Informationsfreiheit: Wo die EU Dokumente herausgibt, pocht Deutschland auf Geheimnisschutz

Wenn Gerichte entscheiden, ob Ministerien bisher geheime Dokumente nach dem Informationsfreiheitsgesetz herauszugeben haben, müssen sie den Beamten vertrauen. Die Dokumente selbst bekommen sie oft nicht zu Gesicht. Das nutzen Behörden aus – wie ein Fall des Verwaltungsgerichts Berlin zeigt.

Das EU-US Privacy Shield (Symbolbild) CC-BY-NC-ND 2.0 Roger Smith

Das Szenario, das das Bundesinnenministerium (BMI) als Antwort auf eine Anfrage nach internen Dokumenten beschwor, klang bedrohlich: Wenn es nach dem Informationsfreiheitgesetz seine Stellungnahme zum EU-US-Privacy Shield herausgeben müsste, könnten deutsche Interessen „empfindlich“ geschädigt werden. Der Text der Stellungnahme sei mit französischen Kollegen an eine EU-Arbeitsgruppe gesendet worden. Eine „vertrauensvolle Arbeit“ mit Frankreich und anderen EU-Mitgliedsstaaten sei bei einer Herausgabe gefährdet, das „Verhandlungsklima“ auf EU-Ebene gestört.

Die Geschichte des BMI machte Eindruck. Nicht nur entschied das Ministerium, dass die Stellungnahme geheim bleiben muss. Auch das Verwaltungsgericht Berlin folgte im März 2018 der Entscheidung und urteilte, dass Antragssteller das Dokument nicht einsehen dürfen.

Dabei berief sich das Gericht auf die Begründung des Ministeriums. Es habe plausibel dargelegt, warum die Stellungnahme geheim bleiben müsse. Das Dokument selbst, um das es in der Klage ging, bekam das Gericht allerdings nicht zu sehen – wie üblich bei solchen Verfahren.

BMI gibt Dokument nicht heraus, EU schon

Hätte das Gericht das Dokument gesehen, hätte es vermutlich anders entschieden. Denn die Stellungnahme des BMI ist wahrlich unspektakulär. Auf einer halben DINA4-Seite beschreiben die Regierungen Deutschlands und Frankreich lediglich, dass ihnen Datenschutz besonders wichtig ist und sie die Implementierung des EU-US-Privacy Shields genau verfolgen werden.

Das geht aus unserer Anfrage an die EU hervor. Die verfügte als Adressat nämlich auch über die Stellungnahme – und gab uns das Dokument ohne Murren heraus. Nachteil für die internationalen Beziehungen? Kein Thema für die EU. Normale Dokumente wie Stellungnahmen werden auf EU-Ebene grundsätzlich herausgegeben. Die Begründung des BMI für die Ablehnung war offensichtlich vorgeschoben.

Gerichte prüfen nicht Dokumente, sondern Begründungen

Bei der Beurteilung einer möglichen Herausgabe geheimer Dokumente haben deutsche Verwaltungsgerichte grundsätzlich ein Problem: Oft sehen sie die Dokumente selbst nicht an. Würden sie dies tun, würden sie automatisch Teil der Gerichtsakten und damit auch den Klägern zugänglich. „In-camera-Verfahren“ bei Klagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz, bei denen Gerichten Dokumente im Verborgenen einsehen, sind zwar theoretisch möglich, aber nicht üblich.

Also prüfen die Gerichte vor allem, ob eine Ausnahme plausibel erscheint. Das ist gerade im Zusammenhang mit internationalen Beziehungen günstig für Behörden. Denn wenn die Herausgabe eines Dokuments nach Ansicht von Behörden die internationalen Beziehungen gefährdet, können Gerichte dies nur eingeschränkt in Frage stellen.

Wie der Fall der BMI-Stellungnahme zeigt, lädt die Regelung allerdings zu Missbrauch ein: Wenn Ministerien auch für unbedenkliche Dokumente schwere Geheimnis-Geschütze auffahren, kann die Verwaltungsgerichtsbarkeit den Ministerien offensichtlich nicht vertrauen. Die Gerichte sollten daher vor allem bei bestimmten Behörden grundsätzlich nicht nur prüfen, ob Ablehnungen plausibel erscheinen. Auch die Dokumente selbst sollten sie in Augenschein nehmen.

6 Ergänzungen

  1. Das ist im Prinzip ein zielführender Vorschlag: Die Gerichte sollten „die Dokumente selbst in Augenschein nehmen“. Nur so kann sich der Richter wirklich ein Bild machen.

    Dann sollte man aber auch die Konsequenzen bedenken: Das führt nämlich dazu, dass die umstrittenen Geheimnisse Gegenstand der Gerichtsverhandlung werden und damit allen Prozessparteien zugänglich sind. Damit wäre der Geheimnisschutz von vornherein in jedem Falle unterlaufen.

    Deswegen könnte man erwägen, die Prozessordnungen dahin gehend zu ändern, dass in derartigen Verfahren nur die betreffenden Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege Zugang zur Gerichtsakte erhalten und das Wissen daraus nur dann weitergeben dürfen, wenn das Gericht die Geheimhaltung in seinem Urteil für nicht begründet ansieht.

  2. Die viel größeren blinden Flecken der feudalen Menschenhändler-Ringe bilden doch die verlogenen europäischen Staaten, mit ihren Stoßtrupps der Freiheitskämpfer, wobei jedoch das Deckmäntelchen der Humanität nurmehr das Terrorsystem vertarnen soll. Wenn 150.000 Köpfe gedealt werden, um im Gegenzug dadurch wirtschaftliche Vereinbarungen zu treffen, z.B. über 8 Mrd. Euro auf 150.000 Köpfe, etwa der Abkauf von Maschinen, diversen Roherzeugnissen usw. – ist dies nicht mehr als der gute, alte Menschenhandel des alten Roms, nur ausgeführt von übel riechenden Typen in Schlips und Kragen

  3. Der aktuelle Toll Collect-Skandal (hier hat sich das Wirtschaftskonsortium, offensichtlich zu Unrecht, an Steuergeldern in Millionenhöhe bereichert) zeigt, dass gerade bei öffentlich-privaten Partnerschaften (sog. ppp-Modelle) häufig “gemauschelt“ wird. Leider sind diese Geschäftsmodelle meistens durch Geheimverträge vor Transparenz geschützt.
    Die Bürgerinnen und Bürger sollen in “Treu und Glauben“ zahlen, sie sollen aber nicht wissen, welche Summen in welche Taschen fließen.

  4. Vielleicht hilft es ja, wenn derjenige, der die Unterlagen anfordert, den Inhalt als falsch deklariert und den Ersteller auf Richtigstellung verklagt. Dann muss das Gericht u.a. über den Inhalt entscheiden.

    1. Klappt natürlich nicht, denn so ein Verlangen muss ja schlüssig sein. Das wird schwer dem Gericht schlüssig darzulegen, dass ein einem unbekanntes Dokument unrichtig ist.
      Daher müsste man bei der Antragstellung stufenweise vorgehen und eben als Erstes die Herausgabe des Dokuments fordern.
      Womit wir wieder beim ursprünglichen Problem sind.

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