Facebook-VerfahrenJetzt aber schnell

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar will Facebook stoppen. Der Konzern soll mit Daten von WhatsApp keine spezifischeren Werbeprofile erstellen können. Er hat ein Dringlichkeitsverfahren eingeleitet.

WhatsApp wirbt für sich, um die Nutzenden zu behalten und mit ihren Daten dann passgenauere Werbung verkaufen zu können. Tushar Mahajan

Anfang Januar hat Facebook angekündigt die Nutzungsbedingungen für WhatsApp zu ändern. Wer die Messenger-App dann verwendet, erlaubt dem Unternehmen, auch WhatsApp-Daten zu verwenden, um netzwerkübergreifend personalisierte Werbung  zu schalten. Also nicht nur auf WhatsApp, sondern auch auf Instagram oder Facebook.

Diese Neuerung hatte Folgen. In den letzten Monaten sind Nutzende von WhatsApp in Scharen abgewandert und zu Nachrichtendiensten wie Signal oder Threema gewechselt. Deren Geschäftsmodell baut im Gegensatz zu WhatsApps nicht darauf auf, Daten zu verkaufen. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hat jetzt ein Verfahren gegen Facebook angekündigt. Noch vor Inkrafttreten der neuen Bedingungen am 15. Mai soll es zu einer Entscheidung kommen.

Laut Caspar bestehe Grund zur Annahme, dass die von dem Unternehmen angestrebte Datenweiterreichung zwischen Facebook und WhatsApp, unzulässig durchgesetzt werde. Ziel des Verfahrens ist, dem Unternehmen zu untersagen, Daten der WhatsApp-Nutzenden zu erheben und für „interne Zwecke“ zu verwenden.

Keine Wahlmöglichkeiten

Bisher betont das Facebook, dass die neuen Nutzungsbedingungen vor allem transparenter machen sollen, wozu die erhobenen Daten verwendet werden. Auch die weiterhin vorhandene Ende-zu-Ende Verschlüsselung hebt das Unternehmen hervor, um zu verdeutlichen, dass weder Facebook noch WhatsApp Inhalte von Nachrichten mitlesen können – auch nicht in Zukunft.

Mit dem Einverständnis der Nutzungsbedingungen kann das Unternehmen allerdings Metadaten von WhatsApp erheben und innerhalb des Unternehmens weitergeben. Metadaten sind für Werbezwecke sehr aussagekräftig, wenn nicht sogar aussagekräftiger als Nachrichteninhalte. Sie umfassen beispielsweise, wie lange jemand WhatsApp genutzt, mit wem wie viele Nachrichten ausgetauscht werden, wo die Nachrichten ausgetauscht werden sowie generell den Standort. Was Forscher für Twitter gezeigt haben gilt für Anwendungen wie Facebook und WhatsApp ähnlich: Mit Metadaten können Unternehmen konkrete „Profile“ erstellen und diese dann an Werbekunden verkaufen. Facebook-Sprecher:innen haben sich in der Vergangenheit uneindeutig geäußert, ob die Daten in Europa ebenfalls für netzwerkübergreifende Werbezwecke verwendet werden sollen.

Es geht aber nicht nur um den Inhalt der Nutzungsbedingungen. Facebook steht auch in der Kritik, weil die Nutzenden sich nicht dagegen wehren können. Entweder sie stimmen den Bedingungen zu oder sie können den Nachrichtendienst nicht mehr in vollem Umfang nutzen. Das Unternehmen hatte erst angekündigt, dass WhatsApp nicht mehr genutzt werden könne, sollte den Bedingen nicht zugestimmt werden. Jetzt änderte der Mutterkonzern Facebook seine Strategie, wie TechCrunch berichtete. Die Nutzenden sollen noch einige Zeit lang Zugang zu WhatsApp haben. In dieser Zeit werden sie auch weiterhin benachrichtigt und können Anrufe sehen. Sie können aber nicht mehr auf Nachrichten reagieren – außer sie stimmen doch noch zu.

Genau gegen diese Alternativlosigkeit geht der Hamburger Datenschutzbeauftragte jetzt vor. Schon 2016 hatte er eine Anordnung erlassen, die Facebook untersagte Massendaten zwischen WhatsApp und Facebook auszutauschen. Die neuen Nutzungsbedingungen sollen genau das erlauben. In einer Pressemitteilung heißt es zu dem aktuellen Verfahren: „Leider ist es bislang zu keiner uns bekannten aufsichtsbehördlichen Überprüfung der tatsächlichen Verarbeitungsvorgänge zwischen WhatsApp und Facebook gekommen. Derzeit besteht Grund zu der Annahme, dass die Bestimmungen zum Teilen der Daten zwischen WhatsApp und Facebook mangels Freiwilligkeit und Informiertheit der Einwilligung unzulässig durchgesetzt werden sollen.“ Das Verfahren soll vor dem 15. Mai abgeschlossen sein. Vorher hat Facebook Zeit, sich zu äußern.

6 Ergänzungen

  1. > Metadaten sind für Werbezwecke sehr aussagekräftig, wenn nicht sogar aussagekräftiger als Nachrichteninhalte.

    Nicht nur für „Werbezwecke“ sondern generell für jede Art von Ermittlungen, Recherche und Spionage.

    Die eleganteste Art, den Zweck der Verarbeitung zu verschleiern ist, Metadaten vordergründig für „Werbezwecke“ abzuschöpfen.

  2. „Genau gegen diese Alternativlosigkeit geht der Hamburger Datenschutzbeauftragte jetzt vor.“

    Und er glaubt ernsthaft, dass er dem Datenschutz damit einen Dienst erweist? Die Nutzer haben ja durchaus eine Alternative: Verzicht auf WhatsApp. Aber den allermeisten Nutzern ist Datenschutz relativ egal, darum ist auch den meisten die Verknüpfung WhatsApp-Facebook egal.

    Was wird passieren, wenn sich Caspar durchsetzt? Facebook wird sich überlegen, ob Deutschland als Markt interessant genug ist für eine Fortführung von WhatsApp. Falls ja, wird es alternativ ein kostenpflichtiges WhatsApp-Abo ohne Facebook-Verknüpfung geben. Dieses Angebot werden aber bestenfalls 2-3 % aller Nutzer abschließen. Wirkung für den Datenschutz: nahe null.

    Die Datenschützer sollten endlich die Scheinkämpfe beenden und sich um das wahre Problem kümmern, die staatliche Datensammelei und -schnüffelei. Dort hat der Nutzer nämlich wirklich keine Alternative: Es gibt kein Opt-out.

    1. Soll das ein Witz sein?

      Staatlicher Zugriff und Sammelei ist ein Problem, Facebook ist aber das X-fache Problem.
      – Facebook und Drittunternehmen benutzen die Daten konkret für Profit.
      – USA nehmen Zugriff.
      – EU nimmt Zugriff.
      – Der ganze verblödete Planet will Zugriff, also Regierungen und Behörden.

      Facebook ist das Schlimmste mit dem schlimmsten Geschäftsmodell.

    2. > „Was wird passieren, wenn sich Caspar durchsetzt? Facebook wird sich überlegen, ob Deutschland als Markt interessant genug ist für eine Fortführung von WhatsApp. Falls ja, wird es alternativ ein kostenpflichtiges WhatsApp-Abo ohne Facebook-Verknüpfung geben. Dieses Angebot werden aber bestenfalls 2-3 % aller Nutzer abschließen. Wirkung für den Datenschutz: nahe null.“

      Ganz im Gegenteil. Genau damit wäre der Datenschutz doch verbessert – zumindest für jene, die darauf Wert legen. Natürlich wäre WA nicht mehr gratis, aber das ist es schon heute nicht. Vielleicht würde so dem einen oder anderen klar, dass er seine WA-Nutzung mit seinen persönlichen Daten bezahlt.

      Ich jedenfalls bin gerne bereit, statt der Gratis- eine Bezahlvariante zu nutzen, wenn meine Daten dadurch besser geschützt und nicht mehr an die halbe Welt weiterverkauft werden. Die Überlegung, dieses Geld ausgerechnet Facebook oder lieber einem alternativen Wettbewerber zu geben, käme dann als nächster Schritt.

    3. Es ist eine ziemlich weltfremde Sicht zu glauben, jede Person könne einfach auf WhatsApp verzichten ohne auf wichtige Informationsflüsse zu verzichten.

      Während es in Freundeskreisen noch vergleichsweise einfach ist, Nutzerkreise zu alternativen Messengern zu überreden ist das in anderen Kontexten wesentlich schwieriger.
      Es existieren unzählige Gruppen in Schulen (sowohl für Schüler, als auch auch für Eltern) Kitas, Vereinen etc., in denen wichtige Informationen zuerst oder ausschließlich geteilt werden, die quasi unmöglich wegzudiskutieren sind.

      Mir ist Datenschutz wichtig. Aber nicht wichtig genug, um von diesen Informationen abgeschnitten zu werden. Ich engagiere mich schon an genug Fronten, um nun auch noch Zeit für diesen Kampf zu haben.

      Die Verantwortung kann nicht mal wieder auf Einzelne abgeschoben werden. Es muss klar adressiert werden, dass WhatsApp eine marktbeherrschende Stellung einnimmt und auch dementsprechend behandelt wird.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.