Spione im Seminar: Geheimdienste und Bundeswehr starten eigenen Studiengang

Am Montag nahmen die Studierenden des Masterstudiengangs „Intelligence and Security Studies“ das Kernstudium auf. Sie sollen das Handwerk der Spionage lernen. Auch Privatunternehmen interessieren sich für die kommenden Absolvent:innen.

Hörsaal, leer
Diesen Hörsaal könnten die 50 Studierenden nicht füllen. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Nathan Dumlao

Für Mitarbeiter:innen der deutschen Geheimdienste gibt es einen überraschenden neuen Einsatzort: Die Universität. „Ich möchte noch besser werden bei meiner Arbeit“, sagt die 29-jährige Luisa W., die seit zehn Jahren beim Bundesnachrichtendienst (BND) arbeitet, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Sie begann diese Woche mit 49 weiteren Studierenden den Masterstudiengang „Intelligence and Security Studies“ (MISS). Der neue Lehrgang ist beim „Center for Intelligence and Security Studies“ (CISS) in München angesiedelt.

Der Studiengang ist ein gemeinsames Projekt der Hochschule des Bundes und der Bundeswehruniversität München. Studieren dürfen dort nur Mitarbeiter:innen von der drei deutschen Geheimdiensten, Soldat:innen, Mitarbeiter:innen der Ministerialverwaltung und des polizeilichen Staatsschutzes und zu Teilen der Parlamentsverwaltung zum Studium. Mit dem 1. Juli begann das Kernstudium. BND-Präsidenten Bruno Kahl eröffnete den Studiengang gestern in einem Festakt.

Verdeckte Studierende

Die Studierenden müssen die höchste Sicherheitsüberprüfung „Ü3“ durchlaufen. Dabei werden die privaten Kontakte sowie persönliche Hintergründe untersucht. Eingeschrieben sind die Studierenden mit „einem Namen“, wie Uwe Borghoff, einer der Studiengangsleiter, dem SPIEGEL berichtet. Dies muss nicht der Geburtsname des Menschen sein.

Dieses geheimtuerische Verhalten soll die bis zu 80 Absolvent:innen schützen, wenn sie in zwei Jahren ihre Arbeit (wieder) aufnehmen. Der Beirat des Studiengangs befürchtet Unterwanderungs- oder Abwerbeversuche von konkurrierenden Nachrichtendiensten. Auch Privatunternehmen aus den Bereichen Technologie und Reise interessieren sich schon laut SPIEGEL für die Spezialisten in spe.

Ein Vorbereitungskurs begann bereits Anfang des Jahres und war vor allem für die 30 Soldat:innen bestimmt, die zuvor keine nachrichtendienstlichen Erfahrungen sammeln konnten. Auf dem Lehrplan standen dort etwa „Menschenrechte und Sicherheit aus normativer Perspektive“ und das Thema „Digitalisierung“.

Im Hauptstudium sollen Schwerpunkte wie „Intelligence Collection“ sowie „Cyber Security“ und letztendlich „Cyber Defence“ und „Verfassungsschutz in einer wehrhaften Demokratie“ vertieft werden. Das Studium abschließen soll eine 100-seitige Masterarbeit. Studienorte sind Berlin, München und Brühl (NRW). Neben den 30 Soldat:innen fingen zehn Mitarbeiter:innen des BND, sechs des Bundesamtes für Verfassungsschutz und drei von verschiedenen Landesämtern des Verfassungsschutzes an.

Vernetzung der Dienste als Motiv

Das Institut, an dem der Studiengang angesiedelt ist, wirbt in seiner Öffentlichkeitsarbeit mit beliebten Schlagwort „Interdisziplinarität“. Die Vorauswahl der Schwerpunkte lässt aber nicht auf ein fächerübergreifendes Studium schließen. Viel eher soll dieses vermeintliche Merkmal des Studiengangs durch die Wahl der akademischen Hintergründe der Studierenden gegeben sein.

BND-Präsident Kahl sagte am Mittwoch gegenüber „Tagesspiegel Background“, dass auch „Generalisten“ gesucht sein, die einen „große[n] Spagat zwischen dem Aufklärungsinteresse und den dafür vorhandenen Kompetenzen“ hinbekommen sollen. Dieser Konflikt war in der Geschichte der deutschen Geheimdienste immer wieder von Interesse für parlamentarische Untersuchungsausschüsse.

Luisa W. freut sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass sie mit diesem Studium etwas – aus ihrer Sicht wohl Positives – bewirken kann: „Ich möchte einen Job haben, bei dem ich mir sicher bin, dass ich jeden Tag etwas tue, das Bedeutung hat.“ Ob ein Studium, das dazu führt, dass man bei einem Arbeitgeber arbeitet, der für globale Überwachung, Krieg und Konflikte verantwortlich ist, diesen Wunsch erfüllt, bleibt nicht unklar: Diese Annahme verbietet sich.

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