Rundfunkbeitrag für den Breitbandausbau: Verkehrsministerium allein auf weiter Flur

Die im Verkehrsministerium angesiedelte Netzallianz verlangt, dass öffentlich-rechtliche Sender wieder Gelder an Kabelnetzbetreiber zahlen. Dadurch soll der Breitbandausbau querfinanziert werden. Mitspielen will dabei jedoch niemand.

Die Kabelnetzbetreiber wollen wieder Gebühren erhalten, um öffentlich-rechtliche Programme bei sich einzuspeisen. Unterstützung erhalten sie dabei bloß vom Verkehrsministerium. CC BY 2.0, via flickr/Jan Ramroth

Die Kabelnetzbetreiber halten weiterhin an ihrer Forderung fest, Geld für die Einspeisung öffentlich-rechtlicher Sender in ihre Netze zu verlangen. Unterstützung erhalten sie dabei vom Bundesverkehrsministerium (BMVI), das mit diesen Mitteln gern den Breitbandausbau quersubventionieren würde. So steht es im jüngst vorgestellten „Kursbuch Netzausbau“ der Netzallianz, einem im BMVI angesiedelten Arbeitskreis der Telekom-Industrie.

Hintergrund ist die im Rundfunkstaatsvertrag verankerte Übertragungsverpflichtung („Must-Carry“-Regelung), die Kabelanbietern wie Unitymedia vorschreibt, bestimmte Programme, unter anderem die der gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, zu verbreiten. Jahrelang hatten die Sender dafür gezahlt, zuletzt um die 60 Millionen Euro pro Jahr, die Verträge jedoch im Jahr 2012 aufgekündigt. Es sei nicht mehr zu rechtfertigen, erklärte damals der ZDF-Intendant Thomas Bellut, dass Gebühren an Unternehmen gezahlt werden, die mit der Vermarktung der öffentlich-rechtlichen Programme gutes Geld verdienten.

Jahrelange Gerichtsverfahren

Dagegen laufen die Kabelbetreiber seither Sturm und zogen deutschlandweit vor diverse Gerichte, bislang allerdings erfolglos. Die Einspeiseverpflichtung stellen sie dabei nicht in Frage, wollen für den Transport von Inhalten jedoch „angemessen vergütet“ werden. Ein schneller Erfolg ist freilich nicht zu erwarten, wie Juve, ein juristischer Fachverlag, im Frühjahr ausführte:

Die zivilrechtliche Frage, ob die Kündigung rechtmäßig war, ist inzwischen schon beim Bundesgerichtshof anhängig gewesen. Der hatte im Sommer 2015 dazu aber kein abschließendes Urteil gefällt, sondern die Fälle zurück an die Oberlandesgerichte Stuttgart und München verwiesen: Sie müssten prüfen, ob sich die Sender vorab über die Kündigung der Verträge verständigt hätten. Falls ja, wäre das ein kartellrechtlicher Verstoß und die Kündigungen damit nichtig. Falls die Kündigungen jedoch rechtens gewesen seien, müssten sich die Vorinstanzen auch Gedanken über die Ausgestaltung der Verträge machen.

Wohl um diesen Prozess abzukürzen, schlug sich das BMVI Anfang des Jahres auf die Seite der Kabelbetreiber und nahm die Vergütungsfrage in den Forderungskatalog der Netzallianz auf. Unter dem Punkt „Finanzierung und Förderung“ des Breitbandausbaus stellt das aktuelle Kursbuch für das (bereits abgelaufene) erste Quartal 2016 in Aussicht:

Zur Unterstützung der Förderung des Netzausbaus setzt sich die Netzallianz für die Zahlung von Einspeiseentgelten an Netzbetreiber für Übertragungsverpflichtungen ein und erstellt eine gemeinsame Erklärung an die Chefs der Staats- und Senatskanzleien.

Verkehrsministerium will „Planungssicherheit für Unternehmen“

Credit: BMVI
Verkehrsminister Alexander Dobrindt bei der Vorstellung der Netzallianz. Credit: BMVI

Wie das BMVI netzpolitik.org gegenüber erklärte, müsse nun im Rundfunkstaatsvertrag sowie den jeweiligen Landesmediengesetzen klargestellt werden, dass Programmveranstalter für die Einspeiseverpflichtung ein Entgelt an die Netzbetreiber zu entrichten haben. Derzeit ist das nicht der Fall. Eine eindeutige Regelung schaffe Planungssicherheit für Unternehmen und damit auch mehr Handlungsspielraum.

Sollte es wieder zu Zahlungen an die Betreiber kommen, hätten diese ihre Absicht bekundet, die zusätzlichen finanziellen Spielräume für Investitionen in den Breitbandausbau zu nutzen und damit eine „Ergänzung zu den Förderinitiativen von Bund und Ländern“ zu leisten. Soll heißen: Gelder aus den Töpfen der Rundfunkgebühren sollen künftig dem Breitbandausbau zugutekommen, wenn man den Versprechungen Glauben schenken darf.

Staatskanzleien stellen sich quer

Doch davon wollen die Staats- und Senatskanzleien nichts wissen. Die Forderung sei nicht neu, wurde uns einhellig von Sprechern mehrerer Landesregierungen bescheinigt. Sie sei „in den letzten Jahren bereits von verschiedensten Seiten an die Ländergemeinschaft herangetragen“ worden, hieß es etwa aus dem Büro der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, das die Rundfunkangelegenheiten der Länder traditionell koordiniert. Geklärt werden solle der Streit durch Gerichte, die die Einspeisepflicht der Netzbetreiber bisher grundsätzlich bestätigt hätten, ohne daraus eine Zahlungsverpflichtung abzuleiten, so ein Sprecher.

„Rechtlich problematisch“ sei jedenfalls die unmittelbare Förderung des Netzausbaus aus Rundfunkbeitragsmitteln. „Der Beitrag dient der Finanzierung des Angebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, stellte der Sprecher unmissverständlich klar. Ebenso eindeutig die Antwort aus Brandenburg: „Die Anstalten erhalten die Rundfunkbeiträge zur Finanzierung ihres Aufwands und nicht zur Subventionierung des Netzausbaus.“ Auch Mecklenburg-Vorpommern verwies auf die gültige Rechtsprechung und fügte hinzu: „Die Rundfunkkommission hat sich bereits dagegen ausgesprochen, darum halten wir es für unwahrscheinlich, dass man Einspeiseentgelte durchsetzt.“

Die ARD reagierte mit "Überraschung und Befremden" auf die Forderung der Netzallianz. CC BY-SA 2.0, via flickr/Metropolico.org
Die ARD reagierte mit „Überraschung und Befremden“ auf die Forderung der Netzallianz. CC BY-SA 2.0, via flickr/Metropolico.org

Mit „Überraschung und Befremden“ haben die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten die Erklärung der Netzallianz bereits im Januar zur Kenntnis genommen. Ein ARD-Sprecher bestätigte uns, dass sich an der Position vom März nichts geändert habe, trotz des neuen Vorstoßes der Netzallianz.

Die vom BMVI herbeigesehnte Regelung würde die jahrelang gelebte Praxis in Deutschland auf den Kopf stellen, denn den beiden monopolistischen Kabelnetzbetreibern Kabel Deutschland (mittlerweile von Vodafone übernommen) und Unitymedia sei es nur aufgrund ihrer Marktmacht gelungen, in der Vergangenheit Einspeiseentgelte durchzusetzen.

Zudem würde die Forderung auch der Praxis in Resteuropa widersprechen, nach der kein einziger öffentlich-rechtlicher Programmveranstalter für die Einspeisung seiner Angebote zahle.

Abkassieren am möglichst vielen Stellen

Was die Quersubventionierung betrifft, lässt sich ein ähnliches Muster der Telekom-Industrie feststellen wie sie es auch bei der Netzneutralität an den Tag legt. Dort drängt die Industrie darauf, diskriminierende Spezialdienste und Zero-Rating-Angebote auf den Markt bringen zu dürfen, um unter anderem an zwei Stellen abzukassieren: bei den Nutzern auf der einen und bei den Inhalteanbietern auf der anderen Seite – etwa gegen eine „Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent“, wie es die Deutsche Telekom ausgedrückt hat. In einer Stellungnahme der ARD heißt es dazu:

Im Ergebnis bedeutet dies auch, dass die Plattformbetreiber für dieselbe Leistung, nämlich die Weiterleitung der Inhalte vom Anbieter an den Nutzer, flächendeckend sowohl vom Inhaltelieferanten als auch vom Endkunden eine Gegenleistung erhalten würden. Letztlich ist der Vorstoß der Netzallianz schlicht der Versuch, Investitionskosten auf Dritte zu verlagern.

Die Medienanstalten, die den privaten Rundfunk länderübergreifend regulieren, gaben sich zurückhaltend. Aus ihrer Sicht sei die jetzige Regelung im Rundfunkstaatsvertrag für die Entgeltlichkeit von „Must-Carry“-Programmen nicht hinreichend klar und könnte daher nachgebessert werden. Wichtig sei, dass dabei die Chancengleichheit gewahrt bleibe. Eine Absage erteilten die Medienanstalten freilich der Forderung, etwaige Einnahmen für den Infrastrukturausbau einzusetzen: „Aus unserer Sicht dienen Einspeiseentgelte für Rundfunkanbieter dazu, den Aufwand des Netzbetreibers für den Betrieb dieses Netzes abzudecken. Eine Quersubventionierung aus dem Rundfunkbereich für den Ausbau des Breitbandzugangs erscheint dagegen sachfremd“, erklärte ein Sprecher gegenüber netzpolitik.org.

Kabelnetzbetreiber bleiben still

Auffällig still blieben bisher ausgerechnet die Kabelnetzbetreiber. Von Unitymedia erhielten wir auf unsere Anfragen keine Antwort, Vodafone verwies uns an das BMVI und ließ Folgefragen unbeantwortet. Anga, der Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber, teilte uns mit, sich noch in internen Abstimmungen zu befinden, was aber noch ein paar Tage Zeit in Anspruch nehmen werde (eine entsprechende Stellungnahme werden wir als Update einpflegen, sobald sie eintrifft). Im Januar klang der Verband noch selbstbewusster und verkündete in einer Pressemitteilung:

„Dass der Transport von Inhalten angemessen vergütet werden muss, ist eine Selbstverständlichkeit und wird von uns und unseren Mitgliedern seit langem gefordert“, so ANGA-Präsident Thomas Braun. „Wir freuen uns, dass das BMVI dieses Anliegen unterstützt und setzen darauf, dass es diese Forderung gegenüber den Ländern jetzt auch aktiv vorantreiben wird.“

Wie es aussieht, handelt es sich jedoch um reines Wunschdenken der Kabelnetzbetreiber. Warum sich das BMVI aber willfährig zum Erfüllungsgehilfen der Telekom-Lobby aufschwingt, lässt sich nur bedingt nachvollziehen. Natürlich – der Breitbandausbau kostet Geld und sollte zügig umgesetzt werden, bevor die Bundesrepublik noch weiter zurückfällt. Etwaige staatliche Förderungen sollten aber transparent gestaltet sein und nicht aus Schlupflöchern stammen, die zudem rechtlich zweifelhaft sind.

4 Ergänzungen

  1. Werden wir beim europäischen digitalen singlemarket, ausserhalb von Zero Rating bei den Arbeiterwohlfahrtpprovidern, für Youtube etc. endlich ordentlich draufzahlen dürfen ?
    Die EU braucht das Netz wegen Industrie4.0 und Gesundheitswirtschaft und der Telekom offenbar für sich selbst ..
    KRANK SOWAS !!!

  2. Die Kabelnetzbetreiber stellen die must carry Reglung noch nicht in Frage weil sie hoffen für die erzwungene Einspeisung doch noch Geld zu erhalten.
    Sollte sich diese Hoffnung zerschlagen werden sie die must carry Reglung in Frage stellen – und zwar mit der Begründung das sie nicht mehr zeitgemäß ist. Schließlich kann der Beitragspflichtige Rundfunk auch im Internet oder über Satellit empfangen…

    Vor der Umstellung auf die Haushaltsabgabe war es nötig das der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch im Kabelnetz vertreten ist, sonst wäre kein Gerät mit Kabelempfänger Gebührenpflichtig gewesen.
    Pünktlich zur Umstellung auf die Haushaltsabgabe haben die öffentlich-rechtlichen die Zahlung an die Kabelbetreiber mit dem Argument „nicht mehr zeitgemäß“ eingestellt. Schließlich muß der Beitragspflichtige jetzt schon für die bloße Möglichkeit des Rundfunkempfangs zahlen…

    Wieso zahlen ARD und ZDF eigentlich noch für die Satellitenübertragung ? Das sind ähnlich Summen wie sie früher für die Übertragung im Kabelnetz gezahlt wurden, und wenn man per Gesetz eine kostenlose Übertragung erzwingen kann was spricht dann dagegen die für alle Übertragungswege zu tun ?

  3. @Alreech

    „Wieso zahlen ARD und ZDF eigentlich noch für die Satellitenübertragung ? Das sind ähnlich Summen wie sie früher für die Übertragung im Kabelnetz gezahlt wurden, und wenn man per Gesetz eine kostenlose Übertragung erzwingen kann was spricht dann dagegen die für alle Übertragungswege zu tun ?“

    Der entscheidende Unterschied: der Zugang zum Empfang via Satellit und auch via DVB-T ist für die Zuschauer / Zuhörer formal kostenlos. Außer der Einmal-Investition in Empfangstechnik gibt es keine Kosten, schon gar keine wiederkehrenden (Ausnahme: ggf. Rücklagen für den Erhalt und den Betrieb der Empfangstechnik, so ein LNB an der Satschüssel fault alle 10 Jahre durch, so ein Multischalter nuckelt rund um die Uhr am Hausstromzähler des Mehrfamilienhauses). Hier zahlen die öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter die Betriebskosten des Verteilsystems (Satellit, DVB-T) – und sie tun dies aus dem bereits von der Bevölkerung gezahlten Rundfunkbeitrag.

    Völlig anders bei den großen Kabelnetzbetreibern (und da nichtmal bei allen): die halten zum Kunden hin die Hand auf und wollen üblicherweise inzwischen mehr als 15 EUR monatlich haben, damit überhaupt etwas geht. Einzelanschlüsse liegen bei diesen Unternehmen durchaus inzwischen bei etwa 20 EUR/Monat. Und dann wollen sie, daß die Programmveranstalter auch noch bezahlen, um dabei sein zu dürfen?

    Übrigens haben die regionalen Netzbetreiber (zu denen alle kleinen, aber auch richtig große zählen) nie auch nur einen Pfennig oder Cent von den öffentllich-rechtlichen Anstalten gesehen. Sie haben dennoch häufig das weitaus umfangreichere (oft vollständige) und qualitativ der Sat-Verbreitung 1:1 identische (bitgenau!) Angebot und kosten den Zuschauer am Ende teils deutlich weniger. Einfach mal z.B. in Norderstedt/Hamburg bei der Wilhelm.tel schauen, was da geht.

  4. @Christian Schubert
    Die 15 bis 20 €uro im Monat für einen Kabelanschluss bietet meist auch Zugang zum Internet und Telefonnetz, sind also nicht vergleichbar mit einem Satellitenempfänger der nur Rundfunkempfang bietet. Gerade weil die neuartigen Empfangsgeräte aber zwingend einen Internetzugang benötigen sollten sich ARD und ZDF an den Betriebskosten dieses Verteilsystems beteiligen – oder darauf verzichten neuartige Empfangsgeräte als Begründung für eine Beitragspflicht zu verwenden.

    Außerdem profitieren die Satellitenbetreiber vom Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender. Ohne ARD und ZDF würde keiner einen Satellitenempfänger kaufen. Warum also sollen sich ARD und ZDF an den Betriebskosten des Satellitenbetriebers beteiligen, nicht aber an den Betriebskosten der Kabelnetzbetreiber ? Zumal es mit einem Rundfunkstaatsvertrag problemlos möglich wäre die Satellitenbetreiber dazu zu zwingen ARD und ZDF gratis auszustrahlen.

    Das die regionalen Kabelnetzbetreiber nie einen Pfennig oder Cent von den öffentlich-rechtlichen Anstalten gesehen haben ist deren Problem. Sie hätten nur mit Verweis auf die Zahlungen an die großen Kabelbetreiber klagen müssen.

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