Neue Kampagne: Welche Lobbyisten schreiben Gesetze mit?

Der Gesetzgebungsprozess in Deutschland ist zu intransparent. Das will eine neue Kampagne ändern: Mit tausenden Anfragen an Bundesministerien sollen Gesetzentwürfe und Lobby-Stellungnahmen befreit werden. Jetzt mitmachen!

Tausende Stellungnahmen von Verbänden fließen in Gesetzentwürfe ein

Ob Vorratsdatenspeicherung, BND-Reform oder Staatstrojaner: Bundesministerien bereiten neue Gesetze meist unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit vor – sofern wir und andere die Gesetzentwürfe nicht vorher veröffentlichen.

Die neue Kampagne „Gläserne Gesetze“ von FragDenStaat.de und abgeordnetenwatch.de soll das ändern: Mit tausenden Anfragen nach Gesetzentwürfen und Lobby-Stellungnahmen könnten die Bundesministerien dazu gebracht werden, die Dokumente künftig aktiv während des Gesetzgebungsprozesses zu veröffentlichen – und nicht erst danach auf Anfrage. Eine ähnliche Massenanfrage-Kampagne hatte im vergangenen Jahr beim Bundestag Erfolg: Statt tausende Anfragen nach Gutachten zu beantworten, entschied er sich, die Dokumente von sich aus ins Internet zu stellen.

Für mehr als 600 Gesetze haben die Bundesministerien in der laufenden Legislaturperiode sogenannte Referentenentwürfe erarbeitet. Sie werden in der Regel im Rahmen einer Verbändebeteiligung ausgewählten Interessenvertretern mit der Bitte um Stellungnahme zugesendet. Wer daran beteiligt ist und welche Inhalte aus diesen Stellungnahmen letztlich den Weg in den späteren Gesetzentwurf der Bundesregierung finden, ist bisher nicht nachvollziehbar. Referentenentwürfe und Stellungnahmen werden nämlich normalerweise nicht veröffentlicht.

Wer war an der Autobahnprivatisierung beteiligt, wer sagt was zum Mindestlohn?

Das betrifft so unterschiedliche Vorlagen wie die Einführung der Autobahnprivatisierung, die Änderung des Atomgesetzes oder auch die Einführung des Mindestlohns. Aufgrund der fehlenden Öffentlichkeit können oft nur vergleichsweise wenige Personen auf die Inhalte Einfluss nehmen, bis die Gesetzentwürfe in den parlamentarischen Prozess gehen.

Über „Gläserne Gesetze“ können alle Menschen mit wenigen Klicks einige der 494 nicht-öffentlichen Referentenentwürfe und 17.237 Stellungnahmen der laufenden Legislaturperiode bei den jeweiligen Bundesministerien anfragen. Die befreiten Dokumente sollen schließlich auf der Plattform stellungnah.me zusammengeführt werden. Dort ist schon jetzt eine Übersicht sämtlicher von Bundesministerien angefragter Verbände zu finden.

Forderung nach „Legislativem Fußabdruck“ für Gesetze

Die Kampagne greift die Forderung nach einem „legislativen Fußabdruck“ für Gesetze sowie nach einem Lobbyregister auf, die Organisationen wie Transparency International, LobbyControl und abgeordnetenwatch.de seit längerem öffentlich vertreten. Sie setzen sich dafür ein, dass die Bundesregierung offenlegt, welche Lobbyisten in die Erstellung von Gesetzen im Rahmen von Stellungnahmen und weiteren Kontakten eingebunden sind.

Eine Umfrage von abgeordnetenwatch.de unter den 14 Bundesministerien und dem Bundeskanzleramt hatte im November 2016 ergeben, dass lediglich das Haus von Justizminister Heiko Maas Lobbyisten-Stellungnahmen (zumindest teilweise) im Internet veröffentlicht. Zehn Ministerien sowie das Kanzleramt teilten dagegen mit, keine Stellungnahmen öffentlich zu machen.

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15 Ergänzungen

  1. Einmal mehr zeigt sich, dass solch unueberlegte Aktionen kontraproduktiv sind.

    1) Das BMJV wurde mit einbezogen, obwohl auch bereits von abgeordnetenwatch.de und fragdenstaat.de darauf hingewiesen wurde, dass dort die Gutachten veröffentlicht wurde. Jetzt wird das Ministerium mit Anfragen zugemüllt, die es ablehnen muss, weil die Information öffentlich verfügbar ist.

    2) Es ist keine Sortierung vorgesehen. Es würde Sinn machen, dass man dann nach den Gesetzen suchen kann und dort die jeweiligen Stellungnahmen findet (dies ist allerdings auch so beim BMJV nicht der Fall). Mit einer solchen „elektronischen Akte“ würde die Suche nicht nur eine Datenmüllhalde werden, sondern die Aktion einen echten Mehrwert haben.

    3) Einmal mehr wird die Seite fragdenstaat.de durch die Aktion „zugeballert“ und andere Anfragen nicht mehr auffindbar. Es würde wirklich Sinn machen, endlich auf die Userbility stärker zu achten und nicht durch Gewaltaktionen, die letztlich keinen Mehrwert haben, nur eine riesige Datenmüllhalde zu erzeugen.

    Einmal mehr, gut gemeint ist schlecht gemacht.

    1. Naja, die Aktion macht schon Sinn, da sie vermutlich die Ministerien dazu zwingen werden, die Dinger demnächst von sich aus zu veröffentlichen. Und strukturierte Plattformen gibt es mehrere – von offizieller wie nicht-offizieller Seite – und dort lassen sich diese Dokumente sehr strukturiert integrieren und danach recherchieren. Also ganz so kontraproduktiv ist es nicht, obwohl ich von fragdenstaat auch noch keine wirklich strukturierten Ergebnisse gesehen habe. Sie verstehen es aber, den notwendigen Druck zu erzeugen.

      1. Nun, es ist schon ein Unterschied, ob mal wieder wochenlang nur Stellungnahmeanforderungen auf fragdenstaat auftauchen … man kann so etwas besser machen und professioneller. Die Frage Userbility sollte sich eben auch fragdenstaat stellen, anstatt in blindem Aktionismus zu agieren ohne nachzudenken.

        Aber na gut, Arne sperrt sich sowieso in seinem Elfenbeinturm ein und erfreut sich daran, wieder einmal Traffic produziert zu haben. Auf mehr kommt es ihm wohl nicht an.

        1. „Sein Bruder ist der Journalist, Open-Knowledge-Foundation- und Transparency-International-Projektleiter Arne Semsrott (* 1988).“

  2. Mich würde interessieren, wer, quer durch alle Parteien, den Referenten zur Thematik Digital und Netzpolitik einflüstert. Diese Referenten scheinen, überparteilich organisiert, nicht Ihren Parteien zu dienen, sondern agieren wie O Boote der Valley Bonzen.

  3. Das geht doch gar nicht! Transparenz bei den gesetzgebenden Verfahren!
    Wo kämen wir denn da hin? Dann hätten wir ja am Ende eine Volksherrschaft.
    Nein, nein, das wird garantiert verhindert. Sonst würden sich ja gar keine Politiker mehr finden, den wenn die gemeinsam mit den Beamten die Gesetze formulieren müssten, hätten sie ja ohne die Lobbyisten keine Ahnung, was das reinkommt. Und für ein wneig Bimbes und ein paar nette Jobs nach der aktiven Karriere last sich doch alles sehr schön deichseln…

    1. Fehlende Transparenz in der Gesetzgebung ist aber nicht nur gewollt oder vorsätzlich. Vielmehr ist der gesamte Gesetzgebungsprozess durch viele Medienbrüche und manuelle Aktivitäten geprägt, welche eine Transparenz sehr erschweren.

      Tasächlich wird auch versucht dagegen etwas zu tun (http://www.verwaltung-innovativ.de/DE/Gesetzgebung/Projekt_eGesetzgebung/projekt_e_gesetzgebung_node.html).
      Wie erfolgreich das sein wird, hängt aber von vielen Faktoren ab.

  4. Betrachtet man die Antworten auf fragdenstaat.de, dann scheint die OKFN hier ein dickes Ei gelegt zu haben und einmal auf Verdachte Stellungnahmenabgeber benannt zu haben. Lachhaft

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.