Bundesministerien geben weiterhin die Daten von zivilgesellschaftlichen Organisationen zur Überprüfung an das Bundesamt für Verfassungsschutz weiter, ohne dass die Organisationen dies erfahren. Wie aus Antworten der Bundesregierung auf kleine Anfragen hervorgeht, leiteten Innen- und Familienministerium in den vergangenen Jahren im Rahmen von Programmen wie „Demokratie Leben“ Daten von hunderten Organisationen an den Geheimdienst weiter. Eine gesetzliche Grundlage gibt es für das Vorgehen nicht.
So ließ das Innenministerium 2018 insgesamt 82 Organisationen und im Jahr 2019 sogar 202 zivilgesellschaftliche Organisationen vom Geheimdienst überprüfen. Offenbar sind darunter fast alle Organisationen, die vom Ministerium und der ihr unterstehenden Bundeszentrale für politische Bildung gefördert werden.
Das Familienministerium von Franziska Giffey (SPD) leitete Daten von Antragstellern aus der Zivilgesellschaft in den Jahren 2018 und 2019 sechsmal weiter. Seit 2015 wurden im Programm „Demokratie Leben“ des Ministeriums somit mindestens 55 zivilgesellschaftliche Organisationen durch den Geheimdienst überprüft. Welche Kriterien und Daten bei den Überprüfungen verwendet wurden, hält das Ministerium geheim.
Keine gesetzliche Grundlage
Kritik erfährt dieses nach einer ehemaligen Staatssekretärin benannte „Haber-Verfahren“ vom Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber. In seinem Jahresbericht kritisierte er, dass für die anlasslose Weiterleitung von Daten an den Geheimdienst eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden müsse. Das Innenministerium ließ daraufhin mitteilen, es teile die Auffassung nicht.
Betroffene Organisationen erfahren weiterhin nicht, wenn ihre Daten an den Geheimdienst weitergeleitet werden. Die Bundesregierung plant dies auch nicht. Das Verfahren sei „in den letzten Jahren bereits so häufig öffentlich diskutiert, dass eine gesonderte Erwähnung in der Ausschreibung schon aus rein tatsächlichen Gründen obsolet erscheint“, antwortete die Regierung auf Anfrage.
Ein juristisches Gutachten des Bundesverbands für mobile Beratung kam im Jahr 2018 zu dem Schluss, dass die Überprüfungen verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen und unverhältnismäßig seien.
Geheimhaltung vor Gericht
Am kommenden Montag verhandelt das Berliner Verwaltungsgericht über eine Auskunftsklage von FragDenStaat, das die Namen der überprüften Organisationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz erhalten will. Das Ministerium argumentiert, die Herausgabe der Namen würde „[d]ie Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit“ zwischen Zivilgesellschaft und Ministerium stören oder zerstören.
Eine umstrittene „Extremismusklausel“ des Familienministeriums wurde im Jahr 2014 abgeschafft, nachdem es starken Protest von zivilgesellschaftlicher Seite gab.
Überprüfungen könnten ja passieren, allerdings muss dafür Struktur und Verlässlichkeit bestehen.
– Aktenkundigkeit des Vorgangs an sich, sowie aller Beteiligten.
– Zweckbindung: es wird nur das (und Schlimmeres) untersucht. Nicht noch Ordnungaswidrigkeiten u.a., denn sonst müsste aus Balancegründen auch jeglicher „Wettbewerb“ bzw. alles überprüft werden.
– Transparenz mindestens statistisch, ohne begriffliche Schönfärberei.
– Parlamentarische, vor allem aber wirksame Kontrolle.
Naja, usw…
„…'[d]ie Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit‘ zwischen Zivilgesellschaft und Ministerium stören oder zerstören.“
Bei so einer Antwort wird die Milch in der Kuh sauer. Weiß denn das Ministerium, was Vertrauen überhaupt ist??? Die Zivilgesellschaft muss also vertrauen, das Ministerium vertraut nur den Schlapphüten??? So eine Antwort hätte ich in Belarus erwartet!