Wie in vielen europäischen Ländern, in den Vereinigten Staaten und auch in Deutschland haben Regierungen erste Gesetze bereits erlassen oder damit begonnen, rechtliche Regeln für autonome Fahrzeuge zu diskutieren. Anders als hierzulande ist in Großbritannien die Gesetzgebung noch in der parlamentarischen Diskussion. Nun haben sich die organisierten Fahrradfahrer zu Wort gemeldet. Es geht um die Erweiterung des Road Traffic Acts, ein Gesetz aus dem Jahr 1988, der Road Vehicles Regulations von 1986 sowie um die neue Electric and Automated Vehicles Bill, die spezifische Regeln für autonome Fahrzeuge vorsieht.
Pünktlich zur „Road Safety Week“, die derzeit vom 20. bis 26. November in Großbritannien läuft, nimmt die Fahrradfahrer-Lobby Cycling UK zu den Plänen der britischen Regierung Stellung und empfiehlt weitreichende Änderungen zugunsten schwächerer Verkehrsteilnehmer. Die Forderungen dürften der Autoindustrie ein Dorn im Auge sein.
Verantwortung nicht nur bei den Autofahrern
Cycling UK will die Hersteller von selbstfahrenden Autos dann mit Strafen bedroht sehen, wenn von ihnen oder ihren Zulieferern fehlerhafte Software verbaut wurde, die zu Verletzungen und gar zum Tod von Dritten führt. Dies solle gesetzlich festgelegt werden, so eine nur fünfseitige Empfehlung (pdf), die es aber in sich hat. Sie richtet sich an das Public Bill Committee des britischen Parlaments, das derzeit die Automated and Electric Vehicles Bill (pdf) berät. Diese Regelung wäre weit weniger autoindustriefreundlich als die hiesigen Regeln von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), der in Fragen der Verantwortung vor allem die Autofahrer belastet.
Die derzeit vom zuständigen britischen Minister vorgeschlagenen Strafen gehen der Radfahrer-Lobby längst nicht weit genug. Angedroht seien nur „modest fines or penalty points“, also geringe Geldzahlungen oder Strafpunkte. Diese seien – wie auch in Deutschland – nur gegen den Fahrer oder gegen den Besitzer gerichtet, nicht aber gegen die Hersteller. Das solle geändert werden. Ganz klar positioniert sich der Radfahrer-Verband damit gegen den Trend, die Autoindustrie aus der Verantwortung zu entlassen.
Manipulation von Software
Explizit geht es den britischen Radlern aber auch um Sicherheitsrisiken bei der absichtlichen Manipulation von Software in den Fahrzeugen:
defective software in an automated vehicle may well represent a very serious safety risk. This is particularly the case with potential hacking of autonomous software and other cybersecurity concerns […] Tampering with a vehicle’s software should therefore be made a serious offence.“
(fehlerhafte Software in einem selbstfahrenden Auto könnte ein sehr erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen. Das betrifft insbesondere potentielles Hacken von autonomer Software und andere IT-Sicherheitsbelange. […] Missbrauch von Software sollte demzufolge als ernsthafte Straftat eingestuft werden.)
Das Manipulieren der Software soll also als Verbrechen unter Strafe gestellt werden, wenn es durch den Besitzer oder Fahrer oder vielleicht in einer Werkstatt geschieht. Dazu sollen auch neue Strafen gehören, wenn es unterlassen wird, Software aktuell zu halten („failing to keep software up to date“). Ergäbe sich daraus ein gefährlicher Zustand beim Fahrzeug, solle das ebenso bestraft werden wie gefährliches Fahren.
Unzufrieden ist die Radfahrer-Lobby generell mit der Klarheit der Regelungen, wenn es um besonders zu schützende Verkehrsteilnehmer geht. Dazu gehören Radfahrer, aber auch beispielsweise Fußgänger. Daher fordern sie die Regierung auf, hier genauere Regeln zu schaffen:
We recommend:
– clearer explanation by the Government of the proposed regulations which will be imposed on forthcoming autonomous vehicles, particularly with regard to vulnerable road users.
– changes to the Road Traffic Act 1988 to bring misuse or tampering with autonomous vehicle technology within the definition of dangerous driving.Wir empfehlen:
– dass die Regierung vorgeschlagene Regulierungen für künftige selbstfahrende Autos eindeutiger erklärt, insbesondere in Hinblick auf verletzliche Straßennutzer.
– dass der Road Traffic Act 1988 dahingehend geändert wird, dass Missbrauch und Manipulationen von autonomer Fahrzeugtechnologie in die Definition des gefährlichen Fahrens aufgenommen wird.
Im Straßenverkehr wird vieles über den Augenkontakt geregelt. Wie sich Fußgänger mit Kameras und Radarsensoren abstimmen sollen, ist mir noch nicht ganz klar. Und wie das Ganze mit meinem parallel zur Fahrbahn verlaufenden Radweg funktionieren soll, auch nicht. Wie soll ein Radfahrer auf einem Radweg wissen, dass er gleich von einem rechts abbiegenden Auto niedergemäht wird, weil es ihn für eine Amsel hält. Der Kontrollblick greift ja ins Leere.
Während der Fahrzeuginsasse sagt „Super, da kommt ein Radfahrer, der Wagen hält.“ sagt der Computer „Super, da fliegt ’n Vogel, da fahre ich locker unten durch.“ Und der Radfahrer sagt „Scheiße“. Bis der Fahrzeugführer merkt, dass zwei Gehirne sich nicht abgestimmt haben, vergehen mehr als 3 Schrecksekunden. Die Rückkopplung fehlt.
Nein, es wird nicht viel ueber den Augenkontakt geregelt. Eigentlich gar nichts. Wie auch: es gibt keine magische Kommunikantion und Konsensfindung durch angucken, Du weisst nichtmal, ob der andere dich wahrgenommen hat. Von spiegelnden Scheiben, A-Saeulen und hochsitzenden LKWs mal ganz abgesehen.
Wenn Du danach fahren solltest: Glueckwunsch so weit, aber verlass‘ Dich besser nicht drauf.
Also ich muss ja doch teilweise widersprechen: Wenn ich bestimmte, uhm, Mützen oder Frisuren neben mir fahren sehe oder durch Augenkontakt eine gehäkelte Klorolle wahrnehme, dann weiß ich intuitiv, wie ich daneben zu fahren habe. :}
Touche 8)
„Dann setzt wenigstens ’nen Hut auf‘ war in meiner alten Heimat eine boese Fahrerbeschimpfung…
Die technische „Lösung“ liegt doch auf der Hand. Selbstfahrende Fahrräder!
Wir Menschen sind nicht nur zu doof zum Autofahren, sondern auch zum Radfahren. Im Gegensatz natürlich zur gottgleichen und natürlich gaaaaar nicht hackbaren KI von unseren Wohltätern bei Google und co. …
Dann ist auch endlich der nervige Rest von Privatsphäre, Einfachheit und Freiheit weg, den das Fahrrad vielleicht an manchen Stellen noch verheißen könnte.
Verbindliche Standards der IT-Security von Autos;
in Deutschland wohl nicht möglich, das die Autofirmen das zu verhindern wissen.
Würde es Mittestländler betreffen, wären die Gesetze bereits geschrieben.
Mit der Strafbarkeit der Software-Manipulation wird ein spannender rechtlicher Punkt aufgeworfen, insbesondere auch hinsichtlich der Frage wie eine solche in Deutschland ausgestaltet sein müsste.
Unabdinglich wäre es sicher, dass Fahren mit einem manipuliertem Fahrzeug als Gefährdung des Straßenverkehrs vergleichbar mit § 315c StGB unter Strafe zu stellen.
Auf der anderen Seite ist das Hacken der Herstellersoftware womöglich bereits heute nach § 202a StGB als „Ausspähen von Daten“ unter Strafe gestellt. Für das eigene Fahrzeug würde das aber nur gelten, wenn man das System zur Steuerung des autonomen Fahrens und die darin enthaltenen Daten als dem Hersteller zugeordnet betrachtet und nicht dem Eigentümer des Fahrzeugs. Sofern die Fahrzeuge dann einen eigenen Internetzugang haben und der Hersteller somit die alleinige, umfassende Informationsgewalt über die Software hat, lässt sich das aber durchaus hören.
Eine Strafbarkeit für Softwaremanipulation durch Unterlassen, sprich das nicht-installieren von Updates durch den Fahrzeuginhaber erscheint dann dementsprechend wenig sinnvoll, wenn man von o.g. ausgeht, dass der Hersteller Aktualsierung verantwortlich bleibt, ggf. auch im Rahmen etwaiger Service-Verträge.
Die SW wird zugelassen sein und diese Zulassung durch Manipulation verlieren, das ist gegenueber der Mechanik nichts neues. Wer vorsaetzlich mit einem nicht-zugelassenen Kfz faehrt, haftet voll.
Ergaenzend: wer amtlich erforderliche Updates nicht einspielt, verliert ebenfalls die Zulassung.
Koennte man zB ueber Zertifikate begrenzter Lebensdauer auch ohne aktive Beeinflussung erzwingen. Sicherheitsrelevante SW ohne Wartung/Update ist ohnehin nicht darstellbar, und auch mechanische Autos muessen regelmaessig zur Hauptuntersuchung.
Beim „Aufeinandertreffen“ im Nahfeld schaue ich als Fahrrad Fahrender immer den Auto Fahrenden an. Wenn ich sehe, dass die Person im Auto den Blick z.B. von mir abgewendet hat, kann ich davon ausgehen, dass die Person das Auto nicht anhält oder losfährt und es besser ist, wenn ich anhalte oder warte. Diese Möglichkeit gibt es bei einem autonomen Auto nicht.
Da ich selber beruflich mit der Materie befasst bin, kann ich sagen, dass es bereits eine sehr große Herausforderung ist, im Schienenverkehr autonom zu fahren. Halbwegs sicher funktioniert das derzeit nur bei U-Bahnen, wo weitgehend ausgeschlossen ist, dass es in den Tunneln zu unvorhergesehenen Ereignissen kommt. An den Bahnsteigen ist jeweils eine breite Gummimatte mit Sensoren. Sofern da ein Kontakt festgestellt wird, löst automatisch eine Notbremsung aus, oder die Bahn fährt nicht los.
Daher bin ich nicht davon überzeugt, dass es in den nächsten 10 Jahren autonom fahrende Autos geben wird, allenfalls in abgegrenzten Bereichen, z.B. innerhalb eines Werkes oder eines Campusses, wo derzeit autonome Busse mit einer Höchstgeschwindigkeit von 10 bis 10 km/h fahren. Auf jeden Fall ist es extrem verantwortungslos, wenn man beim heutigen Stand der Technik autonome Autos auf die Menschheit loslassen würde. Die Vielzahl von Unfällen von Fahrzeugen mit Assistenzsystemen oder Testfahrzeugen spricht absolut dagegen, solche Fahrzeuge auf die Straße zu lassen. Erst einmal müssen wir es schaffen, eine autonome U-Bahn frei von Unfällen mit Personenschäden zu betreiben. Dann können wir uns an den oberirdischen Schienenverkehr wagen. Und wenn dieser über Jahre hinweg unfallfrei funktioniert, dann sind wir technisch so weit, dass wir es mit frei fahrenden Autos versuchen können. Aber vorher hat sowas nichts auf unseren Straßen verloren.
Sehr praxisgerechte Kommentare. Ich arbeite in der SW-Entwicklung und weiß, dass jede Software ihre Grenzen hat. Die sehr komplexen Zusammenhänge, die auf den Straßen herrschen, kann man nicht ausschließlich mit Sensoren in Griff bekommen sondern es ist ein Gesamtverständnis des Verkehrsumfeldes, einschließlich den psychologischen Aspekten der VerkehrsteilnehmerInnen, erforderlich. Das erfordert einen hohen Level von künstlicher Intelligenz und davon sind wir derzeit weit entfernt.