Report: Pressefreiheit hat sich in Europa deutlich verschlechtert

Der jährliche Bericht von Reporter ohne Grenzen zum Stand der Pressefreiheit weltweit gibt Anlass zur Sorge. Vor allem auf dem nordamerikanischen Doppelkontinent und in Europa verschlechterte sich die Lage. Schuld daran sind auch populistische Regierungen.

Reporter ohne Grenzen gibt jedes Jahr die Rangliste der weltweiten Pressefreiheit heraus. – Alle Rechte vorbehalten Reporter ohne Grenzen

Früher waren die weißen Flecken auf der Landkarte unbekannte Gebiete. In der Karte von Reporter ohne Grenzen kennzeichnen die weißen Flächen die Länder, in denen die Pressefreiheit eine gute Lage hat. Nur noch 17 Länder erreichen im Jahr 2018 laut der Medienfreiheitsorganisation diesen Status, mit sinkender Tendenz. Die Länder mit der größten Pressefreiheit weltweit sind Norwegen, Finnland und Schweden.

Als ein Problem für die Pressefreiheit benennt der Bericht populistische Regierungen, die für ein immer pressefeindlicheres Klima sorgten. So wurde beispielsweise Österreich wegen medienfeindlicher Rhetorik und Drohungen um fünf Plätze herabgestuft. Schon viele Länder in Europa haben wie Frankreich, Großbritannien oder Spanien nur noch eine „zufriedenstellende Lage“, in Polen und Ungarn sowie etlichen Balkanländern verortet Reporter ohne Grenzen „erkennbare Probleme“. Das Schlusslicht in der EU ist Bulgarien, das in der Kategorie „schwierige Lage“ eingeordnet ist und nur den 111. Platz weltweit belegt.  Die letzten fünf Plätze des 180 Länder umfassenden Rankings nehmen die Länder Vietnam, China, Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan ein.

Es gibt aber auch positive Entwicklungen, heißt es im Bericht: „Die größten Aufsteiger der Rangliste liegen in Subsahara-Afrika: In Äthiopien (110, +40) und Gambia (92, + 30) wurden nach Regierungswechseln Reformen eingeleitet und inhaftierte Medienschaffende freigelassen. In Tunesien (72, +25) sank die Zahl der Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten deutlich.“ Absteiger des Jahres sind Zentralafrikanische Republik (145, -33), Tansania (118, -25) und Nicaragua (114, -24). Auch die USA ist nach dem Absteigen nach Trumps Präsidentschaft weiter abgesunken: „In den USA (48, -3) zeigt die Hetze Wirkung, mit der Präsident Donald Trump kritische Medien seit seinem Amtsantritt überzieht. Nie zuvor erhielten Journalistinnen und Journalisten – von Trump als „Volksfeinde“ diffamiert – so viele Mord- und Bombendrohungen wie 2018“, schreibt Reporter ohne Grenzen.

Deutschland nur besser platziert, weil andere schlechter wurden

Über die Situation in Deutschland schreibt Reporter ohne Grenzen:

Deutschland ist auf der Rangliste um zwei Plätze vom 15. auf den 13. Rang gerückt. Dies liegt jedoch vor allem daran, dass sich die Situation in anderen Ländern verschlechtert hat. Die Zahl der tätlichen Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten in Deutschland ist 2018 sogar gestiegen: ROG zählte mindestens 22 Fälle, 2017 waren es 16. Zu Gewalt kam es insbesondere am Rande rechtspopulistischer Veranstaltungen und Kundgebungen. Bei Demonstrationen in Chemnitz im Sommer 2018 schlugen Protestierende filmenden Journalistinnen und Journalisten wiederholt gegen das Handy oder die Kamera oder griffen sie mit Vorwürfen wie „Lügenpresse“ verbal an. Ein so medienfeindliches Klima wie in Chemnitz herrschte aus Sicht von Reporter ohne Grenzen seit der Hochphase der Pegida-Bewegung im Jahr 2015 nicht mehr. Problematisch sind zudem einige neuere Gesetze wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gegen Hassbotschaften im Internet und das BND-Gesetz, das die Überwachung ausländischer Journalistinnen und Journalisten im Ausland durch den Bundesnachrichtendienst erlaubt.

In der interaktiven Karte von Reporter ohne Grenzen kann man nicht nur die Rankings erkennen, sondern für jedes der Länder Detailinformationen abrufen, in denen die Probleme in Sachen Pressefreiheit erläutert werden. Grundlagen der Rangliste sind ein Fragebogen zu verschiedenen Aspekten journalistischer Arbeit sowie die von ROG ermittelten Zahlen von Übergriffen, Gewalttaten und Haftstrafen gegen Medienschaffende. Daraus ergeben sich für jedes Land Punktwerte, die im Verhältnis zu den Werten der übrigen Länder die Platzierung in der Rangliste bestimmen.

2 Ergänzungen

  1. „nordamerikanischen Doppelkontinent“
    Ich schätze, dass dies nicht richtig ist, da Nordamerika nicht aus zwei Kontinenten besteht.

  2. Zitat:
    „Grundlagen der Rangliste sind ein Fragebogen zu verschiedenen Aspekten journalistischer Arbeit sowie die von ROG ermittelten Zahlen von Übergriffen, Gewalttaten und Haftstrafen gegen Medienschaffende“

    Hier mal der Link zum Fragebogen. Der ist zwar von 2017 (2018 habe ich nicht gefunden), wird sich aber wohl nicht allzu sehr unterscheiden von der aktuellen Variante:

    https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Presse/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2017/Fragebogen_Rangliste_der_Pressefreiheit_2017_-_ROG.pdf

    Wenn man sich die Fragen einmal durchliest fällt auf, dass sich alle Fragen auf bestimmte Spannungsverhältnisse beziehen:

    1. Freie Ausübung der Tätigkeit als Journalist vs. Restriktionen/Überwachung/Verbote des Staates
    2. Freie Ausübung der Tätigkeit als Journalist vs. gesellschaftpolitische/rechtliche Restriktionen

    Was überhaupt nicht abgefragt wird, ist die Ausrichtung des Mediums, der letztendlich mein Gehalt oder für meine Artikel bezahlt. Beispielfragen:

    1. Haben Sie das Gefühl, dass die Eigentümerstruktur des Mediums die unabhängige Berichterstattung beeinflusst?
    2. Glauben Sie, dass Ihre Artikel eher angenommen werden, wenn Sie einer (unsichtbaren) „redaktionellen Linie“ entsprechen?
    3. Haben Sie es schon einmal erlebt, dass neue Kollegen nach Ihrer Weltanschauung ausgewählt werden?
    4. Empfinden Sie die Berichterstattung Ihres Mediums teilweise als tendenziös oder unausgewogen?

    Oder bedroht dies etwa nicht die journalistische Freiheit?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.