Eingenetzt: Russland und Saudi-Arabien liefern sich hartes Match um den Titel Zensurweltmeister

Wenig Regierungen verteidigen sich so gekonnt gegen unabhängigen Journalismus und dribbeln Internetnutzer ins Aus wie jene in Moskau und Riad. Schon das Auftaktspiel der Fußball-WM der Männer wird damit zur Begegnung der Giganten. Hier der erste Teil unserer WM-Serie „Eingenetzt“, in der wir einen Blick auf Freiheitsrechte in den Spielernationen werfen.

Weltkugel mit NATO-Draht
Hartes Match: Saudi-Arabien gegen Russland CC-BY 4.0 netzpolitik.org/Ole

Im Auftaktspiel der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer tritt Russland gegen Saudi-Arabien an: Zwei Staaten, deren Regierungen es geschickt und mit großer Spielfreude verstehen, den Menschen in ihrem Land noch das letzte Quäntchen Freiheit abzuringen. Wer von den beiden ist dabei noch gekonnter?

Wir haben uns das Match der Titelfavoriten angesehen und bieten exklusive Einblicke:

Netzsperren und Filter

Umfangreiche Netzsperren von kritischen Internetmedien (die ohnehin verboten sind) und Bürgerrechtsorganisationen machen es saudischen Internetnutzern leichter, sich auf Fußballnachrichten zu konzentrieren. Die Regierung filtert alle Arten von unerwünschten Inhalten als „schädlich“ und „unislamisch“, seien es Drogen, Sex oder Glücksspiel. Besorgte Bürger dürfen Inhalte der Telekombehörde CITC melden, die diese dann sperrt. Die Behörden verfolgen regelmäßig Nutzer für das Posten regierungskritischer oder religionsfeindlicher Inhalte in sozialen Medien. So wurde beispielsweise der Blogger Raif Badawi 2012 zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt. Der „Freedom of the Net“-Bericht von Freedom House gibt Saudi-Arabien eine Wertung von 72 von 100 maximalen Zensurpunkten, der Jahresbericht zur Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen sieht Saudi-Arabien weltweit auf Rang 169 von 180.

Russland will da nicht nachstehen: Die Regierung des lupenreinen Demokraten Wladimir Putin zog im Zuge von Anti-Regierungsprotesten 2017 und der Präsidentenwahl im März die Zügel nochmal deutlich an. Im Visier der Behörden steht etwa die in Russland bis vor kurzem beliebte Messenger-App Telegram, deren Verwendung gerichtlich verboten wurde. Ein im Winter verabschiedetes Gesetz beschränkt die Verwendung von VPN-Clients. Gegen unabhängige Nachrichtenwebseiten wird durch Gesetze und Blockaden vorgegangen. Den Zensurmuskel des russischen Staates kitzelten in der jüngeren Vergangenheit zudem LGBTI-Aktivistinnen und Aktivisten, deren Aktivitäten im Netz verboten und verfolgt werden. Freedom House sieht Russland mit 66 Punkten nur knapp hinter Saudi-Arabien. Reporter ohne Grenzen setzt Russland auf Platz 148.

Die Top-Eigentore

Besonders elegante Zensurpirouetten drehten die saudischen Behörden im Falle eines 14-jährigen Jungen. Die Behörden nahmen ihn im Vorjahr fest, nachdem seine Tanz-Einlage zum WM-Afterparty-Dauerbrenner „Macarena“ zum viralen Hit wurde. Die Anklage lautete dabei nicht etwa auf „schlechten Musikgeschmack“, sondern auf dem (nicht weniger absurden) Vorwurf des „ungebührlichen Verhalten in der Öffentlichkeit“. Russland versucht sich indes in der Disziplin des Zensurhochsprungs: Aus einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Agora geht hervor, dass die russischen Behörden im vergangenen Jahr mehr als 400 Internetnutzer strafrechtlich verfolgten und jeden Tag durchschnittlich 244 Internetseiten blockierten. Eine reife Leistung!

Fazit

Mangelnden Körpereinsatz kann man beiden Teams nicht vorwerfen, weder dem Kreml noch den Gottesstaat-Verstehern in Riad. Doch trotz beherzten Aktionen kann Saudi-Arabien auf einen lange erarbeiteten Vorsprung setzen. Den Zensur-Regionalmeistern steht auch im globalen Wettbewerb wenig Konkurrenz im Weg.

4 Ergänzungen

  1. Einige Völker greifen natürlich was ihre Halter, Aufseher und Ausbeuter betrifft aus Prinzip ins Klo. Es ist ihre Natur.

    Hey Macarena…

    ;)

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