In Großbritannien protestieren seit dem Wochenende in London und anderen Städten Jugendliche gegen eine Vergabe ihrer Noten per Algorithmus – und wurden gehört.
Wegen der Corona-Pandemie und den Schulausfällen konnten Prüfungen zum Abitur und zur mittleren Reife nicht abgelegt werden. Zuerst plante das Bildungsministerium, dass die Lehrer:innen die Noten auf Grundlage früherer Bewertungen vergaben. Das führte dazu, dass die Noten im Durchschnitt besser waren als in den Vorjahren. Deswegen ließ das Bildungsministerium die Noten noch einmal mit einem Algorithmus korrigieren, der die Durchschnittsnoten der jeweiligen Schulen der Vorjahre mit einbezog. Die Folge: In 280.000 Fällen wurden Schüler:innen schlechter bewertet, das sind fast 40 Prozent aller Schulabschlüsse des Jahres.
Bei den Protesten machten die Schüler:innen auf Schildern darauf aufmerksam, dass sie den Algorithmus als diskriminierend wahrnehmen. So war auf Plakaten zu lesen, dass Lehrer:innen und nicht die Postleitzahlen über Noten entscheiden sollten. Die Maßnahme wurde mit Schildern wie „Classroom not Class War“ als sozial ungerecht bezeichnet. Hintergrund ist, dass Schüler:innen aus privaten, privilegierten und guten Schulen nicht von der Abwertung betroffen sein könnten, während „Problemschulen“ zur Abwertung führen können – ungeachtet der individuellen Schulleistungen der Einzelnen. Bei einer Demo in London skandierten die Protestierenden „Fuck the Algorithm“ und forderten den Rücktritt des Bildungsministers.
„Fuck the Algorithm“
Auch sind unterschiedliche Bewertungen von Zwillingen bekannt geworden, die nach der Benotung durch die Lehrer exakt die gleichen Noten hatten, aber nach der algorithmischen Bewertung unterschiedlich dastanden. Auf den sozialen Bias von Algorithmen im Bezug auf Schulen und Schulnoten hatte schon 2017 Cathy O’Neil in ihrem Buch „Angriff der Algorithmen“ hingewiesen.
Die britische Regierung hatte zuerst angekündigt, dass man sich über die Notenvergabe beschweren könne, zog dieses Angebot dann aber wieder zurück. Nun hat die Regierung die umstrittene maschinelle Benotung zurückgenommen, die Noten der Lehrer:innen zählen jetzt doch.
Schottland hatte sich schon zuvor wegen der Probleme der algorithmischen Einstufung für die Noten der Lehrer:innen entschieden.
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