinnen, die öffentliche Kritik geäußert hatten. Die Firma suspendierte die Trans-Mitarbeiterin Terra Field, nachdem sie Chappelle auf Twitter vorgeworfen hatte, die Trans-Community anzugreifen. Field hatte außerdem gefordert, “The Closer” mit einer Content-Warnung zu versehen und queere Trans-Comedians stärker zu fördern. Diese Forderungen wurden auch von den Demonstrierenden am Mittwoch aufgegriffen. In einem Statement bestritt das Unternehmen jedoch, dass der Tweet die Ursache für die Kündigung gewesen sei. Vielmehr habe Field unerlaubt an einem Meeting teilgenommen. Nach kritischer Berichterstattung durfte Field aber wieder zum Dienst erscheinen, wie sie auf Twitter berichtete.
Später feuerte Netflix die Trans-Mitarbeiter:in B. Pagels-Minor, die an der Planung der Proteste beteiligt gewesen war. Laut Netflix soll sie interne Dokumente veröffentlicht haben, die die Kosten für die Show betreffen. Rund 24,1 Million US-Dollar soll das Streaming-Unternehmen laut der geleakten Dokumente für „The Closer“ ausgegeben haben, wie Agentur Bloomberg berichtet.
Dass sich über Humor trefflich streiten lässt, ist jetzt nichts neues und dass es bei stark ideologisierten Themen besonders heiß her geht auch nicht. Was mich allerdings stört ist, dass die meisten Medien, so auch Netzpolitik in diesem Fall, nichteinmal mehr referenziell den Streitgegenstand drucken. Ich lese überall nur „Chapelle vergleicht Transpersonen mit Blackfacing“, dabei wäre es doch genau hier wichtig zu wissen wie das exakte Zitat lautet, um sich eine Meinung sowohl über die enthaltene Transfeindlichkeit, als auch die Qualität des Witzes zu machen. Muss ich mir die Show wohl doch ansehen um mir eine Meinung dazu bilden zu können.
LG Petra
Zum einen sind Zweifel an der Opfererzählung nicht erlaubt.
Zum anderen ist Wiedergabe des Gesagten als Reproduktion der Verletzung tabuisiert.
Eine eigene Meinung ist explizit nicht zulässig, die Deutungshoheit wird alleine den nach eigener Aussage Betroffenen zugebilligt.
— Spoiler zu The Closer —
Was anscheinend am Wenigsten erwähnt wird ist, dass Chappelle eine Transfrau als Fan hatte, die Chappelle öffentlich auf Twitter verteidigte und anscheinend dadurch in den Selbstmord gemobbt wurde. Chappelle hat daraufhin dem Kind der Transfrau Geld gespendet, welches nach Erfüllung des 21. Geburtstags verfügbar sein wird.
Ob das weniger relevant ist als die Witze eines notorisch rücksichtslosen Komikers, die man sich nicht anschauen muss?
Die „Protestator:innen“ sollten wohl eher „Protestant:innen“ sein.