In den letzten Wochen häufen sich bei mir wieder die Interviewanfragen zum Thema Autorenschwund in der Wikipedia (z.B. hier bei detektor.fm). Seit 2007 geht die Zahl der aktiven WikipedianerInnen langsam aber stetig zurück. Ungefähr seit damals werden auch immer dieselben beiden Fragen gestellt: Was ist der Grund für den Rückgang? Was ließe sich dagegen unternehmen?
Zu den meistgenannten Gründen zählen eine wenig herzliche Willkommenskultur, die steigende Zahl an Regeln sowie technische Hürden. Zu den bislang ergriffenen Gegenmaßnahmen zählen die Einrichtung von „Teahouses“ für einen freundlichen Einstieg samt Einführung in die wichtigsten Regeln sowie die seit Jahren andauernde Entwicklung eines WYSIWYG-Editors. Soweit, so bekannt (siehe auch „Wikipedia: Grenzenlose Exklusion?“).
Eine Frage des Journalisten Johannes Fischer in einem Hintergrundgespräch hat mich jetzt aber noch einmal über eine Sache neu nachdenken lassen, die zwar vielleicht nicht für den AutorInnenschwund selbst, sehr wohl aber für dessen schleppende Bekämpfung mitverantwortlich ist: die Kluft zwischen der Community von Wikipedia-AutorInnen auf der einen und der Wikimedia Foundation bzw. nationalen Wikimedia-Vereinen („Chapters“) auf der anderen Seite. Denn die Frage von Johannes Fischer war eigentlich naheliegend: Wenn die Wikipedia ein Problem mit der Community-Kultur hat, warum werden dann nicht einfach ein paar Community-Manager eingestellt?
Spendengelder für Community-Manager?
Die Frage ist umso berechtigter, weil das Geld dafür da wäre. Die Wikimedia Foundation eilt von einem Spendenrekord zum nächsten. Aktuell sitzt die Wikimedia Foundation auf Barreserven von 55,3 Millionen US-Dollar (vgl. FAQs zum Financial Statement). Das ist viel mehr als für den technischen Betrieb der Wikipedia erforderlich ist. Die Wikimedia Foundation und die mit ihr über Verträge verbundenen Wikimedia-Vereine sind in der eigentlich beneidenswerten Situation, den größten Teil ihrer Spendengelder relativ frei einsetzen zu können.
Dennoch ist es nicht wahrscheinlich, dass auch nur ein Teil der Spendengelder in naher Zukunft für Community-Manager ausgegeben wird. Der Grund dafür ist, dass sich Wikimedia Foundation und Vereine bewusst und vollständig aus der Erstellung der Wikipedia-Inhalte heraushalten. Die vielgescholtenen Relevanzkriterien, an denen gerade motivierte Neulinge mit ihren Beitragsvorschlägen zu scheitern pflegen, werden unabhängig von Foundation und Vereinen durch „die Community“ entwickelt. Das letzte Wort bei den berüchtigten Löschdiskussionen haben folgerichtig auch keine Wikimedia-Funktionäre oder -Angestellte sondern von der Community gewählte AdministratorInnen. Überhaupt ist die mehrstufige Wikipedia-Bürokratie unabhängig von der Stiftungs- und Vereinsbürokratie der Wikimedia. (Umgekehrt gilt das nicht ganz, so werden zwei drei Mitglieder im Vorstand der Wikimedia Foundation durch die Community gewählt).
Die Ursachen für diese strikte Trennung sind historischer Natur. Die Wikimedia Foundation wurde gegründet, um die Unabhängigkeit der Wikipedia sicherzustellen und weiteren Abspaltungen, wie jener der Enciclopedia Libre Universal en Español im Jahr 2002, vorzubeugen. Die freie Lizenz, unter denen die Wikipedia-Inhalte stehen, macht solche Abspaltungen prinzipiell möglich. Die weitreichende Autonomie der ehrenamtlichen Wikipedia-Community fußt schließlich auch darin, dass sie es ist, die sämtliche Inhalte bereitstellt sowie die laufende Qualitätskontrolle betreibt. Und in den ersten Jahren war das Modell der Selbststeuerung auch eine Erfolgsgeschichte – zumindest was das absolute Wachstum an Beitragenden und Artikeln betrifft. Allerdings war auch in dieser Phase das Wachstum kein ausgewogenes, fanden beispielsweise nur wenige Frauen den Weg in die Wikipedia-Community.
Schattenseiten der Selbststeuerung
Mittlerweile lassen sich die Schattenseiten des Selbststeuerungsmodells aber immer weniger ignorieren. Das immer komplexere Regelwerk, das sich unter Beteiligung der Community über die Jahre herausgebildet hat, erschwert den Einstieg für potentielle Neulinge. Selbiges gilt für den bisweilen rauen Umgangston, der besonders Frauen von der Mitarbeit abschreckt. Die Einführung von durch die Wikimedia Foundation bezahlten Community-ManagerInnen ist aber dennoch kein Thema. Jede Einmischung der Wikimedia in die Erstellung der Wikipedia-Inhalte sowie Bezahlung sind Tabus.
Wenn in großen Wikimedia-Vereinen Menschen beschäftigt werden, die für Community-Angelegenheiten zuständig sind (vgl. z.B. das „Team Communitys“ von Wikimedia Deutschland), dann ist deren Rolle bzw. sind deren Befugnisse nicht mit bezahlten Community-Managern in anderen Online-Foren vergleichbar. Sie haben keine Sonderrechte was die Kuratierung von Wikipedia-Inhalten betrifft – eher im Gegenteil, als Wikimedia-Angestellte stehen sie mit ihren Wikipedia-bezogenen Tätigkeiten unter besonderer Beobachtung durch die Community. Es ist deshalb auch üblich, dass sich WikipedianerInnen, die einen Job bei Wikimedia antreten, einen Zweitaccount zulegen, um diese Trennung auch klar und transparent zu machen.
Überhaupt ist das Verhältnis zwischen Community und Verein von wechselseitigem Misstrauen geprägt. Bei den jährlichen Wikimania-Konferenzen ist das gespannte Verhältnis zwischen Wikimedia Vereinen und Wikipedia-Community regelmäßig Thema, wie eine Liste von gegenseitigen Vorurteilen präsentiert bei der Wikimania 2010 in Gdansk illustriert (meine Übersetzung):
Was Wikimedia über die Community denkt:
- „Sie schätzen unseren Einsatz nicht.“
- „Sie sitzen zu Hause in ihren Pyjamas und schreiben doofe Artikel.“
- „Sie missverstehen die ewige Weisheit der Wikimedia Foundation und kennen wichtige Leute nicht.“
Was die Community über Wikimedia denkt:
- „Ein Haufen sich selbst zu wichtig nehmender Arschlöcher, die Regierungsjobs haben möchten.“
- „Das letzte Mal, dass die Wikipedia editiert haben, war im Frühjahr 2006.“
- „Sie haben nichts besseres zu tun.“
- „Sie wollen auf der Welt herumfliegen und Cocktails schlürfen.“
- „Sie nehmen Anweisungen von verschiedensten Leuten mit ausländischen Namen entgegen.“
- „Wofür brauchen wir dieses verdammte Ding eigentlich?“
Parallelstrukturen überdenken?
Der Konflikt zwischen Community und Wikimedia ist dabei in den Parallelstrukturen angelegt. Wer in der Wikipedia etwas zu sagen hat, muss deshalb in der Wikimedia noch lange keine Rolle spielen und vice-versa. Während die Community die Inhalte erstellt, sammelt Wikimedia die Spendenmillionen. Über die Verwendung der Mittel entscheidet zwar formal ein von der Community beschicktes „Funds Dissemination Committee“ (FDC), in der Realität sind es aber vor allem die Foundation und die Wikimedia-Vereine über ihre Finanzpläne.
Ob diese Parallelstrukturen aber überhaupt noch in dieser Form zeitgemäß sind, ist mehr als zweifelhaft. Vor Gründung der Wikimedia Foundation, als die Server und die Rechte an der Marke „Wikipedia“ noch Eigentum von Jimmy Wales‘ Firma bomis.com waren, war die Trennung sicher ein großer Vorteil. Je stärker aber der Einfluss der Wikipedia-Community auf die Führung der Wikimedia Foundation ist, umso weniger gerechtfertigt scheint die hermetische Trennung der beiden Sphären. Warum sollte es nicht in den größeren Sprachversionen zumindest ein paar Vollzeit-AdmininstratorInnen geben, zu deren Kernaufgaben auch Community-Management gehört? Vom Prinzip, kein Geld für das Schreiben von Artikeln zu bezahlen, müsste dafür nicht abgewichen werden. Und gleichzeitig würde auf diese Weise das Spendengeld auch unmittelbarer in die Wikipedia zurückfließen, als das derzeit der Fall ist.
Denn der bisherige Mitteleinsatz hat jedenfalls keine sichtbare Verbesserung der Situation gebracht. Obwohl die Bekämpfung des AutorInnenschwunds seit Jahren offiziell oberste Priorität hat, haben die bisherigen Wikimedia-Aktivitäten an diesem Trend nichts geändert. Die Kluft zwischen Wikimedia und Wikpedia-Community ist dafür zumindest mitverantwortlich. Vielleicht ist es an der Zeit, die strikte Trennung zu überdenken und den bestehenden Graben zu überbrücken – und zwar von beiden Seiten aus: Mehr Mitbestimmung für die Community in der Wikimedia und im Gegenzug echte Community-ManagerInnen, bezahlt aus Spendengeldern.
Ah, verstehe. Die Community muss halt nur besser communited werden… Hab ich nicht mal was gelesen, dass ziemlich viele Autoren pisst waren, als Ihr Autorenrecht der Nennung einfach mal gestrichen worden ist ?Und vielleicht könnte auch ein Grund sein, dass der Gedanke, dass da niemand etwas daran verdient zwar für die Autoren gilt, aber nicht für die nachgelagerte Verwertungskette? Viellicht sind die Menschen, die auch Autoren sein könnten, schlicht und einfach nicht mehr davon überzeugt, dass die Sache allen dient, sondern sehen sich als kostenlose Contentlieferanten, mit deren Inhalte andere Geld verdienen. Ggf. wären das Punkte, die man in der Community diskutieren könnte, um die Wertschöpfung zukünftig in die Breite zu legen. Dann hätten viele was davon, die viel Energie reinstecken, und weniger die üblichen Profiteure „freien Teilens“.
Ich fürchte, nicht die mögliche Kluft zwischen Wikipedia und Wikimedia verursacht den Autorenschwund, sondern ein schleichender Prozess der „Verblödung“ der Information. Im Grunde ist es das gleiche wie bei der zwischenzeitlich gestorbenen PPD.
Die Wikipedia, die Diversität und die Lüge beschreibt die Lage etwas dramatisierend, aber im Grunde treffend.
Noch ein Paar links, damit es nicht der Einzige bleibt:
Manchmal ist es schön,wenn man einfach Konsequenzen ziehen kann.
Storming Wikipedia
Wenn einige Administratoren fürs Administrieren bezahlt werden – womit rechtfertigt man dann, dass alle anderen nicht bezahlt werden? Womit motiviert man diese (in der deutschen Wikipedia etwa 300) anderen Administratoren?
In vielen Foren und Online-Communities gibt es ein Nebeneinander von bezahlten und unbezahlten Admins.
Zu den Details verweise ich auch auf eine diesbezügliche Diskussion mit Torsten Kleinz.
Illusorisch. Bezahlte Administratoren würden wohl schlichtweg nicht gewählt werden. Oder sollte ich dann per Mail beim Kandidaten anfragen, wieviel ihm meine Stimme wert ist?
Naja, das ist ein normaler, sozialversicherungspflichtiger Adminjob, vermutlich eher unterhalb des Branchendurchschnitts bezahlt. Da jetzt Ämterkauf zu wittern ist ein wenig Aluhut, oder?
Entschuldigung, Herr Dobusch, aber wenn ich sowas lese wie „Je stärker aber der Einfluss der Wikipedia-Community auf die Führung der Wikimedia Foundation ist, umso weniger gerechtfertigt scheint die hermetische Trennung der beiden Sphären.“ muß ich zweifeln. Die Wikimedia-Community hat so gar keinen Einfluss auf die Wikimedia Foundation. Meine Erfahrung ist das absolute Gegenteil. In San Franciscro tut man manchmal so als ob – man muß ja rechtfertigen, daß man einen fetten Apparat hat der wenig leistet, der von Spenden finanziert wird, die die Autoren erschreiben. Die WMF spuckt auf uns Autoren. Wichtig sind nur drei Gruppen: weibliche Neuautoren, Autoren (möglichst neu) aus dem sogenannten „Global South“, möglichst in noch nicht oder kaum ausgebildeten Schriftsprachen (völlig ignorierend, daß selbst in Ländern wie Griechenland die Mehrheit der Autoren in der englischen Wikipedia mitarbeitet) und drittens US-amerikanische Mitarbeiter der englischsprachigen Wikipedia. Alle Anderen sind egal. Frau Gardner trat an, das Arbeitsklima zu verbessern – schnell merkte sie, daß das nicht klappte, da suchte sie sich eben neue Spielfelder. Den „Gender Gap“ – der interessanterweise immer sexistisch mit Modeartikeln und ähnlichen begründet wird, und eben dem „Global South“. Letzteres wäre an sich OK, wenn es nicht mit einer Geringschätzung für uns Autoren in der „Alten Welt“ einhergehen würde. Wir sind drittklassigen Schreiberpack, das zwar den allergrößten Teil der Spenden erschreibt, der darüber hinaus aber gefälligst die Schnauze halten sollte.
Auch sonst beten sie leider immer wieder dieselben unsinnigen Punkte herunter, die angeblich Schuld am Rückgang der Autoren sein soll (ein Blick auf die Statistik lässt im übrigen diesen Rückgang wirklich auffällig nur in der englischsprachigen Wikipedia erkennen, was nun kein Wunder ist, denn anders als so mancher gescheiterter Troll in aller möglichen und unmöglichen Heise-Diskussion behauptet ist die englischsprachige Wikipedia kein Herd der Demokratie und Offenheit. Sie wird von nur wenigen Personen regelrecht regiert, die dabei schon fast Narrenfreiheit haben – anders als etwa in der deutschsprachigen Wikipedia, wo die Kontrollinstanzen funktionieren – auch wenn das nicht immer jeder akzeptieren mag. Und der inhaltliche Schwerpunkt liegt da eben nur auf der Popkultur – dafür löscht man da eben mal in Randsportarten viel eher oder in wissenschaftlichen Themen).
Es gibt keine belastbaren Studien zu der Frage, warum es weniger Autoren werden. Spekulieren kann man viel – sollte es aber auch deutlich als Spekulation benennen. Mein Eindruck ist eher, daß es rein inhaltlich nicht mehr so einfach ist. Viele Bereiche sind vorhanden. Die Artikel oft recht gut. Es braucht heute schon spezielleres Können und Fachwissen, um in vielen Bereichen mitarbeiten zu können. Zumal – wer konnte glauben, daß das Wachstum immer so weiter geht? Man wird nicht mal eben so Wikipedia-Autor. Wer das ernsthaft macht, der so viel gescholtene „harte Kern“ ist dazu quasi „berufen“. Wir opfern unsere Zeit, unsere Energie, unser Geld. Und dafür müssen wir uns andauernd anhören, wie doof wir doch sind und was Besserwisser doch alles besser wissen, was wir doch anders machen sollen. Ich sage es seit zig Jahren – wer Wikipedia ändern will soll anfangen mitzuarbeiten. Das geht nur von Innen. Nur dadurch, daß man selbst tut.
Warum sollen eigentlich wir Autoren die Verantwortung dafür übernehmen, daß heute kaum noch Jemand woanders als in Wikipedia nachschlägt? Prügeln wir euch dazu? Wir sind nicht für die Unzulänglichkeiten von Schülern und Studenten verantwortlich. Mag sein, daß wir einfach zu erreichen sind – aber wo bei uns steht, daß wir das Ende der Suche sind? Hört endlich auf damit, uns die Verantwortung für die Bildung der Welt aufzubürden und uns zudem noch daran zu messen! Wir haben das nie so gewollt. Wir schreiben an einem Lexikon. Und wer nicht daran mitschreibt hat überhaupt kein Recht auf eine Beschwerde. Wir werden nämlich nicht bezahlt. Und sollte die WMF meinen, sie könne irgendwelche Personen anstellen, die in die Wikipedia hinein agieren, gar regieren, bricht das System der Freiwilligen (!!!) ganz schnell zusammen. Denn wir opfern unser Bestes. Aber nicht, um uns rumschubsen zu lassen. Es gibt einen Grund, warum Jimbo Wales ausserhalb der englischsprachigen Wikipedia kaum für voll genommen wird. Wer nichts beiträgt, kann viel reden.
Lieber Herr Cyron, wie schon bei früheren Kommentaren verstehe ich nicht, warum Sie sich so persönlich angegriffen fühlen. Kurz zu den Punkten im Einzelnen:
– ich sehe die Rolle der Foundation durchaus kritisch (vgl. auf diesem Blog z.B. hier und hier)
– gerade weil ich die Einschätzung teile, dass die Community (zu) wenig Einfluss auf die Foundation hat, fordere ich im letzten Satz meines Beitrags „[m]ehr Mitbestimmung für die Community in der Wikimedia“; das ändert nichts daran, dass seit Gründung der Wikipedia die Mitbestimmung der Community in den formalen Entscheidungsprozessen von gar nicht (bomis.com) auf starke Repräsentanz im Vorstand (Wikimedia) gestiegen ist.
– ich habe den Gender-Gap noch nie sexistisch unter Verweis auf fehlende Mode-Artikel kritisiert; aber selbst wenn: ein Gender-Bias ist ein Gender-Bias ist ein Gender-Bias. Und kein NPOV.
– wenn die Schilderung von der von einer kleinen Minderheit beherrschten englischen Wikipedia zutrifft, dann ist das ein Argument mehr dafür, endlich tätig zu werden.
– die unherzliche Relevanzdiskussionen und Frustrationserlebnisse für Neulinge sind allerdings auch in der deutschen Wikipedia weit verbreitet.
– Ich behaupte nicht, dass der „harte Kern … doof“ ist. Nie. Nirgends.
– Ich spreche von „den meistgenannten Gründen“, sämtliche Erklärungen für den AutorInnenschwund sind Theorien. Und was die „belastbaren Studien“ betrifft, so spielen zumindest in der offiziellen Editor Survey „unpleasent interactions“ eine große Rolle.
Abgesehen davon gilt, und hier wiederhole ich mich, dass Wikipedia als Wissensquelle mittlerweile so wichtig ist, dass die Frage nach Bias und Exklusion von gesellschaftlicher Relevanz ist; der Punkt, dass Freiwillige die Wikipedia erstellen, hat damit nur insoweit zu tun, als es das schwieriger macht, daran etwas zu ändern.
Den angeblichen „Gender-Bias“ hab ich schon oft gehört, nur leider nie mit Belegen sondern immer so ins Allgemeine rein, vielleicht mal einen konkreten Link in die Wikipedia dazu?!
Die seriöseste Schätzung zum Umfang des Gender-Bias ist ein Paper von Hill & Shaw mit dem Titel „The Wikipedia Gender Gap Revisited: Characterizing Survey Response Bias with Propensity Score Estimation„.
Inwieweit sich das quantitative Ungleichgewicht auch in inhaltlicher Hinsicht auswirken kann, dazu ein Hinweis auf Sue Gardners Blogpost zur Kontroverse rund um Chelsea Manning.
Außerdem interessant, die „Women and Wikimedia Survey“ aus dem Jahr 2011.
Marcus: Er versteht es nicht – kann es auch nciht verstehen, denn dafür müsste er im System sein und nicht nur Beobachter von aussen. Ein Blick von draussen mit wenig Kenntnissen von drinnen – und resultierend in „Wenn ihr macht, was ich sage, wird alles prima“
…. hatten wir das nicht schon hundertfach? Leute, die meinen zu „wissen“, wie’s besser zu laufen hat, sind nur leider in der Regel auch Leute, die niemals etwas machen. Ich kann mich an so viele Propheten erinnern, die alle wussten, wie die perfekte Wikipedia aussieht und wie man alle Problem auf dem Weg dahin lösst – von Lanier, über Uli Fuchs bis skyclad. Und wer ist geblieben: Wir doofen Autoren, die täglich ein paar Stunden in den Aufbau einer freien Enzyklopädie stecken und uns dafür stetig anhören müssen, wie scheiße wir sind. Face it, daran wird sich ncihts ändern.
Und dieser Vorschlag: bezahlte Admins, von Wikimedia eingesetzt, die sich dann Community-Manager nennen dürfen und die Autoren dann offiziell rumschupsen? …
Ich habe den Eindruck Kollege Dobusch versucht ja wenigstens zu verstehen – auch wenn es einfach aus den von dir genannten Gründen nicht klappt – nicht klappen kann. Ich sehe da nichts Böses – kann aber deinen Frust verstehen – meiner ist ja auch deutlich. Aus denselben Gründen. Der Aussenblick erscheint neutral – doch gerade als Wikipedia-Autor lernt man, wie absurd die Vorstellung einer Neutralität ist. Also, Herr Dobusch – machen sie einfach mal mit. Macht weitaus mehr Spaß, als immer wieder behauptet wird. Und ist im Allgemeinen recht Konfliktfrei. Was sie aber verstehen müssen ist, daß wir eben kein Diskussionsforum sind, kein Facebook oder Youtube. Wir machen das dort nicht einfach nur, weil wir eben Langeweile haben. Der Antrieb ist völlig anders als im Comicforum (wie es Thorsten Kleinz auch richtigerweise in der Google+-Diskussion schrieb). Ich wage mal einen Vergleich: Achim und ich reagieren nach bei mir neun, ihm sogar 10, 11 Jahren aktiver Mitarbeit gereizt, wenn der 1000e gute Rat von Aussen kommt. Sie wissen ja – gut gemeint und gut gemacht ist… – nunja, eben nicht unbedingt Dasselbe. Man muß wissen worüber man schreibt. Nun stellen sie sich als lehrender Akademiker vor: die Bundesregierung meint, sie könne in die Freiheit von Forschung und Lehre eingreifen und ihnen jetzt vorschreiben, was sie zu lehren und zu forschen haben. Denn die haben das analysiert und wissen es eben. Sie würden zurecht ungehalten reagieren.
Es geht gar nicht darum, daß sie keine Fehler benennen sollen. Machen sie das (die meisten Sachen kennen aktive Wikipedia-Autoren ohnehin). Nur gibt es einfach keine Patentlösung von Aussen. Es gibt überhaupt keine Patentlösung. Komplizierte Probleme werden versucht auf Simples herunter zu brechen. Das funktioniert aber weder bei der Eurorettung, noch bei Wikipedia oder der Herstellung des Weltfriedens.
Ad Innen- versus Außensicht: Natürlich versteht man manche Dinge als Außenstehender nicht. Umgekehrt sieht man manche Dinge als Insider nicht (mehr). In der Wikipedia findet sich ein schöner Artikel zum Thema „Groupthink„. Und ich beschäftige mich jetzt auch schon seit knapp 10 Jahren mit Wikipedia, über fünf Jahre davon intensiv als Forscher.
Ad Patentlösung: das sehe ich ganz genauso. Und wie ich bei Torsten Kleinz schrieb: „Mir geht es aber weniger um die genauen Details – da müsste man wohl experimentieren, Testphasen machen etc. – als vielmehr um die grundsätzliche Frage: will man so etwas mal diskutieren/ausprobieren oder bleibt das ein Tabu?“
Wir diskutieren in der Wikipedia doch jedes der von dir angesprochenen Probleme. Wir haben damit schon angefangen, bevor irgend jemand anderes es als Problem erkannt hat.
Nur finden wir keine allgemein akzeptierten Lösungen. Denn die Interessen und Positionen sind nicht vereinbar. Das ist auch logisch, denn wir können und wollen niemanden und keine Position ausschließen. Das macht Wikipeda verletzlich, aber es macht auch das Grundprinzip aus und ist einer der Pfeiler, die zugleich auch die Stärke des Projekts ausmachen.
Und der Hinweis auf Groupthink ist gleichermaßen beliebt wie blödsinnig. Denn in der Wikipedia gibt es ja gerade keinerlei Anreize, gruppenkonform zu denken.Sondern jeder Beteiligte kann – auch anonym – jeden Gedanken äußern. Es ist im Gegenteil vielmehr schwierig bis unmöglich, die vielen Positionen zu bündeln und umzusetzen.
Achim, Marcus, macht ihr das mit Absicht, um auch hier ein passendes Beispiel für die Diskussionskultur in der Wikipedia zu erzeugen? So ne Art unterschwelliges Trolling? Oder meint ihr das ernst? Ich raffs nicht.
Auch ich bin Teil dieses Ladens. Und Leonhard hat doch Recht: Die ganzen Anläufe, was an dem kritische Situation der Wikipedia zu ändern, sind doch bisher allesamt gescheitert. Weder hat die Community selbst etwas an sich ändert können, noch konnte die Foundation was bewirken. Und jetzt kommt hier jemand von außen und gibt mal ein paar konstruktive Anregungen, was man noch probieren könnte, und euch fällt nur ein rumzupöbeln?
Ich verbitte mir das!
Andere Meinungen haben und vertreten ist also „trolling“ – sind wir wieder mal soweit, ja?
Es geht nicht darum, dass du eine andere Meinung vertrittst. Es geht darum, WIE du sie vertrittst.
Mehr Mitbestimmung für die Community in der Wikimedia – das wird wohl nicht gehen, denn das Interesse an Mitwirkung in internationalen Angelegenheiten hielt sich bei den Wikipedianern schon immer sehr in Grenzen.
Wer Artikel schreiben möchte, mag sich meist nicht auch noch an der internationalen Selbstverwaltung beteiligen. Es ist zudem auch bei viel Interesse und gutem Willen schon ziemlich aufwendig, sich neben den Community-Diskussionen hierzuwiki auch an internationalen Aktivitäten auf anderen Plattformen (Meta, Commons, Wikimania…) zu beteiligen. Deshalb ist es unvermeidbar, daß sich auch hier eine Arbeitsteilung herausgebildet hat, die meist auf eine langjährige Mitarbeit in den entsprechenden Gremien und Vereinen hinauslief. Hier wird vielfach sehr spezielles Wissen benötigt, das nur wenige haben können.
Die organisatorischen Strukturen in der Wikimedia-Welt sind im Laufe der Jahre immer umfangreicher und komplexer geworden, es sind auch immer mehr Mittel zu bewegen, die Verantwortung wächst. Deshalb ist es schwer, kompetente neue Community-Mitglieder zu finden, die bereit wären, sich einzuarbeiten und die in der Lage wären, diese Tätigkeit auf Wikimedia-Englisch und, wohlgemerkt, ehrenamtlich zu erbringen. Community-Engagement ist sehr aufwendig.
Echte Community-Manager und -Managerinnen, bezahlt aus Spendengeldern – was sollten die aber tun?
Ich habe selbst ein Jahr lang im Schiedsgericht der deutschsprachigen Wikipedia mitgearbeitet und kann daher sagen: Es handelt sich um eine ganz klassische Community aus echten Netizens, wie man sie auch sonst immer schon im Netz vorgefunden hatte. Nach dem Niedergang des Usenet würde ich sagen, es ist die einzige wirklich lebendige Netzkultur, die es heute noch gibt. Wo die Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace noch nachwirkt, voller Individualismus, und wo ein starker Wille, sich nichts von außen hineinreden zu lassen, lebendig geblieben ist. Benutzer wählen ihre Admins selbst, die die in Abstimmungen selbst aufgestellten Regeln intern umsetzen. Die Wikimedia Foundation kümmert sich idealerweise um die Technik und darum, daß die Plattformen laufen, damit man sie benutzen kann. Die Inhalte sind frei zur Weiterverwendung. Vorbild war die Freie Software.
Jede Professionalisierung birgt auch die Gefahr in sich, diese Freiheit und damit die Glaubwürdigkeit zu verlieren. Eine Form der Professionalisierung etwa ist die Einflußnahme durch PR- und Werbe-Agenturen, die die Wikipedia zunehmend als eine Werbeplattform mißbrauchen. Dagegen kann man nur anarbeiten, indem man die Community stärkt, nicht indem man sie schwächt und indem man ihr gar Vorwürfe macht, sie müsse in einer bestimmten Weise – etwa geschlechtermäßig – zusammengesetzt sein. Wir müssen mit der Community leben, die wir haben, denn eine andere gibt es nicht. Wir haben keine zweite Community im Kofferraum, die man sich zurechtkneten oder backen könnte, wie man sie gern hätte.
Was uns meines Erachtens wirklich voranbringen könnte, wäre eine immer engere Zusammenarbeit der Community mit Wissenschaft, Kultur oder Schulen und eine verstärkte Ermunterung an qualifizierte Menschen, verstärkt Inhalte beizusteuern, um den Einfluß der Paid Editors zurückzudrängen, um die Geschäftemacher draußenzuhalten, um die Glaubwürdigkeit des Projekts sicherzustellen und um dafür zu sorgen, daß Wikipedia auch weiterhin als ein echtes Projekt von unten funktionieren kann. Hier liegt das eigentliche Problem, von dem zu handeln wäre.
Langsam, lb. Aschmidt, kann ich es mir ersparen, selbst Beiträge abzuliefern, so sehr gehe ich mit deinen konform..
Die Probleme in der Wikipedia sind vielfältig und sie lassen sich auch nicht durch bezahlte Community-Manager lösen. Solche Community-Manager brauchen um überhaupt wirksam agieren zu können, den nötigen Respekt und die nötige Autorität.
Inzwischen gibt es ja auch schon in der (deutschen) Wikipedia eine ganze Anzahl von Administratoren, die diesen Respekt und die Autorität nicht mehr haben. Die einzige Machtbasis dieser Personen sind ihre Lösch- und Sperrrechte. Um diese Rechte nicht zu verlieren, gehen sie dann meist vorsichtig vor, um sich nicht zu viele Gegner zu machen und in die Abwahlfalle zu rutschen. Ansonsten sind die meisten Admins untergetaucht und agieren nicht im Sinne der Autoren.
Das Problem der Relevanzkritierien ist keines. Die Relevanzkriterien sind Behaltenskriterien. Wenn also etwas nach den Kriterien nicht relevant ist, muss es noch lange nicht gelöscht werden. Aber wir haben Anzahl von Accounts die vehement ihnen nicht genehme Artikel bekämpfen. Unterstützt werden sie dabei von einigen wenigen Admins, die auch relevante Artikel regelwidrig löschen. Die Mehrzahl der anderen Autoren und Admins schauen weg. Niemand hat Lust sich mit solchen Admins anzulegen, denen die Regeln eh‘ schnurz sind. Da fängt man dann auch schon mal eine grundlose Sperre, weil eben der Admin seinen Gegner kaltstellen will.
Dieses Wegschauen und der Untertanengeist vieler Mitarbeiter ist inzwischen eine der Ursachen für den Autorenschwund. Warum soll ein Autor hier sich engagieren, wenn es hart auf hart kommt, von allen anderen Autoren mit denen er gut und freundschaftlich zusammengearbeitet hat, einfach im Regen stehen gelassen wird.
In der Wikipedia regiert inzwischen das Prinzip: „Kümmere dich um dich selbst, der andere gefährdet nur dein Überleben.“
zwischen ihrem letzten und ihrem ersten satz rieche ich einen eklatanten widerspruch.
genau solche probleme lassen sich mit guten community managerinnen angehen. hier nagel, da hammer.
.~.
Der von ihnen entdeckte Widerspruch lässt sich nicht mit Community-Managern lösen. Eine solche Lösung kann nur durch und in der Community selber entstehen. Natürlich kann der Verein versuchen so etwas anzuschieben, z. B. mit dem Anbieten von Mediatorenschulungen o. ä. Aber diese dann ausgebildeteten Mediatoren müssen 1. die Ressourcen (v. a. Zeit) haben um sich in der Wikipedia einzubringen (geht meist zu Lasten der Artikelarbeit) und 2. müssen sie als Mediatoren akzeptiert werden.
Die Administratoren in der Wikipedia verstehen sich jedoch nicht als Mediatoren sondern als Gericht und Polizei.
ach so.
man bräuchte also kompetente menschen, die zeit haben. die die aufgabe verstanden haben (mediation etc., gemeinschaftlichen prozessen auf die sprünge helfen) und genug zeit aufwenden können.
die müssten das sogar so gut machen, dass sie in der gemeinschaft akzeptiert werden. möglichst von vielen.
das ist für mich eine stellenbeschreibung für community manager. und nicht für administratoren.
.~.
Schweben sie gerade in einer theoretischen Wolke? Weil sie vielleicht – im Morgengrauen – so hübsch rosa gefärbt ist?
Liesel schreibt völlig richtig davon dass es keinen bezahlten Communitymanager geben kann. Dann sollten sie einmal dort dabei sein, wo von der Geschäftsstelle bezahlte, bezogen auf die Community aber selbsternannte, Communitymanager auftauchen.
Ein Satz und sie sind still. Und dieser Satz ist keineswegs unfreundlich und respektlos.
Und was bringt ein bezahlter Communitymanager der Community, wenn man ihn mit einem Satz stilllegen kann?
„Dieses Wegschauen und der Untertanengeist vieler Mitarbeiter ist inzwischen eine der Ursachen für den Autorenschwund.“
Es ist eher so, daß verschiedene Menschen verschiedene Dinge unterschiedlich wahr nehmen. Was für dich, Liesel, wichtig ist, muß schlicht für mich oder eine andere Person nicht wichtig sein. Und umgekehrt. Das ist keine Verschwörung – sondern normales Leben.
Genau, wenn die Mitarbeit in der Wikipedia nicht mehr als Zusammenarbeit funktioniert, sondern nur noch jeder für sich arbeitet, dann kann man nicht mehr von einem Gemeinschaftsprojekt reden. Dann ist Wikipedia am Ende nichts weiter als eine Plattform zum Einstellen von Texten. Eben nach dem Motto: „Wenn jeder an sich denkt, ist auch an jeden gedacht.“ Dann brauchen wir auch keine Debatten über eine bessere Diskussionskultur oder irgendwelche Unterstützungen für Autoren zu reden. Dann muss jeder selber sehen wie er kommt. Und wer dem rauen Klima in der Wikipedia nicht gewachsen ist, ist selber schuld. Auf solche Autoren muss man dann eben verzichten.
Ich glaube kaum, dass bezahlte Community-Manager irgendetwas Positives in der Wikipedia bewirken würden. Eher fürchte ich, dass dies uns vom Regen in die Traufe führen würde. Ich glaube kaum, dass die Community solche bezahlten Administratoren akzeptieren würde und denke, dass dies auch aus rechtlicher Sicht ein Risiko darstellen könnte.
Ich persönlich (mit einiger Vereinserfahrung außerhalb der Wikipedia) habe es noch nie erlebt, dass ein Nebeneinander von ehrenamtlichen und voll bezahlten Mitarbeitern harmonisch funktioniert, wenn diese das gleiche Tätigkeitsfeld haben. Jeder akzeptiert, dass es Vollzeitbeschäftigte gibt, die sich um die Systemadministration kümmern und die MediaWiki-Software weiterentwickeln. Das sind klar getrennte Felder zu den Aktivitäten eines normalen Wikipedianers. Wenn aber das gleiche Tätigkeitsprofil mal bezahlt und mal nicht bezahlt wird, trägt dies zur nachhaltigen Vergiftung des Klimas bei bzw. die Nichtbezahlten geben dann ggf. irgendwann auf. Wer die Wikipedia verfolgt, konnte dies u.a. auch recht gut beobachten bei den Auseinandersetzungen um das Community-Projekt-Budget. Auch wenn einige sehr schöne Projekte dabei waren, hat es aus meiner Sicht am Ende wegen des nachhaltig vergifteten Klimas mehr Schaden als Nutzen gebracht.
Ebenso gibt es eine sehr ausgeprägte wehrhafte Haltung der Community gegen vieles, das von „oben“, d.h. der WMF und WMDE kommt, wenn es nicht zuvor mit der Gemeinschaft abgestimmt ist. Zu den Beispielen dazu gehört die massive Ablehnung des WYSIWYG-Editors in mehreren Communities (zuerst in de-wp, etwas später in en-wp, mit jeweils überwältigenden Mehrheiten für ein Opt-In) oder, um dem Rollenbild des Community-Managers entgegenzukommen, das totale Scheitern von Jimmy Wales auf Commons, bei dem ihm anstößig erscheinenden Bildern aus einem damals aktuellen Anlass dringlichst „aufzuräumen“. Da er kein auf Commons gewählter Admin war, nutzte er damals sein Privileg des Founder-Flags, mit dem er sich selbst Adminrechte auf jedem Projekt geben konnte. Aufgrund der massiven Proteste wurde wenig später in Reaktion darauf das Founder-Flag abgeschafft.
Aus rechtlicher Sicht tut sich die WMF leichter, wenn sie und die WMF-Angestellten in dieser Funktion normalerweise nicht direkt eingreifen, da es von Vorteil ist, wenn die Inhalte erstellenden Mitarbeiter klar von der für das Projekt insgesamt juristisch verantwortlichen Betreiber getrennt sind. Auch Admins, die nur als Admins tätig sind, sind inhaltlich tätig, da sie mit Löschen oder Nichtlöschen oder dem Sperren eines Artikels auf eine „falsche“ Version unmittelbar in die Inhalte eingreifen.
Bisher ist die WMF nicht unmittelbar bei Urheberrechtsverletzungen oder anderen rechtlichen Verstößen verantwortlich, sondern muss ggf. nur reagieren, wenn sie darauf aufmerksam gemacht wird. Es dürfte sich schwierig überblicken lassen, wie sich diese rechtlichen Spielregeln verändern, wenn WMF-Mitarbeiter als Admins hier proaktiv tätig werden. Nebenbei bemerkt: Das zu bewältigende Volumen ist hier erheblich. Tag für Tag müssen beispielsweise auf Wikimedia Commons, dem Medienarchiv der Wikimedia-Projekte, über 2.000 Medien gelöscht werden, hauptsächlich als Urheberrechtsverletzungen. Dies geht nicht ohne erfahrene Admins und einer Community, die das unterstützend begleitet.
Die Willkommenskultur ist natürlich ein Problem. Aus meiner Sicht hat sich dieses verschärft durch zunehmende Versuche, Inhalte der Wikipedia zu manipulieren oder die Wikipedia als Werbe-Plattform zu nutzen. Das war früher anders, da die Wikipedia früher schlicht nicht die Bedeutung hatte, die ihr heute zukommt. Da kommen auch wohlmeinende Anfänger gelegentlich unter die Räder, wenn sie einen Weblink einfügen oder in einen sogenannten honey pot (einem sehr umkämpften Artikel) eingreifen. Hier kann Anfängern nur empfohlen werden, sich frühzeitig einen Mentor zu suchen, die hier unterstützend zur Seite stehen können.
Herzlichen Dank, Leonard. Was mir an die Geschichte auffällt ist warum in den letzten Jahren sowenig passiert ist. Diese Stagnation selbst ist ein Problem. Du zitierst etwas aus 2010. Wir haben damals das Critical Point of View Projekt gemacht mit drei grossen Veranstaltungen in Amsterdam, Bangalore und Leipzig und kamen damals schon, mit den unterschiedlichen Forscher aus der ganzen Welt zum selben Fazit. Natuerlich fand die Foundation das nicht lustig was wir gemacht haben und ignorierten uns. Wir wussten nicht wie weiter. In 2012 hat sich CPOV nicht weiter entwickelt. Wir konnten und wollten die Kritik nicht nochmals wiederholen… Jetzt sitzen viele vor dem screen und sagen… I told you so.
Ich glaube nicht, dass die WMF die Netzkritiker rund um CPOV „ignoriert“ hat. Es besteht eine gewisse Verunsicherung in San Francisco, es wird auch dort viel geforscht, die Foundation bezieht sich damit aber fast ausschließlich auf die englische Wikipedia und läßt die deutschsprachige außen vor. Erst in den neueren Arbeiten werden auch andere als die englische Sprachversion mit einbezogen. Richtig ist aber, daß die Netztheorie und Netzkritik bei Wikimedia wenig stattfinden. Kritische Selbstreflexion tut ganz allgemein in der Community und in den Wikimedia-Organisationen not.
CPOV ist gescheitert, weil die Wissenschaftler zum Teil einfach nicht seriös gearbeitet hatten und auch nicht im Ansatz verstanden haben wie Wikipedia funktioniert. Das ist nichts, das man am Reißbrett entwerfen kann. Das hat ganz eigene Dynamiken.
Marcus, Deine Meinung bleibt Dir unbenommen, aber die Beiträge aus CPOV, die ich gelesen bzw. auf Video gesehen habe, sind ziemlich gut. Es geht dabei um einen netztheoretischen und netzkritischen Ansatz, der in der WP-Community wenig gepflegt wird und der daher teilweise auf Unverständnis trifft. Das ändert aber an der Qualität der Beiträge nichts. Es ist auch nicht akzeptabel, wenn Du sagst, dabei sei nicht seriös gearbeitet worden.
Ich war dort. Ich habe etwa genau gehört, wie Peter Haber zu seinen Ergebnissen kam. Das war keine seriöse Wissenschaft.
Leonhard spricht einige gravierende Probleme an, ausgehend von der Diskussion um den „Mitmacherschwund“. Ich denke, dass Lösungsvorschläge noch mehr einer eingehenden Analyse des Phänomens bedürfen. Bekanntermaßen stieg die Beteiligung bis 2007 ziemlich stürmisch an, um danach mehr oder weniger stark zu sinken.
Einige Gedanken:
* Ein Rückgang der Beteiligung kann allein schon durch ein verändertes Bearbeitungsverhalten zu erklären sein. Erfahrene Wikipedianer machen weniger Bearbeitungsschritte und brauchen weniger Diskussionskilobyte, um das Gleiche zu leisten.
* Das Argument der Tiefhängenden Früchte, wie Marcus es eingebracht hat, ist sehr triftig. Vieles ist nun einmal schon geschrieben worden, die Wikipedia ist kein bloßes Projekt zur Erstellung einer Enzyklopädie mehr, sie ist bereits eine Enzyklopädie. Daher braucht man einerseits weniger Bearbeitungen, andererseits sehen Neulinge nur noch mit großer Mühe, wo sie sich noch einbringen können. (Das haben ich häufig in meinen Kursen gesehen.) Der Artikel „Konrad Adenauer“ ist nun einmal schon da, und wohl kaum jemand könnte noch etwas Sinnvolles aus seinem Hinterkopfwissen anbringen. 2014 ist nicht 2004.
* Die Frage mit den Regeln müsste man auch sehr differenziert behandeln. Grundsätzlich braucht ein Wiki Regeln; die Regeln rundum die Artikel über lebende Personen beispielsweise sind aus guten Gründen so ausführlich und streng geworden. Geht es um den Bedarf an expliziter Kodifizierung, oder um die Formulierung der Regeln? Scheitert die Beteiligung von Neulingen tatsächlich an der Existenz von Regeln? Wenn jemand einen Artikel über seine eigene kleine Firma schreibt, der gelöscht wird, dann schimpft er natürlich über die Regeln. Ich erlebe auch manchmal Neulinge, die überhaupt keine Lust haben, etwas über Regeln zu lernen. Dafür habe ich teilweise Verständnis, aber wenn ich mich z.B. mit einem Auto am Straßenverkehr beteiligen will, kann ich in der Fahrschule auch nicht sagen: Lasst mich mit der Theorie (den Verkehrsregeln) in Ruhe, ich will nur Praxis.
* Bei der sicherlich manchmal fragwürdigen Diskussionsweise in der Wikipedia (oder der „Arbeitsatmosphäre“) müsste man auch genauer hinschauen. Allgemein darf man wohl feststellen, dass das Hobby Wikipedia in erster Linie darin besteht, alleine vor dem Computer zu sitzen. Das könnte eine bestimmte Population anziehen, die anders mit Mitmenschen umgeht als andere Populationen. Ich erinnere mich nicht an Kursangebote der Wikimedia-Organisationen in Bezug auf Social Skills, aber habe es öfter erlebt, dass ein Verein etwas angeboten hat und dann kaum jemand Interesse hatte. ASchmidt wies auch sehr richtig darauf hin, dass die meisten Wikipedianer sich außerhalb ihres angestammten Wiki eher wenig engagieren – ist nunmal nicht ihr Hobby.
* Bei den Wikimedia-Organisationen könnte es eine bessere Schulung geben, in der die Funktionsweise der Wikipedia erklärt wird. Mitarbeiter ohne Wikipedia-Hintergrund und ohne eigenen Bezug zum Freien Wissen tun sich da oft schwer. (Ich habe eine Wikimedia-Mitarbeiterin erlebt, die allen Ernstes behauptet hat, die Wikipedia-Inhalte seien „frei an Rechten“ und könnten ohne Nachfragen kostenlos „einfach so genutzt“ werden.) Wenn dann noch die bekannte Aggressivität einiger Wikipedianer gegen alle Bezahlten hinzukommt, dann versuchen manche Mitarbeiter den Kontakt zur Community eher zu vermeiden. Umso mehr laufen die beiden Welten noch nicht einmal parallel, sondern drohen sich voneinander zu entfernen. Die Mitarbeiterschulung müsste also von den Organisatoren wesentlich ernster genommen werden. Das bedarf allerdings wieder eines längeren Atems, einige Probleme müssten überhaupt erst genauer identifiziert werden.
* Harel Cain, dessen sehr überspitzte Formulierungen hier im Beitrag etwas zu direkt übernommen wurden, zieht den richtigen Schluss: Auf beiden Seiten müsste es mehr Reflektion über sich und den Anderen geben. Die Forschung kann dabei helfen.
Vor kurzer Zei, las ich einen Artikel dazu bei Telepolis.
Ei Journalist im Selbstversuch bei Wikipedia:
http://www.heise.de/tp/artikel/41/41071/1.html
Wenn ein berufsbedingt schreibender schon kapituliert, kann man von einem einfachen Freiteitschreiber wohl nicht unbedingt Durchhaltvermögen erwarten.
Nicht alles was sich mit der Zeit modernisiert wird auch automatisch besser!
Möglicherweise sind die Wikipedianer ja selbst schuld am Schwund der Autoren!
Tschulligung,
sollte natürlich heißen:
1. Zeit
2. Ein Journalist
3. solte der Freiteitschreiber ausschließlich in seiner FreiZeit schreiben
Hast du dir auch mal die von Paul Schreyer durchgeführten Änderungen im Gesamtkontext des Artikels genau angeschaut? Die erste Ergänzung beispielsweise war nun mal einfach unpassend, am Thema vorbei und zudem stilistisch schwach.
Paul Schreyer vertritt öffentlich verschwörungstheoretische Standpunkte zu 9/11 (siehe z.B. http://www.911-facts.info). In diesem Wissen muss man auch seinen Artikel lesen. Aus meiner Sicht ist sein Artikel ein Beleg dafür, dass die Kontrollmechanismen an dieser Stelle sehr gut funktioniert haben.
Du liegst falsch. Schau dir die Diskussionsseite an.
Du beweist durch diesen Beitrag genau das, was hier und an anderen Orten auch kritisch diskutiert wird. Ein von Oben herab von Platzhirschen.
Wer meint, dass seine Position zu einem Thema die einzig richtige sein darf, hat die Grundidee von Wikipedia nicht verstanden. Und er hat auch nicht verstanden, dass Wikipedia nicht da ist, seine eigene Sicht der Welt darzustellen. sondern die unterschiedliche Sicht der Welt.
Wenn dem Leser selbst keine Rolle mehr zugestanden und ihm jegliche eigene Intelligenz abgesprochen wird, dann wird Wikipedia zu einem schlechten Projekt.
Larry Sangers Artikel über Wikipedia ist in diesem Zusammenhang interessant: http://larrysanger.org/2012/08/on-the-moral-bankruptcy-of-wikipedias-anonymous-administration/
P.S.: Larry Sanger ist einer der Mit-Gründer der Wikipedia.
Seit seinem Abgang ist er aber nur noch am schießen gegen Wikipedia – er ist nun das absolute Gegenteil von seriös und anders als Leonard Dobusch macht er sich keine Gedanken um das Projekt, um es zu verbessern – sondern einzig noch um es zu sabotieren. Sanger ist in seiner Eitelkeit gekränkt, weil der Pöbel nicht so wollte wie er. Man kann das Meiste von ihm schon so lange nicht mehr ernst nehmen.
Ernst würde ich Sanger schon nehmen wollen, aber soviel ist richtig: Er hatte immer (durchaus berechtigte) Vorbehalte gegen den Crowdsourcing-Ansatz und stand dem Projekt Wikipedia daher immer distanziert gegenüber. Allerdings nennt er Gründe für seine Position, und mit denen sollte man sich dann auch auseinandersetzen, statt persönlich zu werden.
Disclaimer: Ich bin festangestellter Mitarbeiter von Wikimedia Deutschland und interessiere mich naturgemäß für viele der hier aufgeworfenen Probleme, ohne allerdings über einen einfachen Lösungsansatz zu verfügen. Dieser Stein der Weisen muss noch ein wenig herumgerollt werden, fürchte ich. Am ehesten würde ich dazu neigen, dem Wikiversum ein wenig die Originalität zu nehmen und es stärker mit anderen ehrenamtllichen Strukturen in Beziehung zu setzen: Was für externe Faktoren können überhaupt eine Community erhalten, die sich vor allem aus intrinsischer, oft thematisch enggeführter Motivation speist? Wie stark wirken biografische Wegmarken wie Beruf, Arbeitslosigkeit, Familiengründung? Wie repräsentativ ist die Entwcklungsdynamik von Wikimedia, wo Geldmittel und die Bewertungsmaßstäbe von NGOs eine zunehmend größere Rolle spielen, aber viele Projektveteranen befremden? Gibt es gar einen natürlichen „life cycle“ von Freiwilligen-Projekten – offline wie online? etc.
Mir sei hier der kurze Hinweis in eigener Sache gestattet, dass wir in einer Berliner Veranstaltung am Donnerstag einige dieser Fragen sicher streifen werden – Leonhard sitzt übrigens mit auch auf dem Podium: https://wikimedia.de/wiki/Wikimedia-Salon_-_Das_ABC_des_Freien_Wissens (#wmdesalon)
Den biographischen Ansatz würde ich unterstützen. Sowohl das Projekt als ganzes als auch die Mitarbeiter durchlaufen biographische Phasen. Es gibt Projekte, die an ein Ende stoßen, es gibt Neuorientierung, es gibt Neuzugänge, es gibt auch Abwendung und Neuanfang woanders. Was bleibt, ist die Erfahrung, individuell und kollektiv. Und das ist allemal bei Wikipedia eine sehr wertvolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Und auch für die Gesellschaft als ganzes ist es etwas ganz Neues gewesen, daß man so etwas wie eine Enzyklopädie selbst erstellen kann. Selbstverwaltet. Trotz allem. Jahrelang.
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Und was ist das, wenn ein dicker grosser Elefant die Allmende abgrast, weil er Hunger hat?