Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten: Angebliches Drängen der Bundesregierung auf kürzere Speicherdauer ist heiße Luft

NoPNR-LogoIm Zuge von Maßnahmen gegen „ausländische Kämpfer“ wollen die EU-Mitgliedstaaten eine neue Vorratsdatenspeicherung zu Fluggastdaten anlegen. Würde dies beschlossen, müssten Airlines bei jedem interkontinentalen Flug umfangreiche Daten an die zuständigen Grenzbehörden übermitteln. Eine derartige Regelung existiert bereits mit Kanada, Australien und den USA.

Die drei Länder konnten gegenüber der Europäischen Union Datensätze mit über 60 Einträgen durchsetzen, die weit in die Privatsphäre reichen (die sogenannten Passenger Name Records, PNR). Mittlerweile fordert auch Mexiko die Übermittlung von PNR-Daten aus der EU und droht andernfalls mit Landeverboten.

Zu den PNR-Datenkategorien gehören ausführliche Kontaktangaben sowie Informationen zum Ticket und zur Reiseroute, das ausstellende Reisebüro, Kreditkarteninformationen oder Essenswünsche. Auch Hotelbuchungen bei längeren Flügen werden mitgeteilt, ebenso welche weiteren Personen in etwaigen Doppelzimmern übernachten. Die Informationen werden von den zuständigen Behörden für bis zu 15 Jahre gespeichert.

Die EU-Kommission startete bereits 2008 eine Initiative für eine eigene, europäische Fluggastdatensammlung. Viele Mitgliedstaaten hatten den Richtlinienentwurf wegen zu hoher Kosten, aber auch aus Datenschutzgründen kritisiert. Der deutsche Bundesrat fordert, das EU-PNR-System nach Maßgabe des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zur Vorratsdatenspeicherung zu prüfen, denn die Daten würden „ohne Anlass” gesammelt. Das Europäische Parlament hatte die Datensammlung nicht weiter beraten, nachdem der Entwurf zur neuerlichen Beratung in den Innenausschuss zurück überwiesen worden war.

Regierungen wollen Angst vor „ausländischen Kämpfern“ nutzen

Trotzdem wollen die Regierungen der Mitgliedstaaten jetzt einen neuen Versuch starten und die Angst vor „ausländischen Kämpfern“ nutzen, um das EU-Parlament doch zum Abschluss des Abkommens zu bewegen. „Arbeiten“ hierzu sollten noch vor Jahresende abgeschlossen werden. Die Regierungen des Rates der Europäischen Union üben nun Druck auf die EU-Abgeordneten aus den 28 Mitgliedstaaten aus.

Die Einrichtung von Fluggastdatenbanken wird unter anderem in der Resolution 2178 gefordert, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im September beschlossen hatte. In dem Text wird eine „akute und zunehmende Bedrohung, die von ausländischen terroristischen Kämpfern ausgeht“ beargwöhnt. Die UN-Resolution und die darin enthaltenen Forderungen waren zuvor bei Treffen der EU-Kommission und einigen Mitgliedstaaten (darunter auch Deutschland) mit dem US-Heimatschutzministerium erörtert worden.

Die Bundesregierung hatte sich in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage ebenfalls für die neue PNR-Datenbank stark gemacht:

Wenn sich aus anderen operativen Maßnahmen (etwa Durchsuchungen oder Quellenhinweisen) Erkenntnisse und Hinweise ergeben, könnte die retroaktive Analyse der PNR-Daten und Reisebewegungen dieser Personen weitere hilfreiche Ermittlungsansätze liefern und z.B. bisher unbekannte Verbindungen zwischen Personen verdeutlichen.

Auch ohne PNR-Abkommen werden Fluggastdaten getauscht

Die Daten sollen nach dem gegenwärtigem Entwurf für mindestens fünf Jahre gespeichert werden, innereuropäische Flüge wären zunächst ausgenommen. Angeblich wolle sich das Bundesinnenministerium sich für eine Verkürzung der Speicherdauer stark machen. Dabei handelt es sich wohl um eine Nebelkerze, um Kritik an dem Abkommen verstummen zu lassen. Denn auch auf mehrfache Nachfragen in der Bundespressekonferenz konnten die zuständigen Staatssekretäre nicht mitteilen, welchen Vorschlag die Bundesregierung hierfür machen will:

Wir sind nicht nur bereit, diese Speicherfristen von fünf Jahren auf eine kürzere Dauer herunterzusetzen, sondern wir werden uns auch aktiv dafür einsetzen. Wie viel und was dabei herauskommt, dazu will ich jetzt hier in der Regierungspressekonferenz keine Forderung aufstellen. Das wird man im Rahmen der Verhandlungen mit den bekanntermaßen zahlreichen Akteuren sehen müssen, wenn es um die Verabschiedung eines EU-Rechtsaktes geht.

Auch ohne PNR-Abkommen werden von den meisten EU-Mitgliedstaaten vor Abflügen Fluggastdaten weitergegeben. Es handelt sich dabei um die sogenannten erweiterten Fluggastdaten (Advanced Passenger Information, API). Hierzu gehören alle Daten des genutzten Reisedokuments sowie Daten zum Verkehrsmittel (Flugnummer und Airline, Abflug- und Zielort). Diese werden gewöhnlich nur bei interkontinentalen Flügen verarbeitet.

Morgen Debatte im Innenausschuss des EU-Parlaments

Nun wird geprüft, ob die API-Daten auch bei Flügen innerhalb der EU genutzt werden könnten. Sie könnten das EU-PNR-Abkommen insofern ergänzen, als dass der Datentausch bei innereuropäischen Flügen dann nicht mehr freiwillig wäre. Entsprechende Prüfungen werden nun vom Netzwerk der Flughafenpolizeien AIRPOL vorgenommen.

Inmitten der Auseinandersetzungen um den Ausstieg Großbritanniens aus zahlreichen EU-Abkommen im Bereich Innen- und Justizpolitik hat die britische Regierung nun angekündigt, auf der Übermittlung von API-Daten zu bestehen. Zahlreiche europäische Airlines würden dem bereits nachkommen, deutsche jedoch nicht. Daher drohen beispielsweise der Lufthansa Landeverbote.

Allem Anschein nach handelt es sich bei der britischen Drohung aber eher um den Versuch, die Auseinandersetzung um mehr Fluggastdaten zu befördern. Denn gleichzeitig sitzt die britische Regierung einer EU-Arbeitsgruppe vor, die den API-Austausch für alle EU-Mitgliedstaaten vorbereiten und regeln soll.

Morgen wird die PNR-Fluggastdatenspeicherung im Innenausschuss des EU-Parlaments beraten. Die Debatte kann ab 11.30 live verfolgt werden.

2 Ergänzungen

  1. liebe Politiker, für wie blöd haltet ihr eigentlich Terroristen und deren Umfeld? Es geht schon lange nicht mehr um Terrorbekämpfung, sondern um die totale Überwachung der Massen! Für den Fall eines, sagen wir mal, begründeten Verdachts, (richterliche Verfügung) würde ich die Anwendung aller verfügbaren technischen Mittel befürworten. Nicht aber die , wie schon seit Jahren praktiziert, die massenhaft unbegründete Speicherung von Daten. Wer garantiert die totale Löschung nach dem „Verfallsdatum“? Und wo sind die Daten nicht doch noch gespeichert. Kann z.B. die EU sagen, was mit den übermittelten Daten in den USA passiert, werden diese rechtskonform „total“ gelöscht? Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Jahrhundert die Problematik der Datenspeicherung nicht mehr, auch nur ansatzweise, in den Griff bekommen. Nur gut, das auch Speichermedien bestimmten Halbwertzeiten unterliegen. Bei CD’s geht man von 10 Jahren aus.

  2. @Jo

    Nur mal langsam, die machen doch auch nur ihren Job und versuchen sich selbst vollzuversorgen. Ich erwarte in der Politik kein intelligentes Leben, welches sich vorausschauend um die weitere Entwicklung von solchen Entscheidungen kümmert. Nur ist es diesmal anders und sie haben es nicht erkannt, ihre Freunde, Bekannten und Familien und sie selbst sind davon betroffen.
    Das ist ja das Geile daran. Sie sind eher ein Ziel der Geheimdienste oder sonstigen Bösewichten die gerne solche Daten manipulieren. Der Computer hat immer recht ;-)

    Ich freue mich schon auf Pressmeldungen wie: Herr X (Politiker) saß neben einer 20 Jährigen und griff ihr unter den Rock. Ein Skandal der sich mit den Reisedaten ja bestättigen läßt. Ein Verhältnis? Eine politische Intrige. Und nun geht das Suchen nach weiteren Beweisen los. Upps, da gibt es Bilder von den Mautstationen. Etwas unscharf aber egal, man sieht aber es sitzt eine Frau daneben.
    Und es ist nicht die Ehefrau. Konnte man anhand ihrer PNR ermittelt werden, die der Presse zugespielt wurden. Sie war zu dem Zeitpunkt in der USA. Anhand der Handy Metadaten kann man dann anschließend seine Bewegungsdaten aus den letzten 3 Jahren auswerten.
    Und so langsam beginnt die Treibjagd. Danach Ehefrau sieht rot und packt aus. Haha

    Dabei wollte er vielleicht nur ein wenig Spaß haben. Dummgelaufen. Der Staat vergißt nichts. ;-)

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