Der gegenwärtige Trend, Künstliche Intelligenz (KI) zunehmend in Online-Suchmaschinen einzubauen, dürfte weitreichende Folgen für die Informationsvielfalt im Internet haben. Unabhängig von der Qualität automatisiert generierter KI-Antworten droht, dass sich viele Nutzer:innen mit ihnen zufrieden geben und nicht mehr auf die eigentlichen Quellen klicken – sofern sie diese überhaupt zu Gesicht bekommen. Der wegbrechende Traffic könnte wiederum das bestehende Geschäftsmodell vieler Medien gefährden, die sich bislang über Werbung auf ihren Online-Auftritten finanzieren.
Das sind die Kernaussagen eines aktuellen Gutachtens des Informationswissenschaftlers Dirk Lewandowski von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), erstellt im Auftrag der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten. Näher untersucht hat der Wissenschaftler die Angebote von Google und Bing, die inzwischen KI-Suchergebnisse prominent einblenden, sowie die KI-Chatbots ChatGPT und Perplexity. Die Datenerhebung fand im Mai 2025 statt und stellt eine „Momentaufnahme in einem sich schnell entwickelnden Feld“ dar, betont Lewandowski.
Einbrechende Klick-Zahlen
Dass sich die Informationslandschaft im Netz drastisch verändern dürfte, hatte sich bereits abgezeichnet, seit generative KI vor rund drei Jahren im großen Stil im Massenmarkt ausgerollt wurde. Seitdem verzeichnen viele Verlage teils erhebliche Einbrüche in den Klickzahlen und warnen vor dem „Ende des Internets, wie wir es kennen“, titelte etwa ein Kommentar auf heise online. Erste Studien zu diesen Effekten bestätigen den Eindruck: Dem US-amerikanischen Pew Research Center zufolge würden Nutzer:innen nur etwa halb so oft auf die Links zu den dazu gehörigen Suchergebnissen klicken, wenn ihnen KI-Zusammenfassungen angezeigt würden. Der bisherige Deal, Inhalte gegen Reichweite zu tauschen, wackelt beträchtlich.
Dabei starten die KI-Firmen von unterschiedlichen Ausgangspunkten. Alphabet und Microsoft, denen Google respektive Bing gehören, integrieren ihren KI-Ansatz in ihre etablierten Suchmaschinen und blenden die Ergebnisse von Anfragen dort ein. Chatbots wie ChatGPT setzen hingegen auf Konversationen mit ihren Nutzer:innen. KI-generierte Antworten stehen entsprechend im Mittelpunkt ihrer Produkte. Diese Richtung schlagen nun offenbar auch traditionelle Suchmaschinen ein. Zuletzt hat etwa Google damit begonnen, Nachfragen und Unterhaltungen mit den Suchergebnissen zu erlauben. Einfließen konnte dies in das aktuelle Gutachten allerdings nicht mehr.
Mehr Chats, weniger Quellenbesuche
Ein stärkerer Fokus auf chatbasierte Systeme dürfte die „Bedeutung der Quellen noch weiter einschränken“, heißt es in der Studie. Quellen dienten dann nur noch der vertiefenden Beschäftigung mit einem Thema, während sich viele Nutzer:innen mit den KI-Antworten zufriedengeben und allenfalls beim Bot weiter nachfragen.
Wir sind ein spendenfinanziertes Medium
Unterstütze auch Du unsere Arbeit mit einer Spende.
Zugleich würden KI-basierte Systeme jedoch die sogenannte „Task Frontier“ erweitern. Hier fallen die Suche nach Informationen und deren anschließende Nutzung nahtlos zusammen. Solche Systeme könnten die Bearbeitung komplexer Aufgaben übernehmen, die sich mit bisherigen Suchsystemen nicht bearbeiten ließen, versprechen zumindest die KI-Anbieter. Wer braucht da noch Quellen?
Insgesamt verändere sich damit die Rolle von Suchmaschinen, die sich zunehmend von ihrer bisherigen Vermittlungsrolle verabschieden und „eigenständige Informationsobjekte“ erstellen würden. Daraus dürften sich medienrechtliche Fragen nach einem passenden Regulierungsansatz ergeben, was „juristisch zu betrachten und zu beantworten sein“ werde, schreibt Lewandowski.
Im Fluß ist auch die Frage, unter welchen Bedingungen und aus welchen Informationen diese Wissenshäppchen erstellt werden. Anfangs haben die KI-Firmen erst einmal ohne Rücksicht auf Urheberrecht oder Privatsphäre alles aus dem Netz abgezogen, was nicht niet- und nagelfest war, um damit ihre Systeme zu trainieren. Klagen folgten prompt. Zwar ist bis heute nicht endgültig geklärt, ob und in welchem Ausmaß sie dabei tatsächlich Recht gebrochen haben – aber neben außergerichtlichen Einigungen musste etwas Tragfähiges her.
Lizenzmodelle im Aufwind
In den vergangenen Jahren haben viele Verlage, aber auch Online-Dienste wie Reddit Verträge mit KI-Anbietern geschlossen. Gegen Bezahlung liefern sie mal mehr, mal weniger qualitativ hochwertiges Traningsmaterial. In Deutschland hat der Springer Verlag, der unter anderem die Bild, Welt und Politico herausgibt, eine Vorreiterrolle eingenommen. Seit Ende 2023 soll die Partnerschaft mit OpenAI „das Nutzungserlebnis mit ChatGPT um aktuelle und verlässliche Inhalte zu einer Vielzahl von Themen bereichern“, bewirbt der Verlag die Zusammenarbeit.

Das schlägt sich entsprechend auf der inhaltlichen Ebene nieder, wie das KI-Gutachten am Rande illustriert. Bisweilen blendet ChatGPT unterhalb der Antworten weiterführende Links ein, wenn es um besonders „aktualitätsrelevante Inhalte“ geht. Erwartungsgemäß handelt es sich im deutschsprachigen Raum sehr häufig um Angebote des Axel-Springer-Verlags. Die Folge: Interessierte Nutzer:innen können sich dann vor allem bei Bild oder Welt weiter darüber informieren, wie die Merz-Regierung etwa mit Themen wie Migration umgeht.
Alles netzpolitisch Relevante
Drei Mal pro Woche als Newsletter in deiner Inbox.
Generell bestehe bei solchen Lizenzvereinbarungen die Gefahr, schreibt Lewandowski, dass Suchsysteme nur die Inhalte eines oder weniger Anbieter in einem Themenfeld für die Generierung ihrer KI-Antworten verwenden. Letztlich könnte sich auch das negativ auf die Angebotsvielfalt im Netz auswirken und den Trend der abnehmenden Zugriffszahlen und rückläufigen Werbeeinnahmen verstärken.
Dabei sei es fraglich, ob neue Geschäftsmodelle wie die Lizenzierung der Inhalte an KI-Anbieter die geringeren Einnahmen durch den Traffic-Einbruch ausgleichen könnten. „Sofern dies nicht gelingt, wird die Menge und/oder Qualität der produzierten Inhalte zurückgehen“, heißt es im Gutachten.
Untergejubelte Informationen
Im Datenbestand der KI-Firmen zunehmen dürfte hingegen der Anteil von Inhalte-Lieferanten, die nicht auf eine direkte Refinanzierung ihrer Inhalte angewiesen sind. Das können Nichtregierungsorganisationen, Verbände und ohnehin alle sein, die die öffentliche Meinung beeinflussen wollen. Gerne auch verdeckt: PR-Agenturen, Unternehmen, Lobby-Firmen, Parteien und Staaten wie Russland, die groß angelegte Desinformationsnetzwerke mit massenhaft produzierten Inhalten betreiben.
In jedem Fall sei mehr Forschung notwendig, betont das Gutachten mehrfach, etwa im Hinblick auf das Nutzerverhalten und die langfristigen Traffic-Auswirkungen von KI-Antworten auf die Refinanzierung von Online-Inhalten. Zumindest ein rechtliches Folgegutachten befinde sich bereits in der Vergabephase, sagte Eva Flecken, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg und Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, gegenüber Tagesspiegel Background (€).
Dieses Folgegutachten solle untersuchen, welche Rolle Intermediäre bei der Vielfaltssicherung spielen müssen; insbesondere stellten sich Fragen rund um Transparenz und Haftung. Außerdem habe der Digital Services Coordinator um eine Stellungnahme gebeten; also jene Stelle, die in Deutschland die Umsetzung des EU-Gesetzes über digitale Dienste (DSA) überwacht. Das Thema könnte bei der EU-Kommission landen.

Das Internet ist ja schon seit etlichen Jahren kaputt.
Die herkömmlichen Suchmaschinen liefern zum großen Teil Mist – was allerdings kein Zufall ist sondern dem Marketing der Suchmaschinenbetreiber geschuldet ist.
Hinzu kommt die komplett unseriöse Branche der Suchmaschinenoptimierer (SEO) und oben drauf kommen dann die Werbenetze die sich ohnehin jedweder Kontrolle entziehen.
Die KIs haben da noch ein paar Jährchen Vorsprung – aber ganz und absolut sicher wird die das gleiche Schicksal ereilen.
Denn Geld stinkt nicht.
Alles ganz schön Perfide. Aber Hey. :-) Ich habe den Perfekten (ebenso Perfiden) Plan dagegen:
Man zwinge einfach alle Browser-hersteller per Dekret ähh Gesetz dazu einen immer Scharf geschalteten Adblocker in ihre Produkte zu integrieren.
Das beschleunigt das „Ende des Internets, wie wir es kennen“ und zwingt die Anbieter auf eine andere Nachhaltige (und hoffentlich Fairere) Weise Geld damit zu verdienen. Und wenn es scheitert… versiegen die Quellen eben aus denen sich die Chatbots speisen. Damit werden sie mit der Zeit immer irrelevanter und nutzloser. Rechteverstöße braucht man dann mangels Masse nicht mehr zu fürchten. Sollen die KI-Anbieter ihren Bots doch endlich mal selbst erstelltes Futter vor werfen. Z.b. das zu einem Menschen mehr gehört als nur seine Geldbörse, er auch Arme, Beine, einen Kopf (mit ab Werk eingebautem Gehirn) und Bedürfnisse und Befindlichkeiten hat – und haben DARF!
Schön, die Suchmaschinen haben dann auch weniger zu „suchen“ aber Hey, WER hat diesen K(r)ampf denn überhaupt los getreten? Und die Adware und Werbe-mafia hat sicherlich auch so niemand bestellt. Was bedeutet das deren Existenzberechtigung infrage zu stellen wäre.
Kurz: Ein Back to the Roots, eine Rückabwicklung von Fehlentwicklungen scheint überfällig.
Und alles fing IMO damit an das Google statt eines Webkataloges, crawler los schickte und „PageRank“ ein führte. Hmm „Don’t be Evil“? Seid vorsichtig mit euren Wünschen.
Und jetzt gehet los und verklaget Google für die „Geister die ihr riefet“ ;-)
Ich kann mich noch gut als kleiner Junge erinnern: Das damals gerade eben geschlossene Kino „Diana“ in Teltow. Ein Zeitungsartikel, sowie ein verschlissenes Plakat zum Film Ab Durch die Hecke. Nach vielen Jahren erinnerte ich mich daran und versuchte zu recherchieren. Erst nach Stunden entdeckte ich die Seite „allekinos.com“, vor lauter Werbung und populärer Seiten unterdrückt.
(Disclaimer hierbei: Keine Werbung, nur Beispiel)
Wer weiß, wie es weiter geht. Bald sind andere Fanseiten, Foren, Projekte oder gar Artikel von netzpolitik kaum mehr auffindbar. Unterdrückt und madig gemacht, in der Hoffnung die KI wird es schon finden. Sehr schade finde ich es um unabhängige Informationen, welche in der Flut untergehen werden. Geschichte wird künstlich vergessen. Werbung und der moderne Zeitgeist sollen erinnert werden.
Die Suchschnittstellen waren bisher allerdings auch endlos schlecht. Europa könnte hier mit strukturierten Prozessen etwas abhilfe schaffen.
In Europa erhältliche Produkte und Händler dafür aus einer für diesen Zweck bestimmten Datenbank suchen, statt irgendwas vermixt mit Werbeanzeigen und bösartigen Algorithmenausnutzern? Behördensachen als solche suchbar?
Naja, Träume von der Raumstation. Als die Dinge noch einfach waren…
Auch ohne KI-Chatbots sollte man grundsätzlich Werbung blocken. Wer ohne Kondom alles vögelt, was über einen Puls verfügt, sollte sich nicht über Geschlechtskrankheiten wundern. Außerdem sparen Werbeblocker durch dasNichtladen von Datenmüll kostbares Mobil-Internetguthaben.
Ich finde es immer lustig, wenn Leute aus der Generation der angeblichen „Digital Natives“ (oder sogar aus Generationen davor, die es wirklich besser wissen könnten) auf Werbeblocker verzichten (und wenn sie keine anderen Suchmaschinen als ausgerechnet das SEO-verseuchte Google kennen).
> Schön, die Suchmaschinen haben dann auch weniger zu „suchen“ aber Hey, WER hat diesen K(r)ampf denn überhaupt los getreten? Und die Adware und Werbe-mafia hat sicherlich auch so niemand bestellt. Was bedeutet das deren Existenzberechtigung infrage zu stellen wäre.
Aus der Generation derer, die noch das Usenet erlebt haben, habe ich schon oft das Argument gelesen: „Von uns hat damals niemand wirklich die Zeitungsverlage im Netz benötigt oder vermisst.“
Naja, mit native ist eigentlich embedded gemeint: „digitally embedded“
Also etwa wie in „Aliens“.
Der andere Streitbegriff ist „Zeitalter der Information“. Damit ist ja auch nicht gemeint, dass jedem alles zugänglich gemacht wird. Demenstprechend war der Name bereits rechts überholt worden, bevor irgendein potentielles Verständnis in der Politik angekommen ist.
So wird alle Information, unter Liquidierung dessen was im Weg ist, in die Maschine gefüttert, nicht irgendwie umgekehrt. Dazwischen passiert noch „die Magie“. Das Ergebnis? Du kannst nach wie vor nur mit den „Informationen“ etwas anfangen, die du schon kennst oder wenigstens einschätzen kannst. Dafür werden noch mehr ausnutzbare Daten über dich generiert und den lustigen Datenwesen zugefüttert.