Die Anerkennungen für Edward Snowden aus der Gesellschaft mehren sich beständig. Der zweite Platz (hinter Papst Franziskus) als „Person of the Year“ beim TIME-Magazine, Nominierungen für den Friedensnobelpreis, Vorschläge zur Umbenennung von Straßen und die Ernennung zum Rektor der Universität Glasgow. Gestern fand eine weitere Würdigung aus der akademischen Welt statt.
Die Universität Rostock will Snowden zum Ehrendoktor machen. Das entschied gestern der Fakultätsrat der philosophischen Fakultät mit einer notwendigen Zweidrittelmehrheit. Damit wird ein Verfahren eröffnet, das der Fakultätsrat im Mai noch einmal bestätigen muss. Der Entscheidung muss anschließend von Rektor und Universitätssenat zugestimmt werden, was die Ratsmitglieder jedoch als gegeben sehen. Bevor man die Ehrung offiziell verleihe, wolle man außerdem noch Kontakt zu Snowden herstellen und nachfragen, ob dieser mit der Auszeichnung einverstanden sein.
Bei der Abstimmung, die gestern stattfand, ging es darum zu klären, ob die Enthüllungen Snowdens von wissenschaftlicher Relevanz seien. Gutachten dazu wurden unter anderem von Noam Chomsky, Ulrich Beck, und Thilo Weichert geliefert. Man schien sich weitestgehend einig zu sein, Snowdens Enthüllungen hätten großen Einfluss auf die Demokratie und die Zivilgesellschaft. Harald Müller, weiterer Gutachter und Politikwissenschaftler, lobte in seiner Analyse:
Mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde würde die Universität Rostock ein Zeichen setzen […] Edward Snowden hat sich um die Wissenschaft verdient gemacht, indem er ihr eine Fülle forschungsrelevanter Daten zur Verfügung gestellt hat, die Bearbeitung neuer oder erweiterter Fragestellungen in mehreren Disziplinen ermöglicht hat und ihr die Grundlage für eine neue Standortbestimmung gegeben hat.
Doch die Ehrendoktorwürde ist kein reiner Akt selbstloser Anerkennung und hätte nicht nur den Effekt, Snowden für seine Dienste zu danken. Sie brächte auch der Universität Rostock Aufmerksamkeit. An der Universität im Norden gingen die Studienanfängerzahlen nach den letzten Zahlen aus dem Wintersemester 2012/13 gegenüber dem Vorjahr um beinahe 10% zurück und positive mediale Aufmerksamkeit würde einem Entgegenwirken dieses Negativtrends nach einem Hoch durch Doppeljahrgänge durch Abschaffung der Wehrpflicht und Ablösung der 13-jähringen Abiturjahrgänge sicher entgegenwirken.
Doch medialer Effekt hin oder her: Das Setzen eines Zeichens gegen ausufernde Überwachung durch Geheimdienste könnte an der philosophischen Fakultät Rostocks nicht besser angesiedelt sein, denn diese ist in einem ehemaligen Stasi-Gebäude untergebracht und setzt Schwerpunkte in der Erforschung von Auswirkungen von Überwachung und Totalitarismus. Deshalb ist der Fakultät zu diesem Signal zu gratulieren, mit der Gratulation Snowdens muss ja noch bis zur finalen Abstimmung gewartet werden.
Nur eine kurze Info (also der Kommentar darf gerne gelöscht werden): Der Link zur Person of the Year der Times ist nicht richtig eingetragen.