Netzpolitischer Wochenrückblick KW 32: Regulierung sozialer Netzwerke und kontroverse Polizeigesetze

Diese Woche beschäftigte uns der Hassprediger Alex Jones, gegen den große Online-Plattformen plötzlich vorgehen. Viel Neues gibt es außerdem zum Thema Polizeigesetze: Auch in Niedersachsen und Hamburg werden Polizeibefugnisse ausgedehnt. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags beschäftigt sich damit, ob die bayerischen Regelungen in ein bundesweites Musterpolizeigesetz Eingang finden könnten.

– Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Ricky Kharawala

Apple machte den ersten Schritt, dann zogen innerhalb von 24 Stunden auch Facebook, Youtube und Spotify nach und löschten Beiträge oder ganze Kanäle des Hasspredigers Alex Jones von ihren Plattformen. Warum dies gerade jetzt geschah und nach welchen Regeln, ist noch unklar. Besonders die Entscheidung von Facebook kam überraschend, denn das Unternehmen hatte sich noch vor einigen Wochen dafür gerechtfertigt, nicht in Alex Jones‘ Hasstiraden einzugreifen.

Die Entscheidungen von Apple, Facebook & Co. gegenüber Jones dürften die EU-Kommission erfreuen. Diese drängt die Unternehmen schon seit Längerem, freiwillig gegen allerlei rechtswidrige Inhalte vorzugehen. Weil es bisher jedoch zu wenige Fortschritte gab, wurde nun für den September ein neues Gesetz zur Filterpflicht von Online-Plattformen angekündigt.

Eine Sonderrolle nehmen bisher Twitter und seine Videoplattform Periscope ein, die Jones weiterhin nutzen kann. Die Begründung: Er habe noch nicht gegen ihre Regeln verstoßen. Jillian C. York fordert daher in einem Gastbeitrag bei uns eine dringende Überarbeitung von Twitters eigenen Regeln.

Polizeigesetze und Staatstrojaner

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags geht der Frage nach, ob das umstrittene bayerische Polizeigesetz eine Vorlage für das bundesweite Musterpolizeigesetz sein könnte. Mit der neuen Kategorie der „drohenden Gefahr“ befasst sich auch eine Stellungnahme der Neuen Richtervereinigung – am Beispiel der Polizeigesetzesnovelle in Brandenburg.

In einer dreitägigen Sitzung hört der niedersächsische Landtag seit Donnerstag dreißig Sachverständige zum geplanten neuen Polizeigesetz an. Für netzpolitik.org hat unsere Mitarbeiterin Marie Bröckling eine Stellungnahme verfasst. Mit dem angedachten Gesetz möchte die rot-schwarze Landesregierung der Polizei mehr Befugnisse erteilen. Darunter fallen mehr Videoüberwachung, elektronische Fußfesseln, Staatstrojaner und Präventivhaft, bei der Menschen ohne Anklage inhaftiert werden dürfen.

Polizeiliche Befugnisse wurden vor knapp einem Jahr auch bundesweit über das Staatstrojaner-Gesetz ausgeweitet. Dagegen legen der Verein Digitalcourage, die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und aktuelle sowie ehemalige FDP-Politiker*innen jetzt Verfassungsbeschwerden ein. Die neue Regelung in der Strafprozessordnung ermöglicht den Einsatz von Spionagesoftware zur Infiltrierung von Computern oder Smartphones in der polizeilichen Strafverfolgung. Dies war zuvor nur dem BKA zur Terrorabwehr erlaubt.

Während die Befugnisse der Polizei ausgeweitet werden sollen, hat der BND in den Jahren 2016 und 2017 knapp 300 Verstöße gegen Geheimschutzvorschriften innerhalb der eigenen Behörde verzeichnet. Der BND begründet die Problematik mit „Fehlverhalten von Mitarbeitern“. Ein zusätzlicher potenzieller Grund sei die „gestiegene Kontrollintensität hinsichtlich der IT-Nutzung“.

Überwachungslabor Berlin-Südkreuz

Das Pilotprojekt zur biometrischen Gesichtserkennung mit hochauflösenden Kameras am Berliner Bahnhof Südkreuz ist beendet. Der Bundesinnenminister äußert sich bisher nicht zum Vorzeigeprojekt am Südkreuz, und die genauen Ergebnisse des Tests stehen noch aus. Der Deutsche Anwaltverein kritisierte mehrfach die Missachtung verfassungsrechtlicher Grundsätze und macht im Interview mit uns auf weitere rechtliche und praktische Probleme bei der „intelligenten“ Videoüberwachung aufmerksam.

Ähnliche Verfahren möchte künftig auch die Hamburger Polizei nutzen: Geplant ist, permanent eine Software zur Gesichtserkennung zu nutzen, welche zur Strafverfolgung nach dem G20-Gipfel eingeführt wurde. So sollen Personen im Nachgang einer Straftat identifiziert werden können. Jetzt soll der Einsatz der Software ausgeweitet werden, dabei hält der Hamburgische Datenschutzbeauftragte die Technologie für verfassungsrechtlich bedenklich.

Gerichtsentscheidungen zur Informationsfreiheit

Wenn deutsche Gerichte entscheiden, ob Ministerien bisher geheime Dokumente nach dem Informationsfreiheitsgesetz herauszugeben haben, vertrauen sie den Einschätzungen der Beamt*innen, anstatt die Dokumente selbst zu prüfen. Dieses Verfahren gewährt Behörden ein Schlupfloch, zeigt ein Fall des Verwaltungsgerichts Berlin. Die Stellungnahme, deren Herausgabe das Bundesinnenministerium und das Verwaltungsgericht verneinten, war durch eine Anfrage bei der EU an die Öffentlichkeit gelangt.

Auch für ein Schülerreferat darf man nicht einfach Fotos aus dem Internet verwenden, wenn man es online stellt. Das geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs hervor. Eine Schülerin aus Nordrhein-Westfalen hatte ein Bild der Stadt Cordoba für ein Referat genutzt und später mitsamt Foto auf der Internetseite der Schule hochgeladen. Das veranlasste den Fotografen Dirk Renckhoff zur Klage gegen die Stadt und das Land NRW.

Prominenter Blogger festgenommen

Die Regierung in Bangladesch nutzt ein repressives Kommunikationsgesetz gegen Oppositionelle, Aktivisten*innen und Demonstrierende. Letztes Opfer wurde der prominente Fotograf und Blogger Shahidul Alam, welcher mehrfach zu Gast bei der Konferenz re:publica in Berlin war. Shahidul Alam wurde wenige Stunden nach einem Interview mit dem Fernsehsender Al-Jazeera festgenommen. Ihm werden „provokante Kommentare“ vorgeworfen.

Unsere Konferenz und weitere Empfehlungen

In eineinhalb Monaten ist es schon so weit: Unsere „Das ist Netzpolitik!“-Konferenz findet zum fünften Mal statt. Es erwarten euch wie immer spannende Vorträge und Diskussionen zu aktuellen netzpolitischen Themen. Das Programm ist so gut wie fertig und wird bald veröffentlicht. Speichert euch jetzt Ort und Datum in eurem Kalender ein: 21. September 2018, Volksbühne Berlin.

Netzpolitik.org ist außerdem Medienpartner bei der Konferenz „Bits & Bäume“ am 17. und 18. November in Berlin. Die Anmeldephase für inhaltliche Beiträge oder Ausstellungsplätze auf dem Konferenzareal endet am 19. August.

Außerdem: In der Arte-Mediathek findet sich noch bis Ende August die spannende Dokumentation „Digital Africa – Ein Kontinent erfindet sich neu“ über die Maker-, Hacker- und Startup-Szene in Kenia, Ruanda und Ghana.

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