#FragDenBundestag erfolgreich: Bundestag öffnet seine Aktenschränke!

Wird jetzt ein bisschen transparenter: Bundestag

Wie aus einer internen E-Mail des Bundestagspräsidenten an alle Abgeordnete hervorgeht, wird der Bundestag künftig tausende Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes (WD) online auf der Bundestags-Website veröffentlichen – unter anderem zu Themen wie Sicherheitspolitik, Finanzen, Strafrecht, Asylrecht und Europapolitik. Das beschloss der Ältestenrat des Bundestags in seiner heutigen Sitzung.

Die Entscheidung ist ein großer Erfolg für Zivilgesellschaft, Journalistinnen, Wissenschaftler und auch den Bundestag selbst. Sie garantiert einen freien Zugang zum Wissen des Bundestags und macht Informationen für die Öffentlichkeit verfügbar, die in den letzten Jahrzehnten nur wenigen Menschen zugänglich waren. Dabei können die Erkenntnisse der Gutachten nicht nur in der journalistischen Berichterstattung, sondern unter anderem auch in wissenschaftlichen Arbeiten genutzt werden. Auch Bundestagsabgeordnete selbst haben jetzt einen deutlich vereinfachten Zugang zu den Gutachten ihrer Hausjuristen.

Der Grund für die Veröffentlichungen ist offensichtlich die Kampagne #FragDenBundestag von FragDenStaat und Abgeordnetenwatch. Über FragDenBundestag.de haben in den letzten drei Wochen tausende Nutzerinnen Gutachten angefragt, die der Bundestag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) herausgeben muss. Die Anfragen werden jetzt offensichtlich nicht mehr einzeln beantwortet. Stattdessen werden die Gutachten online veröffentlicht. Dazu heißt es in der internen Mail des Bundestagspräsidenten: „Diese Anträge [dienen] erkennbar dem Zweck, externe Datenbanken über die erstellten Gutachten der WD aufzubauen.“ Mit der Entscheidung zur Veröffentlichung spart der Bundestag große zeitliche und finanzielle Ressourcen.

Bereits jetzt stehen unter https://www.bundestag.de/ausarbeitungen fast 900 Ausarbeitungen des Bundestags zur Verfügung, teils als Scan, teils offensichtlich als Original-PDF. Das Gutachten „Zu den rechtlichen Möglichkeiten gegen das Nacktbaden auf einem benachbarten Grundstück“ ist bisher nicht darunter, dafür Gutachten zu einer möglichen Ausnahme vom gesetzlichen Mindestlohn für Flüchtlinge, TTIP und Menschenrechte sowie zum Völkermord an den Armeniern.

Außerdem ändert der Bundestag die Praxis seiner Ausarbeitungen: Künftig werden alle Gutachten nach einer Schutzfrist von vier Wochen nach der Ausarbeitung durch den Bundestag online veröffentlicht. Dabei wird der Name der Auftraggeberin nicht bekanntgegeben. Die Möglichkeit, ein Gutachten vertraulich einer Bundestagsabgeordneten exklusiv vorzubehalten, wird es künftig nicht mehr geben.
Welche Jahrgänge das Archiv letztlich umfassen wird, ist derzeit noch unklar.

Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Juni 2015 ist der Bundestag verpflichtet, Gutachten auf Anfrage nach dem IFG herauszugeben. Nachdem er sich lange dagegen gewehrt hatte, gab er im Januar eine Übersichtsliste mit 4000 Gutachtentiteln heraus, die anschließend auf FragDenBundestag.de veröffentlicht wurde.

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49 Ergänzungen

  1. Gibt es jemanden, der/die mit wget oder einem ähnlichen Tool ein Mirror erstellen könnte? Für Transparenz bei Änderungen in den Dateien und damit die Dokumente verfügbar bleiben, falls der Bundestag sie löschen sollte.

      1. Der Bundestag hat auch noch ein eigenes webarchive und ganz eigendlich ist eine verbreitung der daten dort nicht explizit gestattet. Es gibt also eine Kopie die Google in ihrem cache macht (3 wochen), eine auf wayback(solange niemand was dagegen hat) und eine die der Bundestag noch selbst anfertigt(wohlgemerkt seit 2005). Wem das nicht reicht kann ja selbst eine machen.

  2. Sehr schön! Endlich hat sich mal was bewegt.
    Herzlichen Dank!
    (nicht den notgedrungen Nachgebenden, sondern den „Sackgängern“!)

    1. Finde ich eher naiv. Wer hat denn wirklich den Nutzen? Es sind die Interessenvertreter und Spindoktoren. An deren Stelle würde ich flink mal eine fette Spende an fragdenstaat absetzen…. ;-)

      1. Sorry, aber das ist doch wirklich Unsinn.
        1. Lobbyisten hatten schon immer die Möglichkeit, an Gutachten ranzukommen – ein Anruf bei einem Abgeordneten genügte.
        2. Die Gutachten waren bereits jetzt – durch das Bundesverwaltungsgericht angeordnet – für jedermann zugänglich. Allerdings musste man dazu eine IFG-Anfrage stellen. Nun fällt das weg und man kann die Gutachten direkt im Netz finden (sehr schlecht aufbereitet allerdings von bundestag.de).
        3. Nicht nur Lobbyisten profitieren, sondern auch NGOs, Wissenschaftler, Journalisten…

        Ich finde es wenig einleuchtend, aus Steuermitteln finanzierte Gutachten vor der Öffentlichkeit zu verstecken, nur weil Lobbyisten deren Inhalt für ihre nicht gemeinwohl orientierten Zwecke (miss)brauchen…

  3. Traurig. Denkt doch mal nach: Die Regierung, alle Lobbyisten und diverse Anwaltskanzleien dürfen sich freuen: wieder eine entscheidende Schwächung der unabhängigen Abgeordneten. Ein Phyrrussieg für die Demokratie – hier haben die Wichtigtuer mal wieder richtig Schaden angerichtet…

    1. Stimmt! Als Lesen und Schreiben kein reines Herrschaftswissen mehr war, bedeutete das auch eine Schwächung.

  4. Da lohnt sich ja dann auch direkt der Abgleich mit den Doktorarbeiten der Bundestagsabgeordneten. Ob man sich deswegen erst so gesperrt hat?

  5. „Die WD arbeiten ausschließlich für das Parlament. Daneben erstellen sie die öffentlichen Schriftenreihen „Aktueller Begriff“, ,,Infobrief“ und ,,Aktueller Begriff Europa“. Diese – sowie einige ausgewählte Gutachten – finden Sie hier. Sonstige Arbeiten sind im Archiv der Ausarbeitungen zu finden. “

    Das Pfefferspray PDF findet sich hier „https://www.bundestag.de/dokumente/analysen/arbeit3“ und gehört zu den zuvor bereits öffentlichen „Aktuellen begriffen“. Neu sind nur die Ausarbeitungen

  6. Hi all, Super. Hab gleich in ein paar Literaturrecherchen zum Thema Umwelt u Energie geschaut. Kurze Frage: In einigenFällen sind im Text Dinge geschwärzt. Sieht aus wie Zitate und Titel von Quellen. Kann mir das jemand erläutern?
    Vg

    1. …im PDF einfach den Text incl. der geschwärzten Bereiche markieren und in die Zwischenablage kopieren. Beim Einfügen in z.B. einen Editor ist der Text dann sichtbar. Da hätte ich aber etwas mehr Professionalität erwartet…

  7. Da ist mal eine gute Nachricht!

    Aber nachgehakt: Werden da wirklich ALLE jemals gefertigten Gutachten abfragbar sein oder nur eine Teilmenge?

  8. Wow, das sind tolle Neuigkeiten! Ich frage mich schon länger, warum diese Gutachten und Ausarbeitungen nicht frei verfügbar sind. Schließlich werden sie von Steuergeldern bezahlt und sollte als Grundlage für politische Entscheidungen dienen. Also sollte man auch nachvollziehen können, ob die Politik jetzt explizit gegen die Wissenschaft arbeitet. Allerdings bleibt da die Befürchtung, dass der wissenschaftliche Dienst vielleicht weniger frei ist, oder dass besonders heikle Dokumente immer noch nicht veröffentlicht werden. „Was? Die Panzer, die wir an menschenverachtende Menschenverachter verkaufen, werden zur Menschenverachtung genutzt?“

    Auf einer etwas anderen Ebene muss ich anmerken, dass das Neusprech der Autorin mich mehrmals aus dem Lesefluss gerissen hat. Beispiel: „Die Entscheidung ist ein großer Erfolg für Zivilgesellschaft, Journalistinnen, Wissenschaftler und auch den Bundestag selbst.“
    Mein Gedanke „Habe ich etwas verpasst? Welche Journalistinnen? Gab es da eine Hand voll Frauen, die damit zu tun haben? Ach nee, das ist nur eine Veränderung der Sprache zu feministischen Zwecken“ (und ja, ich habe „Autorin“ geschrieben, um ähnliche Verwirrung zu stiften, nicht weil ich dumm bin).

    1. Ich bin genau über den selben Satz gestolpert. Fehlt nur noch, dass wir bald „die Ball“, „die Hund“, usw sagen bzw. schreiben.

  9. Vorsichtiges: Na also, geht doch! :D Ironie on: mal sehen wer künftig schneller ist. Der Bundestag mit seiner Veröffentlichung oder hier und da ein Leak welches im Nachhinein der Online Seite hinzugefügt wird : Ironie off

  10. Die Gutachten wurden aus unterschiedlichen Interessenlagen heraus beauftragt.
    Wie unabhängig/neutral sind diese Gutachten?

    Und wie ist es mit der fachlichen Qualität dieser Gutachten bestellt?
    Werden wissenschaftliche Standards eingehalten?

  11. Extrem gute Nachricht, endlich! Welche Verrenkungen da früher notwendig waren – und welche Rolle da auch netzpolitik.org gespielt hat, ergibt sich aus diesem Link: http://www.fwg-osterode.de/abfall-abgeordnetenbestechung108estgb.htm (zum 20. 4. 2009 scrollen; sorry, dass ich mich ausnahmsweise mal selbst verlinke). Ich hatte dieses Gutachten schon lange bevor es netzpolitik.org veröffentlichte, habe mich aber nicht getraut, es auf meine Website zu nehmen. Es war auch kein sehr großes Problem, es als .pdf von einem Bundestagsabgeordneten zu erhalten, allerdings nur zu privaten Nutzung (Und ich halte mich an Absprachen). So ist es jetzt besser. Dank dem IFG, das taugt dann ja wohl doch etwas.

  12. > Die Entscheidung ist ein großer Erfolg für Zivilgesellschaft, Journalistinnen, Wissenschaftler und auch den Bundestag selbst. Sie garantiert einen freien Zugang zum Wissen des Bundestags und macht Informationen für die Öffentlichkeit verfügbar, die in den letzten Jahrzehnten nur wenigen Menschen zugänglich waren.

    Blödsinn. Es wird nur ein Teil veröffentlicht, bestimmte Themenbereiche und bestimmte Jahrgänge. Die wollen doch, dass wir denken, wir bekommen, was wir wollen. Dabei behalten die das wirklich interessante weiter für sich.

    > Dabei wird der Name der Auftraggeberin nicht bekanntgegeben.

    Wenn es ein Auftraggeber war wird er bekannt gegeben?

    > Die Möglichkeit, ein Gutachten vertraulich einer Bundestagsabgeordneten exklusiv vorzubehalten, wird es künftig nicht mehr geben.

    Einem Bundestagsabgeordneten kann man es aber vorbehalten?

    Die Möglichkeit der Geheimhaltung ist auch nciht ausgeschlossen und wird dann wieter benutzt. alles nur Volksverdummung. Wer drauf reinfällt…

  13. So kritisch wie mein Vorredner sehe ich das nicht. Allerdings wird man sicherlich früher oder später auf legalem Wege versuchen, den Grundtenor der Gutachten zu beeinflussen.
    Der entscheidende Punkt wird dann sein, welche „Wissenschaftler“ man in den Wissenschaftlichen Dienst berufen werden. Wir sollten darauf achten, dass das Berufungsverfahren dieser Schlüsselpersonen öffentlich wird (bleibt?) und klären, wer die Personen beruft und aufgrund welcher Kriterien.
    Dass die Entscheidung nicht in den Händen der Regierung liegen sollte, ist, so denke ich, klar, oder? Sonst haben wir eines Tages fachlich qualifizierte Lobbyisten im Wissenschaftlichen Dienst sitzen.
    Ich bitte um Kommentare.

    1. Klar, die Gefahr, dass ein öffentlich zugängliches Gutachten evtl. geschönter ausfallen könnte als ein BT-internes, ist nicht von der Hand zu weisen. Allerdings ist es dann ja auch öffentlich angreifbar. Allein schon das Literaturverzeichnis gibt wertvolle Anregungen zu weitergehenden Lektüre. Alles in allem also eine Abwägung. Meine Meinung: Die Vorteile überwiegen bei weitem. Ich bleibe dabei: Das war ein guter Tag. Nicht mehr anfasssen, so soll es jetzt bleiben.

      1. Vielleicht möchte ja ein Parlamentarier mal anfragen, was künftig für Mehrkosten für das Erstellen mehrerer Gutachtenvarianten und deren Verwaltung entstehen werden/würden und wie man meint verhindern zu können, daß das auffliegt und wie der Mechanismus sein soll, was welche Variante enthalten soll und wer das wie festlegt. ;-)

    1. Poste die Dokumentadresse lieber nach https://archive.org/web/ und mache sie über deine Seite nur per Link zum BT und alternativ im Archiv zugänglich, vielleicht noch nen hash lokal speichern um gelegentlich auf Veränderungen zu testen, ansonsten brauchst du dann lokal nichts zu speichern, was eventuell Probleme bereiten könnte.

      1. Nach Rücksprache, werde ich alles erst mal online lassen, da die rechtliche Lage wohl ziemlich wage ist.
        Ich lass es mal drauf an kommen. :)

  14. Vielen herzlichen Dank Allen, die mitgeholfen haben, dass die Gutachten des WD nun endlich veröffentlicht werden (müssen). Das ist ein wichtiger Schritt!
    Hallo Manuel:
    Gut, daß Dir langweilig war. So ein Spiegel kann gewiss nicht schaden.
    Die Idee mit dem Hash fand ich reizvoll, schlage aber folgende Abwandlung vor:
    Hash von gescanntem Dokument speichern, gelegentlich prüfen. Wenn Unterschiedliche Versionen, dann beide in den Vordergrund bringen.
    #GuteNachrichtDesTages
    Gruß: Axel

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