Neues aus dem Fernsehrat (112)Good bye ZDF, hello ORF!

Seit 2016 habe ich hier über meine Tätigkeit im Fernseh- und später Verwaltungsrat des ZDF gebloggt. Ab Juni dieses Jahres werde ich dem Stiftungsrat des österreichischen ORF angehören. Damit endet eine spannende und überaus lehrreiche Zeit – und eine neue beginnt.

Foto des ORF-Sendezentrums am Küniglberg in Wien
Der österreichische öffentlich-rechtliche ORF sendet vom Wiener Küniglberg aus CC-BY 3.0 Thomas Ledl

Die Serie „Neues aus dem Fernsehrat“ beleuchtet seit dem Jahr 2016 die digitale Transformation öffentlich-rechtlicher Medien. Hier entlang zu allen Beiträgen der Reihe.

Erstmals wurden im April dieses Jahres die von der österreichischen Bundesregierung in den ORF-Stiftungsrat zu nominierenden Mitglieder öffentlich ausgeschrieben. Ich habe mich für einen der insgesamt sechs Plätze beworben und wurde per Ministerratsbeschluss für die nächste Periode zum 17. Juni 2025 als Mitglied des Stiftungsrats bestellt.

Seit ich im Juli 2016 als Vertreter für den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat zu bloggen begann, hat sich in Sachen Digitalisierung und Online-Angebot öffentlich-rechtlicher Medien in Deutschland eine ganze Menge getan. Nur exemplarisch und schlaglichtartig seien einige (mir) wichtige Änderungen hier angeführt:

  • Aus zwölf eigenständigen ARD-Mediatheken und einer ZDF-Mediathek wurde ein gemeinsames Streaming-Netzwerk, das zukünftig auf Basis offener Software und Protokolle weiterentwickelt werden soll.
  • Öffentlich-rechtliche Inhalte finden sich zumindest in Ansätzen nicht nur auf großen kommerziellen Plattformen, sondern dank freier Lizenz auch auf der gemeinnützigen Online-Enzyklopädie Wikipedia.
  • Mit dem Public Spaces Incubator gibt es ein internationales F&E-Projekt von öffentlich-rechtlichen Medien aus Belgien, Deutschland, Kanada und der Schweiz, mit dem eine Öffnung der Mediatheken für Publikumsbeiträge praktisch erprobt wird und das noch 2025 in den Effektivbetrieb gehen soll.

Natürlich ist längst nicht alles im digitalen Bereich dort, wo es hingehört. Immer noch kämpfen öffentlich-rechtliche Online-Angebote mit dem Zombie-Konzept der Presseähnlichkeit. Auch könnte der Anteil Wikipedia-kompatibel lizenzierter Inhalte viel höher ausfallen. Auch die Öffnung der Mediatheken könnte schon erheblich weiter vorangeschritten sein.

Aber insgesamt entwickeln sich die öffentlich-rechtlichen Online-Angebote in die richtige Richtung. Und selbst die Geschwindigkeit ist – angesichts real schrumpfender Budgets bei quasi unverändertem linearen Angebot und nur langsamer Weiterentwicklung der gesetzlichen Grundlagen – durchaus beachtlich.

Hinzu kommt das kürzlich präsentierte Gutachten zu Potenzialen für Digitalen Public Value im ZDF, in dem mögliche neue Aufgaben und damit verbunden ein neues Selbstverständnis von öffentlich-rechtlichen Medien als Ermöglicher und Katalysator eines gemeinwohlorientierten Medienökosystems skizziert werden. Neben der Vision beschreiben die fünf Autor:innen des Gutachtens auch sehr konkrete nächste Entwicklungsschritte, um sich ihr anzunähern.

Logo Neues aus dem ORF
Statt ‚Neues aus dem Fernsehrat‘ zukünftig ‚Neues aus dem ORF‘ - Alle Rechte vorbehalten Leonhard Dobusch

Ob die in dem Gutachten beschriebenen Potenziale tatsächlich umgesetzt werden können, ist natürlich keineswegs ausgemacht. Vor allem im Bereich der Rundfunkpolitik wird der unsachlichen Fundamentalopposition von ganz rechts außen immer noch mit Appeasement statt entschlossener Stärkung öffentlich-rechtlicher Strukturen begegnet.

Für meinen Wechsel in den ORF-Stiftungsrat nehme ich jedenfalls einen reichen Schatz an Erfahrungen mit. Gleichzeitig hoffe ich, so auch einen kleinen Beitrag dafür leisten zu können, um die immer noch viel zu stark ausgeprägte nationalstaatliche Aufstellung öffentlich-rechtlicher Medien in Europa zu überwinden. Die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medien liegt in einem offenen, dezentralen und länderübergreifenden Medienökosystem.

Und auch wenn ich künftig bei netzpolitik.org nichts ‘Neues aus dem Fernsehrat’ mehr berichten kann, werde ich auch über meine Tätigkeit im ORF-Stiftungsrat bloggen. Wer sich für ‚Neues aus dem ORF‘ interessiert, kann hier abonnieren.

2 Ergänzungen

  1. Zusammenarbeit zwischen Deutschem ÖR, ÖR und dem Schweizer SRF wäre ja durchaus interessant. Sprachbarrieren sind ja keine vorhanden.

Wir freuen uns auf Deine Anmerkungen, Fragen, Korrekturen und inhaltlichen Ergänzungen zum Artikel. Bitte keine reinen Meinungsbeiträge! Unsere Regeln zur Veröffentlichung von Ergänzungen findest Du unter netzpolitik.org/kommentare. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.