Wer für zivilgesellschaftliches Engagement staatliche Förderung erhalten will, muss befürchten, vom Geheimdienst durchleuchtet zu werden. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion hervor, die wir veröffentlichen.
Danach hat in den vergangenen Jahren nicht nur das Familienministerium Demokratieprojekte durch den Inlandsgeheimdienst überprüfen lassen. Auch das Innenministerium, das Arbeitsministerium, das Bildungsministerium, das Entwicklungsministerium und das Auswärtige Amt nutzten das sogenannte Haber-Verfahren, nach dem Bundesbehörden zivilgesellschaftliche Projekte vor einer möglichen Förderung dem Geheimdienst vorlegen.
Die grüne Bundestagsabgeordnete Monika Lazar nennt die Überprüfungen der Projekte „äußerst besorgniserregend“. Sie kritisiert die Informationspolitik der Bundesregierung: „Antragstellende Projektträger wissen regelmäßig nichts von dieser möglichen Überprüfung, sodass hier unerkannte Grundrechtseingriffe in unbestimmter Zahl zu befürchten sind.“
Keine klare rechtliche Grundlage für Überprüfungen
Vor einem Jahr war bereits bekanntgeworden, dass das SPD-geführte Familienministerium seit 2015 mindestens 51 Demokratieprojekte vom sogenannten Bundesamt für Verfassungsschutz überprüfen ließ, das damals von Hans-Georg Maaßen geführt wurde. Ein juristisches Gutachten des Bundesverbands für mobile Beratung kam zu dem Schluss, dass die Überprüfungen verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen und unverhältnismäßig seien. Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage auf das Ressortprinzip, nach dem jedes Bundesministerium in eigener Verantwortung geleitet wird.
Wie viele zivilgesellschaftliche Organisationen von allen Bundesministerien seit Einrichtung des Haber-Verfahrens 2004 überprüft wurden, will die Bundesregierung nicht preisgeben. Offenbar gibt es weder eine Dokumentation der Überprüfungen noch eine datenschutzrechtliche Richtlinie für die Ressorts. Das Familienministerium wehrt sich derzeit vor Gericht gegen eine Klage von FragDenStaat, um die Namen von durchleuchteten Organisation weiter geheimhalten zu können.
Bundesministerien arbeiten dem Geheimdienst zu
Laut Monika Lazar gefährden die geheimdienstlichen Überprüfungen den Erfolg von Demokratieprojekten: „Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Staat und Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus und zur Stärkung unserer Demokratie ist durch diese intransparenten Eingriffe nicht möglich. Davon profitieren die gesellschaftlichen Kräfte, die eine Gefahr für unsere Demokratie und den sozialen Frieden darstellen.“
Dass der Inlandsgeheimdienst durch die Zuarbeit der Bundesministerien seine Erkenntnisse über zivilgesellschaftliche Organisationen erweitert, nimmt die Bundesregierung offenbar in Kauf. Sollten Organisationen sich aufgrund der Prüfpraxis nicht mehr um staatliche Förderung bewerben, „bewertet die Bundesregierung dies nicht“, wie es in der Antwort auf die Kleine Anfrage heißt.
Warum heißt es „…vom *sogenannten* Bundesamt für Verfassungsschutz überprüfen ließ,…“? Wird hier angezweifelt, dass es sich nicht um ein legitimiertes Bundesamt – unabhängig von der hier beschriebenen und diskutabelen Tätigkeit – handelt?