Das Peng-Kollektiv will Nationalstaaten mit Kryptokapital hacken. GoldenNFT-Programm nennen die Aktionskünstler:innen das, am Ende sollen afghanische und syrische Familien in die EU kommen dürfen – nicht als Geflüchtete, sondern als Investor:innen.
Die Aktion, die sie nun auf goldennft.art vorstellen, ist kompliziert und schwer verständlich, der Gedanke dahinter interessant: Bereits bislang war die freie Einreisemöglichkeit nach Europa käuflich (Stichwort: Goldener Pass), aber viel zu teuer für Menschen auf der Flucht. Peng will nun Kapitalismus nutzen, um Geflüchteten ein Leben in Europa zu ermöglichen. Wir haben bei den Aktionskünstler:innen nachgefragt und von einem Menschen, der sich Luca nennt, Antworten bekommen.
netzpolitik.org: Luca, kannst Du eure Aktion in drei Sätzen beschreiben?
Peng: Wir verkaufen NFTs, um Goldene Visa zu kaufen. NFTs sind eine Form von digitalen Zertifikaten, mit denen aktuell auf dem digitalen Kunstmarkt gehandelt wird: Anfang 2021 kamen zehn Prozent des Umsatzes im weltweiten Kunstmarkt über NFTs zusammen. Wir nutzen diesen Hyperkapitalismus, um goldene Visa für die afghanische Familie von einem unserer Teammitglieder zu kaufen.
netzpolitik.org: Was sind Goldene Visa?
Peng: Goldene Visa nennt man Residenzprogramme, bei denen man in Spanien, Portugal, Griechenland und anderen europäischen Staaten teilnehmen kann, wenn man in das Land investiert. 90 Prozent der bewilligten goldenen Visa werden durch Investitionen in Immobilien bewilligt, das geht ab 280.000 Euro in Portugal los und endet bei etwa zwei Millionen Euro in der Schweiz. Wir haben uns für ein Haus in Portugal entschieden. Die afghanische Familie wird es mit dem Geld kaufen, das wir ihnen geben wollen. Sie kommen nicht als Geflüchtete, sondern als Investor:innen in die EU – und steigern gleichzeitig das Bruttoinlandsprodukt Portugals.
netzpolitik.org: Schenkt ihr den Geflüchteten die Häuser oder das Geld?
Peng: Die Häuser kaufen sie sich selber. Wir geben ihnen nur das Geld dazu. Plus 50.000 Euro Willkommensgeld.
netzpolitik.org: Kann man Häuser einfach mit Kryptogeld kaufen?
Peng: Das Geld muss über eine EU-regulierte Plattform in Euro umgetauscht werden. Irgendwann landet es dann auf einem portugiesischen Konto, dessen Bank auch die Herkunft des Geldes prüfen wird, um Geldwäsche auszuschließen. Wir passen besonders auf und lassen uns von einer renommierten Kanzlei beraten, damit alles in Ordnung ist. Das ist ja auch für die allermeisten Finanzämter noch Neuland: Etherium aus Kunstverkäufen, die an eine Familie gehen, die im EU-Ausland lebt, um in Portugal investiert zu werden. Wir rechnen daher momentan konservativ mit circa 40 Prozent Steuern.
„Grundlage von Kapitalismus ist Ressourcenverbrauch“
netzpolitik.org: Ihr wollt auf der einen Seite Leuten helfen, nach Europa zu kommen. Aber das Mittel, das ihr wählt, wird für den noch hohen Energieverbrauch kritisiert. Schadet ihr damit nicht dem Klima?
Peng: Ja, das ist die Grundlage von Kapitalismus: der völlig übertriebene und maßlose Ressourcenverbrauch auf unserem Planeten. Wir stürzen uns da bei diesem Projekt voll rein und instrumentalisieren dieses System, um das System der Nationalstaaten wegzutraden – zumindest ein bisschen. Und wie ordentliche Kapitalist:innen das so tun, haben wir sogar einen Ablasshandel eingebaut: Bei jedem Verkauf unserer NFTs gehen 0,1 bis 0,5 Prozent an trees.org. Die pflanzen dann Bäume dafür, dass irgendwo Serverfarmen CO2 in die Luft ballern.
netzpolitik.org: Ok, Greenwashing ist drin. Sehr gut…
Peng: Selbstverständlich. Sonst wäre es kein Hyperkapitalismus.
netzpolitik.org: Wenn ich jetzt so ein NFT kaufe, was hab ich davon?
Peng: … [schweigt]
netzpolitik.org: Ist das echte Kunst, die ihr da verkauft?
Peng: Ja, klar. Es sind Werke von Nora al Badri, Sibylle Berg, !Mediagroup! Bitnik, Nadine Kolodziey, Felix Kosok, Gretta Louw, Volker Behrend Peters, Liat Gravyer, Rui Major, Tayebeh Rasouli, reFOCUS medialab, Jill Senft, UBERMORGEN, Nushin Yazdani, Yes Men and Laura Zalenga. Sie haben sie alle für diese Aktion gespendet, 100 Prozent der Einnahmen gehen in den Prozess, um goldene Visa zu kaufen.
„Im Spekulationsmarkt geht es um Status und Profit“
netzpolitik.org: Wie kann ich überhaupt mitmachen und einen der 5.555 Token kaufen?
Peng: Zunächst kannst du versuchen, einen Presale-Token zu ergattern. Das geht über eine Verlosung auf der Webseite oder verschiedene Competitions, also kleine Spiele, zu denen wir auf Twitter und Discord einladen. Damit hast du die Garantie, dass du eines der 5.555 NFTs gleich beim ersten „Sale“ bekommst, also wenn wir die auf den Markt schmeißen. Sollte unser Hype erfolgreich sein, sind die nach wenigen Sekunden ausverkauft – zu einem Preis von je 0,05 ETH.
Sobald sie ausverkauft sind, wartest du 24 Stunden und erfährst, welches du hast: ein „Original“ von der afghanischen Künstlerin Tayebeh Rasouli zum Beispiel. Oder ob du das NFT zu einem Stück bekommst, das von unserem Skript aus den 16 Originalen zu einer Collage zusammengepuzzelt wurde.
netzpolitik.org: Und dann?
Peng: Dann machst du Profit. Die meisten, die sich NFTs kaufen, interessieren sich dafür so sehr, wie Menschen, die sich an einem Wochenende 30 Häuser kaufen oder Schulkinder, die Baseball-Karten auf dem Schulhof checken. Solange sie es nicht teurer verkaufen können, ist es wertlos. Das ist eben der Spekulationsmarkt: Es geht hauptsächlich um Status und Profit.
Du kannst also damit angeben oder die NFTs weiterverkaufen. Die größte Plattform zum Weiterverkauf ist opensea.io, eine Art Ebay für NFTs. Dort werden dann erfolgreiche Collections in Sekundenschnelle für das 10- bis 10.000-Fache des Ursprungspreises weiterverkauft.
Wenn du eine feine Seele bist und Kapitalismus Scheiße findest, nutzt du es als Bildschirmhintergrund oder druckst es dir aus und hängst es in dein Schlafzimmer.
„Zynismus des nationalstaatlich organisierten Kapitalismus“
netzpolitik.org: Ist es denn nicht zynisch, das Leid von Geflüchteten in eine große Hype-Spekulationsblase zu werfen?
Peng: Das kann man so sehen, wenn wir die Geflüchteten instrumentalisieren würden. Wir arbeiten aber sehr eng mit ihnen zusammen, sowohl mit Milad aus Afghanistan als auch mit seiner Familie. Sie sind Teil unseres Teams und wir treffen Entscheidungen zusammen. Worum es uns bei dieser Aktion ja geht, ist nicht nur, aus diesen virtuellen Spekulationsblasen reale Bewegungsfreiheiten für Menschen zu schaffen. Wir wollen auch den Zynismus unseres nationalstaatlich organisierten Kapitalismus verdichtet aufzeigen: Während die einen mit Milliarden in Sekundenschnelle spekulieren, landen die anderen wie Casinochips eines geopolitischen Machtspiels in Grenzlagern.
netzpolitik.org: Als Medienprofis habt ihr euch natürlich so eine Antwort vorbereitet.
Peng: Das kann man durchaus kritisieren. Wobei wir mit dieser „Das sind doch Medienprofis“-Aussage auch nur ein System reproduzieren, das behauptet, in der Medienwelt sei alles Schall und Rauch, alles Menschliche hinter hohlen Phrasen versteckt. Wir wollen dort ausbrechen und zeigen: Es geht uns um was. Es geht um Menschen, um Geschichten, um politische Interventionen, die wir mitgestalten können.
netzpolitik.org: Kann man im Verlauf der Aktion dann transparent nachverfolgen wie es steht? Ob die Spekulation läuft und das Geld zusammenkommt?
Peng: Ja, das ist alles auf der Blockchain nachvollziehbar.
netzpolitik.org: Wenn das Geld für die eine Familie zusammen ist, geht es dann noch weiter?
Peng: Wir haben eine Regel in den sogenannten Smart Contract eingebaut. Fünfzehn Prozent von jedem Weiterverkauf gehen automatisch wieder an unser Wallet. Damit finanzieren wir ein weiteres goldenes Visum. Und vielleicht sogar mehr. Wenn es wirklich noch viel weiter gehen sollte, spenden wir alle weiteren Einnahmen, zum Beispiel an den Stiftungsfonds Seenotrettung, ein Zirkusprojekt von Cabuwazi auf Lesbos, refocus Medialab und das portugiesische Frauenhaus Novo Olhar.
netzpolitik.org: Machen nicht die Spekulanten die meiste Kohle, wenn die Aktion funktioniert?
Peng: Der letzte Investor hat die Arschkarte, soweit ich das System verstanden habe. Aber ganz sicher bin ich mir auch nicht, vielleicht können das eure Leser:innen hier ergänzen.
Hoffentlich ziehen möglichst viele Goldhamster die Arschkarte.
Ist denn das System tatsächlich korrekt so erklärt?
Wie soll das gehen, die Antifa hat doch gar kein Geld? Aber gute Aktion.
Ja der lezte Investor – so ist das halt bei Ponzi Schemes.
Es ist traurig und erschreckend, wie das PENG-Kollektiv mit dem Leid und den Hoffnungen von Geflüchteten spielt und diese für eigene Interessen instrumentalisiert und missbraucht. Ein Tipp-Spiel auf Leben und Tod. So ein Verhalten ist beschämend und unmenschlich. Diesen Vorwurf damit zu relativieren, dass ein afghanischer Mitarbeiter vor Ort die Familien betreut und in die Entscheidung eingebunden wird, ist naiv. Wie sieht die Betreuung aus? Was wird betreut, der Zahlungseingang, oder wie?
Im Grunde genommen ist dieses Vorgehen eine klassische Schleusung und sollte strafrechtlich – und auch menschenrechtlich – verfolgt werden.