Internationale Fernmeldeunion ITU: Google steigt mit eigener Kampagne in den Kampf um Internet Governance ein

Wie soll das Internet zukünftig reguliert werden? Diese grundsätzliche Frage wird nächsten Monat von der internationalen Fernmeldeunion ITU diskutiert. Jetzt steigt das Großunternehmen Google mit einer Kampagne in die Diskussion ein. Dabei haben sie inhaltlich recht – ein Geschmäckle bleibt trotzdem.

Bereits im Juni berichteten wir über die Internationale Fernmeldeunion und die Weltkonferenz zur internationalen Telekommunikation: War das offene Internet noch nie so bedroht wie heute? Autoritäre Staaten wollen das Internet von der UNO regulieren lassen und nationale Kontrolle ausüben können. Das ist falsch und gefährlich. Dennoch haben Entwicklungs- und Schwellenländer ein berechtigtes Kernanliegen: die dominante Rolle der USA ist ebenfalls nicht in Ordnung.

Zwei Wochen vor dem Treffen in Dubai hat jetzt Google eine Kampagne gestartet: google.com/TakeAction, auch auf deutsch:

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Auf einer Seite wird der Konflikt um die herunter gebrochen und einfach erklärt. Tatsächlich haben sie mit diesem Ausspruch recht:

Eine freie und offene Welt braucht ein freies und offenes Internet. Staatliche Behörden sollten nicht alleine über die Zukunft des Internets bestimmen.
Die unzähligen Internetnutzer auf der ganzen Welt und die Experten, die das Internet ausbauen und weiterentwickeln, sollten MIT einbezogen werden.

Das kann man als Petition unterschreiben („wird … eventuell veröffentlicht“) und in einen Newsletter eintragen. Professionelle Kampagnenarbeit, sieht schick aus.

Das Problem ist jedoch nicht nur, dass Google als Weltkonzern natürlich zu allererst die eigenen Interessen vertritt. Auf den ersten Blick scheinen das auch die Interessen der Menschen und Nutzer/innen zu sein. Als dominantes Wirtschaftsunternehmen dürfte Google jedoch in vielen Fällen eher den eigenen Interessen als dem Regulierungsinteresse jedes Staates zugeneigt sein – das trifft dann auch Daten- und Verbraucherschutz sowie die Regulierung von Monopolen.

Noch wichtiger ist jedoch Googles unverkennbare Unabhängigkeit von den USA. In den vereinigten Staaten gibt es eine grundsätzliche Skepsis gegenüber den Vereinten Nationen, die beim Thema Internet Governance noch komplexer wird, weil die bisherigen Internet-Governance-Organisationen zu großen Teilen in den USA angesiedelt und nicht hundertprozentig unabhängig sind. In wie weit Google mit seiner Kampagne also auch Leute in Brasilien und Indien erreichen wird, die zu Recht mehr Mitspracherecht in diesen globalen Fragen einfordern, bleibt abzuwarten. Immerhin wird im Video die Internationalität betont.

Die Forderung nach mehr Beteiligung der Zivilgesellschaft teilen wir jedoch. Das haben wir schon beim Vorbereitungstreffen des Wirtschaftsministeriums kritisiert:

„Warum Verbraucher- und Nutzervertreter wie der Verbraucherzentrale Bundesverband, der Chaos Computer Club oder auch der Digitale Gesellschaft e.V. hier nicht eingeladen sind, muss das Bundeswirtschaftsministerium erklären“, sagt Markus Beckedahl. „Wir hatten eigentlich gedacht, dass wir über den Punkt der Hinterzimmermauscheleien zwischen Politik und Wirtschaft in der Netzpolitik langsam hinweg sind.“

Weitere Informationen gibt’s in unserem Hintergrund-Artikel.

4 Ergänzungen

  1. Bei Google habe ich eher den Eindruck, dass sie ein offenes Internet zu schätzen wissen als die ITU. Die würden doch am liebsten auch hier alles schön proprietär zupflastern.
    Hätte die ITU das Internet „erfunden“, wäre es vermutlich eine Art BTX v2 geworden, mit saftigen Lizenzzahlungen für die Nutzung von TCP/IP.

  2. In der Expertenrunde zu Internetgovernance am Montag erklärte Peter Voß (FDP) aus dem Wirtschaftsministerium, dass es in Dubai um einen völkerrechtlichen Vertrag gehe (siehe http://dbtg.tv/cvid/2021847, 1:13:50) und diese in der Regel nur im Konsens verabschiedet würden.
    Wenn das so ist, frage ich mich, wie realistisch die Bedrohung an diesem Punkt ist, nachdem sich beispielsweise die USA oder Deutschland gegen eine Ausweitung des ITU-Mandats ausgesprochen haben (1:11:10).

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