Neues aus dem Fernsehrat (22): Fraktionen statt Freundeskreise

Das Regime der „Freundeskreise“ in Fernseh- und Rundfunkräten ist schon länger ein Problem für die Legitimation öffentlich-rechtlicher Aufsichtsratsgremien. Es ist an der Zeit, stattdessen offiziell die Bildung von Fraktionen zu erlauben, wie es dem quasi-parlamentarischen Charakter der Gremien entspricht.

Mainzelmännchen im ZDF Kasino am Lerchenberg in Mainz CC-BY 4.0 Leonhard Dobusch

Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig über Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.

Dieser Beitrag ist teilweise während jener Sitzung entstanden, die der Empfangsbildschirm im ZDF-Kasino Mainz am Lerchenberg als „Vorgespräch Werneke“ ausweist. Frank Werneke ist stellvertretender Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, im ZDF-Fernsehrat ist er außerdem der in geheimer Wahl gewählte Vorsitzende des sogenannten „roten Freundeskreises“. Sein Pendant im „schwarzen Freundeskreis“ ist Ex-CDU-Verteidigungsminister Franz Josef Jung, der immer zur selben Zeit wie Werneke Fernsehräte zum „Vorgespräch“ lädt.

Foto des Empfangsbildschirms im ZDF-Kasino Mainz - CC-BY 4.0 Leonhard Dobusch

Freundeskreise, die sich vor den offiziellen Plenumssitzungen zu Vorberatungen treffen, sind kein Spezifikum des ZDF-Fernsehrats. Auch in den Rundfunkräten der ARD gibt es „Freundeskreise“, neben roten und schwarzen gibt es dort auch „graue“ Freundeskreise, in denen sich zum Beispiel kirchliche und andere zivilgesellschaftliche Mitglieder vorab abstimmen.

Verschämte Bezeichnungen

Gemein ist den Freundeskreisen in ARD und ZDF ihr schlechter Leumund. Und das ist auch kein Wunder. Fernsehratsvorsitzende Marlene Thieme bezeichnet sie im Interview als „informelle Treffen“ und gibt sich unwissend über deren Zusammensetzung und Entscheidungsverfahren. Dabei werden die Einladungen zu den Vorberatungen zumindest im ZDF durch das Gremienbüro verschickt, finden die Treffen in den Räumlichkeiten des ZDF statt und nehmen regelmäßig hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der Anstalten von Intendant Thomas Bellut abwärts an den Freundeskreissitzungen teil.

In Wirklichkeit ist schon die Bezeichnung „Freundeskreis“ einem quasi-parlamentarischen Aufsichtsgremium wie dem Fernsehrat unwürdig. Selbstverständlich gibt es bei einem Gremium mit sechzig Mitgliedern Vorgespräche und Absprachen unter den Mitgliedern. Und wie ich in einer früheren Folge dieser Serie anlässlich einer Vorwahl von Verwaltungsratsmitgliedern geschrieben habe, ist die formalisierte Informalität der Freundeskreise ein Schutz davor, dass Entscheidungen ausschließlich in völlig undurchsichtigen, informellen Gruppen fallen.

Ansatzpunkt für Kritik

Gleichzeitig zeichnet der verdruckst-verschämte Umgang mit Freundeskreisen ein konspiratives Bild, das der Profanität der Freundeskreispraxis in keinster Weise gerecht wird. Sie lädt zu Kritik ein, wie jener, dass die „schwarzen und roten Blöcke sich die Posten zu[schieben]“, und weckt Zweifel, „dass andere Freundeskreise als rote und schwarze in den Aufsichtsgremien viel zu sagen haben“.

Dabei wäre es durchaus möglich, dem vermeintlich konspirativen Charakter der „Freundeskreise“ ein Ende zu bereiten. Warum nicht in der Geschäftsordnung des Fernsehrats einen neuen § 10b „Bildung von Fraktionen“ einfügen? Analog zu § 10 der Geschäftsordnung des Bundestages könnten damit offizielle Rahmenbedingungen für Vorberatungen geschaffen werden, wie sie in (quasi-)parlamentarischen Organen ohnehin immer passieren werden.

Im Ergebnis könnte gerade die Formalisierung von Freundeskreisen in Form von Fraktionen einen Beitrag leisten, die Staatsferne der Aufsichtsgremien deutlich und sichtbar zu machen. Denn wenn es nur „rot“ und „schwarz“ gibt, ist der Verdacht parteipolitischer Einflussnahme und Steuerung natürlich naheliegend. Wenn es aber ganz offiziell „graue“, „alternative“ oder „digitale“ Fraktionen in den Aufsichtsgremien gäbe, würde dadurch auch eine Differenz zu parteipolitischer Meinungs- und Entscheidungsfindung dokumentiert.

3 Ergänzungen

  1. Dieser Beitrag untermauert in wunderbarer Weise meine Vorurteile gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Irgendwie schafft der Beitag es aber dieses Geklüngel als etwas positives Darzustellen.

  2. Wäre es nicht praktisch, die Räte zuerst von den Beitragszahlenden wählen zu lassen, bevor man Freundeskreise in Fraktionen umbenennt?

  3. Ich fürchte dass dereinst der „grüne“ Freundeskreis die erwähnten roten und schwarzen überstimmen könnten.

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