Live-Blog aus dem Rechtsausschuss – Gefangen im Leistungsschutzrecht-Labyrinth (UPDATE mit Statements)

Liveblog aus dem Rechtsausschuss des deutschen Bundestages (Foto: eulenfan, CC BY-NC-ND 2.0)

Update: Kommentare zur Ausschusssitzung von Sachverständigen und Beobachtern.

Am heutigen Mittwoch findet im Rechtsausschuss des Bundestages eine Anhörung zu einem Gesetzesentwurf der beiden Oppositionsfraktionen statt, welcher vorsieht das momentan gültige Leistungsschutzrecht für Presseverleger aufzuheben. Im Vorgang dieser Sitzung haben wir über die Chancen dieses Entwurfes und die bisherigen Entwicklungen in der Debatte um ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger berichtet.
Da die heutige öffentliche Anhörung einmal mehr nur direkt vor Ort verfolgt werden kann, wollen wir mit unserer Berichterstattung ein wenig dazu beitragen, dass eine breitere Öffentlichkeit für dieses Thema geschaffen wird.

Übersicht

Status des Liveblogs

Status: Endgültige Fassung. Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen folgt.

Im Gegensatz zum NSA-Untersuchungsausschuss, in welchem es weder öffentliche Video-, Audio- oder Schriftprotokolle gibt, hat uns die Bundestagsverwaltung in diesem Fall versichert, dass ein Schriftprotokoll dieser Sitzung im Nachhinein auf den Seiten des Rechtsausschusses veröffentlicht wird. Wir werden in diesem Liveblog also nicht versuchen die Aussagen der Sachverständigen möglichst wortgetreu wiederzugeben, sondern eher die Kernpunkte der Debatte in Echtzeit zusammenzufassen und unseren persönlichen Eindruck wiederzugeben.

Für Interessierte gibt es hier die Stellungnahmen der Sachverständigen, welche diese im Vorfeld der Anhörung eingereicht haben. Feedback wird in den Kommentaren gerne entgegengenommen!

Kommentare zur Ausschusssitzung

Der Sachverständige des Ausschusses, Phillip Otto, kommentiert nach der Sitzung gegenüber netzpolitik.org:


Die Debatte ist wie nicht anders zu erwarten gelaufen: Die überwiegende Anzahl der Sachverständigen hat das Leistungsschutzrecht kritisiert. Es bleibt abzuwarten, wann die Bundesregierung den Termin für die Evaluierung definitiv festlegt. Das ist der nächste Schritt der im Koalitionsvertrag verankert ist.
Das Leistungsschutzrecht an sich wird während der ganzen Zeit weiter sein toxisches Potential ausströmen und allen Beteiligten schaden, sowohl den Suchmaschinen, die weniger Inhalte anzeigen können, den Presseverlagen, die weniger Nutzer auf ihre Seite kriegen und die Nutzer selbst, die weniger bei Suchmaschinen im Internet bei Suchmaschinen finden. (mehr im Audio)

Im Nachgang der Sitzung wendet sich die linke Abgeordnete und netztpolitische Sprecherin, Halina Wawzyniak, klar an die Bundesregierung. Es sei nun an Union und SPD dem ganzen Spuk schnell ein Ende zu setzen. Sie müssten nur dem von LINKEN und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzentwurf zur Aufhebung des Leistungsschutzrechts zustimmen:

„Die Mehrheit der anwesenden Expertinnen und Experten haben überzeugend dargelegt, warum das Leistungsschutzrecht für Presseverleger schädlich ist. Das Leistungsschutzrecht schafft Rechtsunsicherheit, ist innovationsfeindlich und verbessert die Situation von Urheberinnen und Urhebern in keinster Weise. Es ist unnötig. Es gehört abgeschafft“

Der Kollege Fabian Köhler hat für die Zeitung neues deutschland ebenfalls live aus dem Rechtsausschuss gebloggt.

Der Grüne Netzpolitiker Konstantin von Notz kommentierte die Situation im Vorfeld folgendermaßen:

Wie immer bei öffentlichen Anhörungen haben Grüne und Linke Bundestagsfraktion auch diesmal Streaming der Anhörung zum Leistungsschutzrecht beantragt. Die Große Koalition lehnte das mit ihrer übergroßen Stimmenmehrheit ab, so dass die Anhörung nur direkt vor Ort oder per Twitter verfolgt werden kann. Vielleicht mag aber ja auch noch jemand livebloggen?

Im Nachgang kommentiert er gegenüber netzpolitik.org (Audio hier):

Es ist offenkundig für uns geworden, dass die Vorbehalte und Argumente, die wir gegen das Leistungsschutzrecht haben, tragen und dass die Bundesregierung immernoch nicht die relevanten Antworten geben kann, wo das Gesetz helfen soll. Wir erwarten auf unseren Gesetzesentwurf hin, dass dieses Gesetz zurückgezogen wird und dass man sich über sinnhafte Maßnahmen zur Regulierung, auch eines Konzerns wie Google, Gedanken macht. Wir hatten gerade dazu ein tolles Fachgespräch. Da ist ziemlich klar geworden, dass Transparenz und bestimmte Regulierungen im Datenschutzbereich enorm helfen würden. Das Leistungsschutzrecht hilf auf jeden Fall nicht.  

Der Sachverständige Thomas Stadler gibt sich zufrieden über den Sitzungsverlauf, blickt aber skeptisch auf die Entwicklungen der europäischen Ebene:

Gründsätzlich bin ich eigentlich mit dem Verlauf der Sitzung relativ zufrieden, die Mehrheit der Sachverständigen hat relativ klar für eine Streichung des Gesetzes zum Leistungsschutzrecht votiert. Selbst die von der Union benannten Sachverständigen waren teilweise zweifelnd – so richtig begeistert ist eigentlich niemand davon.
Auf europäischer Ebene muss man abwarten, was da kommt – bei Herrn Oettinger weiß man nie. Im europäische Parlament da Konses zu erreichen halte ich für relativ schwierig. (mehr im Audio)

Der Sachverständige Felix Hey, der in der Ausschussitzung gegen die Abschaffung des Leistungsschutzrechtes bzw. gegen den vorliegenden Gesetzesentwurf argumentiert hatte, betont gegenüber netzpolitik.org, dass der Erhaltes des deutschen Qualitätsjournalismus von großer Wichtigkeit ist:

Auch wenn die Sachverständigen an vielen Stellen unterschiedlich geäußert haben, so war jedoch das Bewusstsein für den Qualitätsjournalismus deutlich da. Und die Frage die sich stellt ist folgende: Wie kann man ein ausgewogenes, fundiertes journalistisches Meinungsspektrum in Deutschland erhalten und in eine neue Welt überführen. Darüber muss sich die Evaluation drehen und ich denke, dass wir hier noch am Anfang stehen. (Audio wird schnell besser)

Der Sachverständige Gerald Spindler kritisiert gegenüber netzpolitik.org die Hemmung von Innovation durch die momentane Gesetzeslage und die Doppelmoral der VG Media:

Ich halte das Leistungsschutzrecht insgesamt für verfehlt, weil es andere Anreize schafft und Innovationen unter Umständen damit behindert werden. Es kann durchaus schädlich sein für die gesamte digitale Wirtschaft am Standort Deutschland.  
Die Vorgehensweise, dass man auf der einen Seite (kostenfreie – Anm. der Red.) Lizenzen für Google erteilt, bei allem Verständnis für die wirtschaftliche Situation der Verlage, auf der anderen Seite für die Kleinen aber nicht, sollte überdacht werden.
Eine europäische Regelungen wird es mit Sicherheit geben. Es ist nur die Frage in welche Richtung die gehen wird. Das wissen die Götter, bzw. das weiß die Kommission wohl selber noch nicht so ganz. Aber darüber schießen die Spekulation ins Blaue. Da müssen wir einfach Geduld bis zum Sommer oder Herbst haben.

Disclaimer

Dieser Live-Blog wird nach bestem Wissen und Können erstellt, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder umfassende Korrektheit. Er gibt die subjektive Auffassung der Aussagen durch den Autor wieder. Die Aussagen der genannten Personen müssen so nicht wortgetreu geäußert worden sein. Wer uns unterstützen möchte, darf gerne spenden.

11:20: Lesetipp: Der Medienjournalist Stefan Niggemeier hat gestern einen Artikel über den Standpunkt des Leistungsschutzrecht-Lobbyisten Christoph Keese veröffentlicht, in welchem dieser argumentiert, dass eventuell auf Überschriften Lizenzpflichtig seien und nicht unter die Ausnahmeregelung sogenannter Snippets fallen würden.

Einleitung, Begrüßung (11:33)

Renate Künast begrüßt die Anwesenden zur öffentlichen Anhörung und macht klar, dass hinter dem Gesetzesentwurf die Frage steht, wie Online-Journalismus funktionieren und sich finanzieren kann. In der letzten Legislaturperiode (schwarz-gelb) wurde das Gesetz auf den Weg gebracht, die Evaluierung steht allerdings noch aus. Diese Gesetz soll nun wieder aufgehoben werden. Die Sachverständigen werden ihre Statements in 5-minütigen Blöcken verlesen. Es wird, wie aus dem Untersuchungsausschuss bekannt, jeweils mehrere Fragerunden geben.

Statement Sachverständiger Dr. Doedens (11:38)

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger stellt kein Sonderrecht dar, sondern schafft faire Bedingungen für Medienschaffende. Die Einführung damals war bemerkenswert, da sie einen Schritt in die richtige Richtung dargestellt hat. Das Ziel war damals eindeutig: Presseverleger sollte die Möglichkeit gegeben werden, eine Vergütung zu erlangen. Bei Verlagen wie Burda haben dann die Umsetzungsgespräche begonnen. Der Ausgang des Schiedsverfahren wird von der VG Media und anderen Verlagen mit Spannung erwartet. Verlage haben durch das Leistungsschutzrechtes keine Sonderrechte erhalten, das Urheberrecht wurde nur an das digitale Zeitalter angeglichen. Eine Vergütung für Presseerzeugnisse ist nur fair. Eine abschließende Evaluierung und Bewertung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.

Statement Professor Hey (11:44)

Prof. Dr. Felix Hey ist Vorstand des juristischen Fachverlages Dr. Otto Schmidt und spricht sich in seiner vorab eingereichten Stellungnahme gegen den Gesetzesentwurf zur Abschaffung des Leistungsschutzrechts aus. Dies würde eine „verfrühte Reaktion“ darstellen, eine Einschätzung sei aufgrund der „begrenzten Erfahrungen kaum möglich“. Einen Verstoß gegen Europarecht (Fachbegriff: Verletzung der Notifikationspflicht) sieht er in diesem Fall nicht, da ein Leistungsschutzrecht die freie Tätigkeit von Suchmaschinen durch potenzielle Bezahlpflichten nicht beeinträchtigen würde.
Weiterhin wirbt er für Verständnis und Geduld, da der Gesetzgeber „mit der Regelung Neuland betreten hat“; eine Konkretisierung müsse der Rechtsprechung überlassen werden. Auch in anderen Fällen der Gesetzgebung sei das kein ungewöhnlicher Prozess.

Im Ausschuss macht er in seinem Statement Folgendes deutlich:

Die dynamische Entwicklung der digitalen Umwelt macht solche Experimente wie das Leistungsschutzrecht möglich, dies ist auch durchaus wichtig. Die zwei Alternativen, vor welche die Verleger gestellt sind (Bezahlschranke oder Werbung), haben beide Vor- und Nachteile.

Die Veröffentlichungen in Printmedien genießen noch immer einen höheres Vertrauen.
Eine kostenlose Einwilligungsoption von Google heißt nicht, dass der Gesetzgeber untätig bleiben darf.
Die Verfassungsrechtlichen Bedenken sind haltlos, da es hier einen Spielraum gibt – Im Bezug auf die Verfassungsbeschwerde zum Leistungsschutzrecht muss man natürlich die Entscheidung des Verfassungsgerichtsurteil abwarten.

Zum Abschluss seines Statements verliest Hey das Fazit aus seiner vorab abgegebenen Stellungnahme.

Stellungnahme Prof. Dr. Eva Inés Obergfell (11:50)

Die bisherige gesetzliche Regelung soll beibehalten werden. Die damaligen Zensurbedenken tragen nicht mehr, da mit den Snippets im Vorfeld ein wirkungsvolles Gegeninstrument geschaffen wurde. Wichtig ist auch, dass das Leistungsschutzrecht für Presseverleger sich ganz konsequent in die bestehenden anderen Leistungsschutzrechte einfügt. Es besteht ein legitimes Schutzbedürfnis von Presserzeugnissen, wie auch von Filmen und Audio. Das Schutzbedürfnis könnte man auch durchaus durch andere Instrumente regeln (Bezahlschranken) – das wäre allerdings nur auf europäischer Ebene möglich.

Stellungnahme Phillip Otto (iRights.info) (11:56)

Es geht nicht darum irgendetwas anzupassen oder zu verbessern, sondern die jetzige Regelung abzuschaffen – das ist mehr als überfällig. Der Rechtsweg wird ansonsten bis zum Ende durch die VG Media gegen Google bestritten. Das wird also ohne zu übertreiben 10 Jahre dauern, selbst wenn die obersten Gerichte (BGH, EuGH) entscheiden werden, dass die jetzige Regelung diskriminierend ist.

Das Thema wird nicht in der gesamten, notwendigen Brisanz debattiert, die Folgen sind jedoch tagesaktuell sichtbar: Start-Up Unternehmen werden behindert und so die Innovation in Deutschland extrem gehemmt – wir wollen doch aber Wettbewerb fördern. Momentan müssen Start-Ups Rücklagen für rechtliche Auseinandersetzungen einlagern, um auch auf eventuell nachträgliche Forderungen von Verwertungsgesellschaftern reagieren zu können. Wir haben momentan ein Leistungsschutzrecht gegen Presseverlage. Den Verlagen entgehen jeden Tag Einnahmen durch fehlenden Traffic. Die jetzige Situation fordert Monopole. Das Gesetz ist abzuschaffen.

Stellungnahme Prof. Dr. Gerald Spindler (12:03)

Mir liegt eine aktuelle Liste des Branchenverbandes BITKOM vor, dass bereits 11 Start-Ups in Deutschland wegen der Leistungsschutzregelung aufgegeben haben. Es wird 6 bis 10 Jahre dauern, bis Gerichte Klarheit geschaffen haben. Auch das Schiedsverfahren wird nicht viel schneller von Statten gehen. Kartellrechtsexperten haben bereits im Vorfeld der Einführung des Leistungsschutzrechtes vor der Monopolförderung durch dieses Gesetz gewarnt.

Wir sehen das Problem am Beispiel Spanien: Dort gibt es eine Abgabepflicht für Suchmaschinen und Newsaggregatoren. Google News hat dort zum ersten Januar seine Dienste eingestellt, danach gab es einen großen Aufschrei – auch von Seiten der Verlage.

Ich verstehe bis heute nicht, warum ein Leistungsschutzrecht mehr Wert sein soll als die Rechte (irgend-)eines Urhebers. Wenn normale Menschen etwas ins Internet stellen, bekommen diese dafür auch keinen Cent – warum sollen die Beiträge von bestimmten Urhebern auf einmal mehr Wert seien und höher gestellt werden?
Warum werden beispielsweise Buchverlage anders behandelt als Presseverlage? Rechtsbegriffe können natürlich immer durch Gerichte ausgestaltet werden – aber wie viele Gerichtsverfahren und Verstrickungen wollen wir denn noch haben?
Wir schützen in einer freien Marktwirtschaft von jeher nicht jede Investition. Nicht jeder, der Urheber einer Sache ist, sollte automatisch vom Gesetzgeber geschützt werden.

Stellungnahme Thomas Stadler (12:09)

Meines Erachtens hat sich das Leistungsschutzrecht als nicht tauglich erwiesen. Es benachteiligt systematisch kleine Verlage und Aggregatoren. Bisher greift die lizenzfreie Verwendung von Snippets, die durch die Gesetzgebung gesondert geschützt werden. Die Tarifbestimmungen der VG Media haben letzten Sommer gefordert, dass aber genau für diese „kleinsten Textausschnitte“ auch Lizenzen erworben werden müssen. Die Gesetzgebung wird ins Leere laufen.

Stellungnahme Prof. Dr. Malte Stieper (12:13)

Prof. Dr. Malte Stieper ist Juraprofessor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Mitglied in der Urheberrechtsvereinigung GRUR. In seiner Stellungnahme spricht er sich für den vorliegenden Gesetzesentwurf aus, da ein Verbotsrecht kein geeignetes Mittel sei, um eine wirtschaftliche Beteiligung der Verlage an den Gewinnen durch Suchmaschinenbetreiber und Newsaggregatoren zu erwirken. Im Gegensatz zu anderen Verwertungsrechten gibt es beim Leistungsschutzrecht auch kein sogenanntes positives Benutzungsrecht, dass dem Rechteinhaber das alleinige Recht zuweist, den Geschützten Gegenstand zu nutzen.

Im Ausschuss macht er in seinem Statement Folgendes deutlich:

Das Leistungsschutzrecht schadet allen. Es gibt auch andere Wege: Bei dem Verfahren der VG Wort beispielsweise wurden und werden Urheber für ihre Werke entlohnt, ohne gesonderte Schutzrechte zu genießen. Hier kann also auch ohne Schranken Onlinejournalismus finanziert werden.

Wichtig ist auch, dass es beim Leistungsschutzrecht für Presseverleger nicht darum geht, Presseerzeugnisse vor Piraterie zu schützen. Ein Gesetz, dass nur auf einen ganz kleinen Kreis, nämlich Suchmaschinenbetreiber abzielt, ist nicht hinnehmbar.

Fotografen können gegen eine Anzeige ihrer Bilder durch Suchmaschinen auch nichts tun oder eine finanzielle Entschädigung verlangen. Warum also Presseverleger?
Das momenentane Leistungsschutzgesetz für Presseverleger ist sehr unbestimmt und deswegen kaum fachlich kommentierbar – es gibt nur zwei mögliche Pole, wie man das Gesetz auslegen kann. Nur ein Beispiel: Wann beginnt eigentlich die Schutzfrist, die Presserzeugnissen im aktuellem Gesetzestext eingeräumt wird? Diese beträgt momentan ein Jahr. Es gibt für Pressetexte aber mehrere Vertriebswege. Zählt nun die Speicherung auf den Redaktionsservern, die Veröffentlichung in einer Printausgabe, auf Blogs, auf Zeitungs- oder Presseportalen als Erstveröffentlichung?

Befragungen

Es stellen zuerst alle Fraktionen ihre Fragen, die Antworten folgen.

Ansgar Heveling (CDU) (12:20)

Frau Prof. Obergfell hat ja die Ausnahmeregelung der Snippets oder sogenannter „kleinster Textausschnitte“ angesprochen, die Konformität mit Artikel 5 des Grundgesetzes ist in diesem Falle hergestellt.

Frage an Herr Doedens: Warum ist das Leistungsschutzrecht so wichtig und hat Vorrang vor anderen Alternativen?

Tabea Rößner (Bündnis 90 / Die Grünen)

Die Verwertungsgesellschaften haben die Pflicht, die Rechte ihrer Mitglieder durchzusetzen. Muss nicht auch die VG Media dieser Pflicht nachkommen und dementsprechend die Rechte der Urheber gegenüber Google durchsetzen?

Halina Wawzyniak (DIE LINKE)

Herr Doedens: Sie haben eben argumentiert, dass es nur zwei Alternativen für Presseverleger gäbe, um im Netz Gewinne zu erwirtschaften. Bezahlschranken lehnen Sie dabei aber ab. Weiterhin unterscheiden Sie zwischen qualitativ hochwertigen Medien und Inhalten von »irgendwelchen« Blogs – machen sie dies doch bitte einmal am Beispiel von BILD und bildblog.de deutlich.

Christian Flisek (SPD)

Alles was hier gesagt wird, wird mit Sicherheit in den nächsten Koalitionsvertrag mit eingehen.
Das Gesetz legt besonderen Wert auf den Bündelungswert von Presseerzeugnissen. Ist dieser Bündelungswert überhaupt noch da?

Herr Otto: Leben wir nicht längst in einer Zeit der Entbündelung von Presserzeugnissen?
Ist es eigentlich ordnungspolitisch vertretbar, dass man das Leistungsschutzrecht nach wie vor flankiert?

Herr Stieper: Der Ort, wo man so etwas Regeln sollte ist eher das Wettbewerbsrecht. Nehmen sie dazu bitte Stellung.
Was könnten wir als Gesetzgeber tun, um die Rechte der Urheber zu stärken und diese nicht den Verlagen auszuliefern?

Kollege von Flisek: Was gibt es für alternative Lösungsmöglichkeiten?

Matthias Heider (CDU)

Eben wurde ausgeführt, dass Schutzrechte nur da erforderlich sind, wo ein Marktversagen vorliegt. Das trifft nicht zu: Alle Schutzentwicklungen, die seit der Industrialisierung gibt wären demnach auf Marktversagen zurückzuführen.

Herr Stieper, ich gebe Ihnen mal folgendes Beispiel: Eine Litfaßsäule in Berlin. Sie kleben ein Sammelsurium von Zeitungsschnipseln, also von einzelnen Artikeln an diese. Sie machen einen schönen Rahmen drumherum und wollen dafür Geld. Ist das eine Wertschöpfung?

Antworten

Prof. Dr. Stieper (12:38)

Zur SPD: Man kann darüber nachdenken, ob das Leistungsschutzrecht noch an den richtigen Punkten anknüpft. Die Gesetzgebung ist hier seltsam rückschrittlich. Das Leistungsschutzrecht soll genau davor schützen, dass Nutzer die Presserzeugnisse entbündeln und sich so ihre eigene Zeitung zusammenstellen.

Was ist überhaupt der Schutzgegenstand des Gesetzes? Die schützenswerte Leistung des Verlegers ist nicht das Zusammentragen oder das Anordnen von Pressererzeugnissen – sondern eigentlich nur die Veröffentlichung. Ob man diese Bündelungsfunktion von Verlagen durch ein Leistungsschutzrecht schützen kann ist unklar – das wäre viel eher im Wettbewerbsrecht zu verorten.

Durch die jetzigen Bemühungen sollen Nutzer davon abgehalten werden, sich die Informationen nur über Snippets zu holen – das ist eine Bevormundung der Leser.

Was kann man also tun um die Kreativität zu stärken? Beispiel Niederlande: Alle wurden an einen Tisch gesetzt, es soll ein Förderungsfonds von Google für Journalisten gegründet werden. Die deutschen (und spanischen) Grabenkämpfe hingegen schaden beiden Parteien.

Zur CDU: Ich könnte momentan sogar ganze Zeitungen an eine Litfaßsäule kleben, ohne gegen das Leistungsschutzrecht zu verstoßen – es gilt ja nur im Internet! Das Alleine ist schon fragwürdig. Das bedrucken von Papier ist noch keine schutzwürdige Leistung.
Ich darf eine ganze Zeitungsausgabe nachdrucken, aber keine Snippets ins Internet stellen?

Thomas Stadler

Zur Linken: Leistungsschutzrecht ist Investitionsrecht, das hat mit Urheberrecht eigentlich nichts zu tun! Es wurden Investitionen in Presseerzeugnisse getätigt und diese sollen jetzt bewahrt werden.

Zum Beispiel Bild und Bildblog.de: Die Diskussion über Qualitätsmedien ist sehr schwierig. Ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die Qualität von Medien zu bewerten?
Vor allem kleine Verleger leiden unter der momentanen Regelung – anders als Google haben diese nicht das Kapital, einen sechs- bis zehnjährigen Rechtsstreit mit der VG Media zu führen. Das wird viele Gründer abschrecken.

Google hat sich am Anfang ja sehr schnell gegen die Regelungen des Leistungsschutzrechtes gewendet, hat dann aber gemerkt, dass das eigentlich kaum nötig ist, da die Forderungen der VG Media kaum durchsetzbar sind.

Prof. Dr. Gerald Spindler (12:52)

Den Urhebern steht neben dem Eigentumsschutz auch ein Urheberpersönlichkeitsrecht zu.

Zur Linken: Integrierte Suchmaschinen von anderen Anbietern als Google sind genauso betroffen. Auch Facebook ist eine Suchmaschine – zumindest wäre das Leistungsschutzrecht auch auf diese Anbieter anwendbar. Es geht also nicht bloß gegen Google. Das LSR versteinert unsere Vorstellung davon, was Presse überhaupt ist.

Zur CDU: Stichwort Marktversagen: Man kann sich bereits jetzt durch die robots.txt selbst schützen. Das hat sogar der Bundesgerichtshof entschieden. Jedem ist das möglich, einem Presseverlag aber nicht? Hätte Google seine Werbedienste nicht, wäre alles genau anders herum: Die Verlage müssten Google bezahlen!

Phillip Otto (13:01)

Zur SPD: Der Markt funktioniert bereits jetzt. Nutzer bringen Werbeeinnahmen. Die Pflichtlizenzierung von Snippets ist vorerst gescheitert. Was ist der nächste Schritt? Sollen demnächst einzelne Buchstaben geschützt werden?

Niemand wird in Zukunft mehr eine komplette Zeitung durchlesen – der Grundgedanke einer Bündelung greift nicht mehr.

Das Innovationspotenzial wird durch die aktuelle Gesetzeslage stark gehemmt oder zumindest nicht gefordert. Start-Ups haben nicht die notwendigen Ressourcen rechtlich zu reagieren.

Prof. Dr. Eva Inés Obergfell

Zur CDU: Wir sprechen darüber, inwiefern ein Leistungsschutzrecht einen Schutz für urheberrechtliche Erzeugnisse entfalten kann. Es gibt ein Bedürfnis Vermittler bzw. Verlage zu schützen, damit diese weiterhin kreative Leistungen unterstützen und finanzieren. In anderen Urheberrechtsbereichen gilt das bereits (Film).

Zum Thema Marktversagen: Eventuelle (Bezahl)-Schranken müssen sich am Drei-Stufen-Test orientieren. Es ist sehr fragwürdig, ob ich mich durch eine robots.txt ausreichend schützen kann. Das würde ich nicht daran festmachen. Man sollte eine Schranke auf europäischer Ebene schaffen – durch diese könnte dann ein Wettbewerbsschutz erreicht werden.

Prof. Dr. Felix Hey

Das Gesetz in seiner jetzigen Form macht sehr deutlich, dass es um Suchmaschinen und Newsaggregatoren geht – hier knüpft auch die Definition der Snippets an. Wir haben also eine Auslegungsgrundlage. Auch die wirtschaftliche Verwertung geistigen Eigentums ist geschützt ist laut Urheberschutzgesetz geschützt. Der deutsche (Print)-Pressemarkt hat einen deutlichen Wert. Der Gesetzgeber sollte diesen herausstellen. Es geht hier auch um die Konkurrenz zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Dr. Sebastian Doedens (13:16)

Was ist näher an der Praxis: Über Opt-Out oder Opt-In zu reden? Es steht das hochladen einer robots.txt (Opt-Out) gegen die freiwillige Einwilligung in die Verwertung durch Google (Opt-In). Jemand muss die Inhalte erstellen, die wir über Suchmaschinen finden. Auch in anderen Bereichen gibt es Abhängigkeiten von einander, beispielsweise Plattenfirmen und Radiostationen.

Zur CDU: Die VG Media hat alle unter gleichen Bedingungen alle Verlage zu Verhandlungen aufgefordert. Sie ist an einer Einigung sehr interessiert.

Fragerunde 2

Rößner (Grüne)

Was sind die Folgen von Bezahlschranken?
Wer hat bislang vom Leistungsschutzrecht profitiert?

Halina Wawzyniak (DIE LINKE)

Zum Tarifvertrag: Was bedeuten „Auslandsumsätze“?

Antwortrunde 2

Dr. Sebastian Doedens

Auf den Tarif ist die VG Media gekommen, wir sind deren Gesellschafter. Die Beantwortung der Frage, was Auslandsumsätze sind, müssen wir der Schiedsstelle überlassen.

Prof. Dr. Felix Hey (13:23)

Der Ausgang der Kartellverfahren gegen Google sind noch offen. Wenn das Kartellrecht nicht hilft, müssen wir also im Urheberrecht bleiben.

Zu den Grünen: Über die VG Wort kann ich wenig sagen, auch dort laufen Verhandlungen. Doedens kann da mehr sagen.
Doedens: Hier wird Kartellrecht gegen Urheberrecht ausgespielt. Wir sollte das aber möglichst getrennt halten.

Thomas Stadler

In dem von der VG-Media veröffentlichten Tarif steht, dass auch Snippets lizenzpflichtig sind. Es gibt hier also einen Tarif, der vom Gesetz abweicht – der Gesetzgeber hat solche Textausschnitte ja gesondert geschützt.

Abschluss der Sitzung (13:31)

Die Vorsitzende Renate Künast beendet die Sitzung. Sie bedankt sich für diese sehr sachliche und detaillierte Diskussion.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

9 Ergänzungen

  1. Kennt jemand die Hintergründe von dem von Prof. Stieper angesprochenen Föderungsfonds von Google in den Niederlanden?

    1. Das stimmt. Ich habe diesbezüglich auch gerade einen Anruf von Herrn Dr. Doedens erhalten. Die Aussage kam so natürlich nicht von ihm. Die betreffende Passage ist mittlerweile korrigiert worden, der Rest des Textes befindet sich in der Überarbeitung. Bitte dazu auch den Disclaimer beachten.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.