Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem #Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.
Wie bereits in der Pilotfolge dieser Serie beschrieben, spielt die Musik im Sinne von inhaltlichen Diskussionen und Aushandlungsprozessen nicht in den öffentlichen Plenumssitzungen des Fernsehrats, sondern in den nicht-öffentlichen Ausschüssen sowie in zwei politischen „Freundeskreisen“. Letztere verfügen über (in teilweise geheimer) Wahl gewählte Vorstände, Vorsitzende nach denen sie benannt sind – Freundeskreis Frank Werneke bzw. Franz Josef Jung – und tagen immer im Vorfeld jeder Plenumssitzung. Es handelt sich bei den „Freundeskreisen“ also letztlich um Fraktionen, egal ob sie auch so bezeichnet werden, in denen sämtliche wichtigen Entscheidungen des Fernsehrats vorher besprochen und so auch weitgehend vorentschieden werden.
Die beiden wichtigsten, formal dem Fernsehrat vorbehaltenen Entscheidungen sind zwei Personalangelegenheiten. Einerseits ist das die Wahl des/der Intendanten/-in, die/der auf fünf Jahre gewählt wird. Der aktuelle Intendant Thomas Bellut wurde noch in der letzten Fernsehratsperiode gewählt, der aktuelle Fernsehrat wird also gar nicht die Chance haben einen Intendanten zu wählen. Andererseits darf der Fernsehrat gem. § 24 Abs. 1 lit. b des ZDF-Staatsvertrags 8 Mitglieder mit 3/5-Mehrheit in den 12-köpfigen ZDF Verwaltungsrat entsenden.
Der Verwaltungsrat ist viel stärker als der Fernsehrat in operative Entscheidungsprozesse eingebunden und tagt deshalb auch häufiger als der Fernsehrat. Zu den zentralen Aufgaben des Verwaltungsrates zählen unter anderem:
- Aushandlung des Vertrags mit dem vom Fernsehrat gewählten Intendanten.
- Die Staatsvertragsdirektoren werden auf Vorschlag des Intendanten vom Verwaltungsrat mit 3/5-Mehrheit bestätigt.
- Aufstellung des ZDF-Haushalts inklusive mittelfristiger Finanzplanung auf Basis der Grundlagen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF).
- Wichtige Unternehmensentscheidungen (z.B. Investitionen, Outsourcing, etc.) werden im Verwaltungsrat behandelt.
(Keine) Vorwahlen in „Freundeskreisen“
Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2014 zum trotz ist es weiterhin so, dass die beiden politischen „Freundeskreise“ sich intern auf KandidatInnen einigen, die dann im Plenum mit breiter Mehrheit gewählt werden (sollen). Es gibt also nicht ein kompetitives Hearing vor dem Plenum des Fernsehrats, sondern – wenn überhaupt – kompetitive Hearings im Rahmen von Freundeskreis-Vorwahlen.
Im „Freundeskreis“ Franz Josef Jungs wurde dabei in informellen Vorgesprächen so lange unter potentiellen BewerberInnen sondiert, bis vier KandidatInnen für den Verwaltungsrat übrig blieben:
- Gabriele Beibst, Rektorin der Hochschule Jena
- Birgitta Wolff, Präsidentin der Universität Frankfurt und ehemalige CDU-Ministerin in Sachsen-Anhalt
- Reinhard Göhner, ehem. Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und ehem. Bundestagsabgeordneter für CDU
- Peter Heesen, ehem. Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes
Im Gegensatz dazu gab es im „Freundeskreis“ Frank Wernekes ein KandidatInnen-Hearing vor geschlechterquotiertem Vorwahlverfahren. Konkret standen drei Frauen und vier Männer für jeweils zwei Plätze zur Wahl (in alphabetischer Reihenfolge, Ergebnis des ersten Wahlgangs in Klammern, wobei von 30 abgegebenen Frauenstimmzetteln 29 gültig waren, bei den Männerstimmzetteln waren alle 30 Stimmen gültig; gewählte KandidatInnen kursiv):
- Nicole Ackermann, Film- und Medienunternehmerin, u.a. der Firma MOUNA (11)
- Bärbel Bergerhoff-Wodopia, u.a. Vorstandsmitglied der RAG-Stiftung (14)
- Oliver Passek, Referent im Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg (10)
- Michael Schmid-Ospach, ehem. Geschäftsführer der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen (3)
- Michael Sommer, ehem. Bundesvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes und Stv. Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung (23)
- Martin Stadelmaier, ehem. Chef der Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz (17)
- Barbara Thomaß, Professorin Mediensysteme an der Uni Bochum (28)
In der für den zweiten „Frauenplatz“ notwendigen Stichwahl zwischen Nicole Ackermann und Bärbel Bergerhoff-Wodopia erzielte keine der beiden Kandidatinnen eine absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen, in einem dritten Wahlgang wurde schließlich Bergerhoff-Wodopia mit 17 von 29 gültigen Stimmen zur Kandidatin gewählt.
Wahl im #Fernsehrat
In der offiziellen Wahl im Plenum des Fernsehrats selbst standen demnach acht KandidatInnen auf dem Stimmzettel, die jeweils mit 3/5-Mehrheit aller Fernsehratsmitglieder in den Verwaltungsrat gewählt wurden mussten. Das Ergebnis der Wahl im Fernsehrat lautete bei 55 abgegebenen Stimmen wie folgt:
- Gabriele Beibst (46)
- Bärbel Bergerhoff-Wodopia (41)
- Reinhard Göhner (43)
- Peter Heesen (45)
- Michael Sommer (53)
- Martin Stadelmaier (42)
- Barbara Thomaß (53)
- Birgitta Wolff (49)
Mit diesem Ergebnis wurden alle KandidatInnen mit der erforderlichen Mehrheit in den Verwaltungsrat des ZDF gewählt.
Wohl und Wehe des Freundeskreisregimes?
Paradoxerweise finden die offensten Diskussionen und demokratischsten Verfahren im Kontext des Fernsehrats abseits der gesetzlich vorgesehenen Gremien in durchaus stark formalisierten „Freundeskreis“-Fraktionssitzungen statt. Bis zu einem gewissen Grad ist die formalisierte Informalität der Freundeskreise ein Schutz davor, dass Entscheidungen ausschließlich in völlig undurchsichtigen, informellen Gruppen fallen – ein Schutz vor der „Tyrannei der Strukturlosigkeit“.
Gleichzeitig ist seit dem BVerfG-Urteil die Zahl jener Mitglieder gewachsen, die sich mit einer Zuordnung zu einem der beiden Freundeskreise unwohl fühlen. Im Unterschied zu diversen Rundfunkräten im Bereich der ARD gibt es im ZDF jedoch bislang noch keinen „grauen“ Freundeskreis jenseits der beiden politischen Lager.
Die Dame aus Frankfurt heißt Birgitta, nicht Brigitta. Gern gemachter Fehler.
Danke für den Hinweis.
Spräche denn etwas dagegen einfach in beiden Freundeskreisen mitzumachen? Abgesehen von logistischen Problemen, wenn beide gleichzeitig tagen?
Ansonsten können Sie den grauen Kreis ja gründen. (Ja, ich weiß, das schreibt sich so leicht im Internet.)
Also erstens ist es in der Tat so, dass die beiden Freundeskreise parallel tagen.
Was einen „grauen Kreis“ betrifft: abgesehen davon, dass ich nicht sicher bin, ob ich mich in diesem dann möglicherweise kirchlich dominierten wohl(er) fühlen würde, stellt sich die Frage, ob der diesbezügliche Aufwand korrespondierende Verbesserungen im ZDF ermöglichen würde – und darum geht es letztlich.
Danke, dass sie das noch etwas näher ausgeführt haben.
#Hashtag ist nach wie vor peinlich
Stimmt in den meisten Fällen. Hier ist der Grund aber, dass ich unter #Fernsehrat live aus den Fernsehratssitzungen und auch sonst unter diesem Hashtag zum Thema twittere. Insofern ist es eben mehr als ein (peinliches) Stilmittel und scheint mir deshalb gerechtfertigt.. ;-)
Demnach hat sich seit dem Bericht des Spiegels von 2001 und des Tagesspiegels von 2009 nichts geändert, wonach Rundfunk Ländersache ist, und die Politik nicht gewillt ist, die Kontrolle abzugeben. Obenso wenig an den zwei Lagern CDU/ZDF und ARD/SPD und der Ämterhäufung.
Also ich finde das ganze Prozedere immer noch für nicht richtig. Da gibt es die roten und schwarzen Freundeskreise die offizielle gar nicht vorgesehen sind. (Diese Struktur wurde auch vom Bundesverfassungsgericht kritisiert) In diese offiziell nicht existente Struktur werden alle wichtigen Entscheidungen getroffen und die wichtigen Posten vergeben. Dadurch haben die Parteien auch weiterhin ihren großen Einfluß auf den Fernsehrat. Ebenso können die Freundeskreise alles wichtige in ihren nicht öffentlichen Sitzungen entscheiden… und alle machen da mit und haben damit kein Problem?
Bitte vorherigen Kommentar löschen.. da ging was schief beim schreiben mit dem Handy. Danke
Komisch:
Arbeitgeber und Arbeitnehmer wählen ihrer Vertreter in der Selbstverwaltung der Sozialkassen selber.
Die Mitglieder der Industrie- und Handelskammern sowie die Innungen wählen ebenfalls ihre Vorstände selber.
Nur beim staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk werden die Kontrollorgane nicht von den Beitragszahlern gewählt, sondern per Gesetz ganz staatsfern besetzt.
Wäre es nicht besser auch diese Kontrollorgane in freier und geheimer Wahl zu bestimmen ?
Es wäre auf jeden Fall demokratischer und würde meiner Meinung nach auch der Aufsicht gut tun. Zur Zeit ist es ja so das die „Gesellschaftlichen Gruppen“ nach gut dünken jeden da hin schicken können wenn sie wollen. Es ist egal ob er die Kompetenz hat für die Aufsicht, ob er wirklich unabhängig ist, ob er gute Arbeit dort macht, ob er die Zeit für die Aufsicht hat oder überhaupt zu den Sitzungen erscheint. Solange er den Rückhalt seiner Gruppe hat solange bleibt er drin. Er kann nicht von den Bürgern oder dem Rundfunkrat abgewählt werden. Dadurch fehlt natürlich eine wichtige Qualitätskontrolle. Das sieht man dann in der Qualität der Aufsicht unserer Rundfunkräte.
Aber die Politik und die ÖR haben kein Interesse dort was zu ändern. Die Politik will ihren Einfluss nicht aufgeben und die ÖR haben kein Interesse an einer starken Aufsicht (die auch ihre Arbeit macht)