Gig EconomyEU startet Initiative gegen Ausbeutung bei Plattformarbeit

Müssen Plattformen wie Uber und Deliveroo ihre Arbeitskräfte anstellen? Und wie viel algorithmische Überwachung bei der Arbeit ist erlaubt? Die EU-Kommission denkt über neue Gesetze für die Gig-Economy nach.

Foodora-Fahrer
Gig-Economy: Wer für Bringdienste wie Foodora arbeitet, ist meist nicht fest angestellt. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Kai Pilger

Die EU-Kommission denkt über gesetzliche Maßnahmen nach, um Plattformarbeiter:innen besser vor Ausbeutung zu schützen. Dabei soll es um die Frage gehen, ob Plattformen wie Uber und Deliveroo ihre Arbeitskräfte anstellen müssen, ob diese Betriebsräte und Gewerkschaften gründen können, aber auch darum, wie viel Überwachung durch Algorithmen am Arbeitsplatz erlaubt sein soll. Darüber berät die EU mit Gewerkschaften und Arbeitgeber:innenverbänden, wie die Kommission am heutigen Mittwoch ankündigte.

Mehr als 24 Millionen Menschen in Europa haben bislang ihre Arbeitskraft über Plattformen angeboten, für rund drei Millionen sei die Gig Economy sogar die Haupteinkommensquelle, schätzt die EU-Kommission.

Der Begriff Gig Economy umfasst verschiedenste Formen der Plattformarbeit, bei der Menschen ursprünglich vereinzelte Dienstleistungen – sogenannte Gigs – über Online-Dienste angeboten haben. Im Fall von Liefer- oder Chauffeurdiensten bieten die Plattformen heute aber oft eine stetige Beschäftigung. Bislang gebe es jedoch in weniger als der Hälfte der EU-Staaten eigene Gesetze für diese Form der Arbeit, so die Kommission

In Deutschland und den meisten anderen Staaten sind etwa Fahrer:innen bei Taxi- und Bringdiensten nicht angestellt, immer wieder werden Klagen über die Arbeitsbedingungen laut. In der Pandemie boomten die Zustelldienste, doch den wirtschaftlichen Erfolg geben die Konzerne nicht immer an ihre Arbeitskräfte weiter.

Gesetzliche Informationspflicht?

Die Initiative der EU soll alle Arbeitsleistungen ins Visier nehmen, die über Plattformen vermittelt werden. Ein neues EU-Gesetz könnte etwa sicherstellen, dass Arbeitsrecht durchgesetzt werde, wo Arbeitskräfte eigentlich angestellt werden müssten. Dafür könnten Plattformen rechtlich verpflichtet werden, Aufsichtsbehörden Zugang zu Informationen für arbeitsrechtliche Kontrollen zu gewähren.

Auch sollen die Arbeitsbedingungen fairer werden, etwa durch eine gesetzliche Bestimmung für Plattformen, genaue Informationen über die erwartete Dauer und Bezahlung für Arbeitsaufträge zu liefern. Auch müsse es eine effektive Widerspruchsmöglichkeit für Beschäftigte gegen algorithmische Entscheidungen geben. Das könne auch das Risiko von Diskriminierung durch Algorithmen senken, heißt es in dem EU-Dokument.

Die möglichen Maßnahmen unterbreitet die Kommission nun im Rahmen eines Konsultationsprozesses den Sozialpartner:innen. Gemeinsam mit Gewerkschaften und Arbeitgeber:innen könnten Vorschläge für mögliche gesetzliche Maßnahmen oder Empfehlungen erarbeitet werden, heißt es aus Brüssel.

Lobbying von Kalifornien bis Brüssel

Wie mit Plattformarbeit umgegangen werden soll, ist vielerorts eine politische Streitfrage. In Kalifornien kippte ein Volksentscheid im November ein Gesetz, dass Firmen wie Uber und Lyft gezwungen hätte, ihre Fahrer:innen anzustellen. Dem Referendum war intensives Lobbying der Unternehmen vorausgegangen.

Einen Rückschlag setzte es für Uber hingegen in Großbritannien. Dort entschied das Höchstgericht, dass der Taxi-Dienst nicht bloß Dienstleistungen an seine Fahrer:innen vermittle. Vielmehr seien diese als Beschäftigte anzusehen.

Auch in Brüssel lobbyieren Plattformen wie Uber, Deliveroo und Airbnb. Ihr Kernanliegen sei es, mit ihren „innovativen“ Diensten den Regeln zu entgehen, die für ihre Konkurrenz im herkömmlichen Taxi-, Liefer- oder Vermietungsgeschäft gelten. Zu diesem Schluss kam 2019 eine Studie der NGO Corporate Europe Observatory und der österreichischen Arbeiterkammer. Das Lobbying aus der Gig-Economy stehe erst noch am Anfang und werde weiter zunehmen, heißt es im Fazit. Die Überlegungen der Kommission zu gesetzlichen Maßnahmen dürften das nur beschleunigen.

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