Wikimedia-Wahlprüfsteine für Berlin: Achteinhalbmal Antworten

Mein Kollege Jan Engelmann weist im Weblog von Wikimedia Deutschland auf die eingetroffenen Antworten zu den Wahlprüfsteinen hin, die an alle in Berlin zur Abgeordnetenhauswahl kandidierenden Parteien gegangen sind. Wer die komplette Ladung Text haben möchte, geht bitte direkt zur aggregierten Volltextsammlung.

Wikimedia hatte Mitte Juli 2011 einen Katalog mit 30 Fragen verschickt, dabei versucht, in den Fragen den Landesbezug herzustellen oder zumindest durchschimmern zu lassen. Im Falle von Informationsfreiheit ist dies einfacher möglich, bei bundesratszustimmungspflichtigen Gesetzesvorhaben oder gar Staatsverträgen zwischen Ländern ebenso. Bei Gesetzesvorhaben, die zwar große Auswirkungen auf Berlin und seine Bürger und Firmen haben werden, die aber komplett auf Bundesebene aufgehängt sind, war ein Kniff nötig.

So fragen wir an Punkt 28, wie Berlin mit den absehbar negativen Auswirkungen eines Presseverlegerleistungsschutzrechts auf die netzbasierte Ökonomie Berlins umgehen will. Eine direkte Antwort darauf gibt keine Partei, Grüne, Linke, Piraten, SPD und PSG schreiben aber pflichtgemäß, dass sie ein solches Leistungsschutzrecht ablehnen (wonach nicht gefragt war, aber immerhin). Die FDP weist daraufhin, dass dies eine Bundesangelegenheit sei und man keine Veranlassung zur Intervention sehe; die CDU sagt, dass alles noch diskutiert wird. Überraschend an dieser Antwort ist eigentlich nur, wie peinlich offenbar den Befürwortern es sein, in der vergangenheitssubventionierenden Ecke zu stehen.

Fast alle Parteien haben „Creative Commons“ im aktiven Wortschatz, die Unterschiede sind aber beträchtlich. Überdies scheint es gewisse Konfusion über die Frage „kommerzielle Nachnutzung“ innerhalb des CC-Lizenzbaukastens zu geben, ansonsten wären Sätze wie

„Die Angebote des RBB sollten so weit wie möglich unter eine Creative Commons-Lizenz gestellt (vorzugsweise CC BY-SA) werden, so dass eine nicht-kommerzielle Nutzung dieser Inhalte im Internet möglich wäre.“

nicht Teil einer Antwort (in diesem Fall der Linken in Frage 22). Rein formal ist der Satz nicht falsch, Inhalte unter CC-BY-SA können natürlich nicht-kommerziell genutzt werden, sie können aber ebenso auch kommerziell (und beides nicht nur im Internet) genutzt werden. Wenn die Linken in Berlin also glauben, dass CC-BY-SA die kommerzielle Nutzung untersagt, wäre dies ein zu behebender Irrtum.

Auch den ansonsten netzaffinen Piraten ist entgangen, dass auf Wikipedia und ihren Schwesterprojekten nur Inhalte stehen dürfen, die auch zu kommerziellen Zwecken nachnutzbar sind.

Die Piratenpartei Deutschland tritt in ihrem Parteiprogramm dafür ein, das nichtkommerzielle Kopieren, Zugänglichmachen, Speichern und Nutzen von Werken nicht nur zu legalisieren, sondern explizit zu fördern, um die allgemeine Verfügbarkeit von Information, Wissen und Kultur zu verbessern.

In der Summe sind wir über Menge und Qualität der Rückmeldungen sehr erfreut, in fast jeder denkbaren Regierungskoalition gibt es einen Grundkonsens zur Offenenheit von Verwaltungsdaten, zur positiven Einstellung zur Open Access (FDP ausgenommen), der Absurdität von Netzsperren (CDU ausgenommen) und der Vorstellung, Flächenversorgung mit Internet auch über Public WiFi herzustellen (der Konsens endet augenblicklich, wenn es um die Wege zur Umsetzung geht).

9 Ergänzungen

  1. Das Zitat der Piraten, das du da bringst finde ich aber bei den Linken.

    Davon abgesehen, ist das eine Wissenslücke, die auch bei einigen Wikipediaautoren vorhanden ist.

  2. Für die (doch überwiegend nichtkommerzielle) Nutzung bei Wikipedia ist BY-SA afaik Minimum (weil eben auch die kommerzielle Nutzung des Gesamtprojekts möglich bleiben soll). Das „share-alike“ ist eine massive Einschränkung der kommerziellen Nutzbarkeit. Man kann damit zwar Geld machen, aber hat auf sein abgeleitetes Gesamtwerk kein Exklusivitätsrecht. Für „klassische “ Kommerzielle Nutzung ist BY-SA also IMHO durchaus eher ungeeignet.

    Gruß
    Jan

    1. Für “klassische ” Kommerzielle Nutzung ist BY-SA also IMHO durchaus eher ungeeignet.

      Das sehe ich auch so. Daher ist die Kritik an der LINKEN so nicht aufrechtzuerhalten

      1. Die kommerzielle Nachnutzung von CC-BY-SA lizenzierten Werken ist möglich und wird praktiziert (vom erstbesten Wikipedia mirror auf spiegel.de angefangen).

        Welche klassische kommerzielle Nutzung von CC-BY-SA Texten und Bildern ist denn nicht möglich?

        (wenn „ungeeignet“ meint, dass man eine Zeile für Lizenzkonformitätsangaben braucht, dann ja, ansonsten nein)

  3. Ich will hier für DIE LINKE antworten: Die genannten Beispiele verweisen leider zurück auf einige Ungereimtheiten in den von Wikimedia gestellten Fragen:

    Frage 22 – Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Nicht nur Bürger, sondern auch Unternehmen sind gebührenpflichtig, hätten in der Logik der Fragestellung ein Anrecht auf Weiternutzung und Remix von öffentlich-rechtlichen Inhalten. Hat Wikimedia das tatsächlich bedacht? Wurde eine umfassende Antwort erwartet, wie der Unterschied zwischen natürlichen und juristischen Personen lizenzrechtlich auszugestalten sei?

    Frage 28 – Leistungsschutzrecht: Hier handelt es sich bekanntlich um ein geplantes Bundesgesetz, von dem bislang niemand weiss, wie es ausgestaltet sein wird und welche Folgen es beispielsweise für Berlin hätte. Welche Antworten erwartete sich Wikimedia? Etwa jene: Für betroffene Unternehmen senken wir die Gewerbesteuer um den entsprechenden Betrag der zu zahlenden Leistungsschutzabgabe?

    Frage 33 – Panoramafreiheit in Sanssouci: Wikimedia nennt das BGH-Urteil, das eine uneingeschränkte Nutzung von Fotografien untersagt, aber – was Wikimedia nicht benennt – zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung differenziert, und fragt, ob die Parteien die uneingeschränkte – ergo kommerzielle und nicht-kommerzielle – Nutzung zulassen wollen. Glaubt Wikimedia tatsächlich, ohne Rechtsklarheit zu schaffen, sei eine Aufhebung des Urteils – quasi voluntaristisch – möglich?

    Die Beispiele sollen nur andeuten, welche Differenzierungen die nicht bedachte Tragweite in den Fragestellungen eigentlich erforderlich machten. Daher ist manchmal weniger eben mehr!

    1. Hallo Jürgen,

      auch dir nochmal ganz herzliches Dankeschön für die Beantwortung der Fragen. Ich weiss, wie viel Mühe es gemacht hat, darauf in einer sportlichen Zeitspanne Text zu liefern.

      Grundsätzlich gilt, dass es deutlich einfacher ist, Fragen zu stellen und nachher genüsslich die Antworten zu sezieren als selbst eindeutige Antworten zu liefern. Dennoch sind uns einige Fragen mehrdeutiger geraten, als das eigentlich intendiert war. Unsere Vereinmitglieder und Unterstützer haben in der Reviewphase mitgeholfen, die gröbsten Schnitzer zu entfernen.

      Was deine Fragen zu unserer Frage 22 angeht, kann man auf mehreren Ebenen antworten:

      * Wenn es für eine Partei einen Unterschied macht, wer welche Inhalte wie verwenden können soll, kann man das in der Antwort aufdröseln, beispielsweise auch, ob jene Berliner, die von der Rundfunkgebührenzahlung befreit sind, auch von einer Lizenz zur Nachnutzung ausgenommen wären. Hier kann sich jede Partei frei austoben. Wenn es darum geht, was Wikimedia Deutschland am liebsten sehen würde, dann wäre es eine CC-Lizenzierung (ohne -nc und ohne -nd-Einschränkung) von Inhalten, die mit Gebühren (und im Fall der Deutschen Welle mit Steuern) finanziert wurden. Dies wäre eine Lizenz, die für Berliner und Nichtberliner, für Gebührenzahler und Nichtgebührenzahler, für natürliche und juristische Personen gelten würde. Und es gilt auch, was wir den Anstalten auch direkt sagen: Eine freie CC-Lizenzierung von Material des RBB, des hr, des WDR bedeutet, dass auch RTL, ASV oder CNN das verwursten könnten. Es ist aber wichtig, diese beiden Ebenen zu unterscheiden, denn sonst hätte jede unserer Fragen mit „Finden Sie nicht auch, dass …“ angefangen und der „Lieblingsantwortkatalog“ hätte „30x Ja“ gelautet.

      Zu Frage 28: Ja, es ist ein Bundesgesetz, darum haben wir auch nicht gefragt, was eine Fraktion im künftigen Abgeordnetenhaus dazu abstimmen will. Eine Antwort hätte auf die aus der jeweiligen Parteisicht kommenden Rechtsfolgen hinweisen können und ja, die Linke hätte auch sagen können, ob sie auf Landesebene versuchen wird, betroffenen Unternehmen durch eine Senkung der Gewerbesteuer, usw….. Rückfrage: Wie steht die Linke zu dieser Idee?

      Frage 33: Das Problem der Nutzer und Autoren von Werken unter Freier Lizenz ist, dass dieses Modell sich nicht entlang der Grenzen von „gewerblicher“ und nicht-gewerblicher Nutzung bewegt, aber auch ein in seiner Freizeit fotografierender Freiwilliger zur Untätigkeit verdammt ist, wenn diese Differenzierung aufrechterhalten bleibt. Eine Aufhebung des Urteiles streben wir derzeit nicht an, glauben aber durchaus, dass die Stiftung es ausdrücklich erlauben kann, dass Fotografen ihre Bilder unter einer freien Lizenz verbreiten dürfen – mit allen Konsequenzen – im Interesse der Stiftung.

      Wir haben nicht vor, die Parteien in Berlin einmal in fünf Jahren mit einem ausbesserungsfähigen Katalog an Fragen zu bombardieren und dann wieder auf Tauchstation zu gehen. Vor der Wahl, nach der Wahl können wir gerne mal uns in flexibler Konfiguration zusammensetzen. Die Kontaktadressen der entsprechenden Leute bei Wikimedia hast du?

  4. Weil ein entsprechender Kommentar seit 18:00 Uhr nicht freigeschaltet wird folgendes im Subkommentar:

    Als beratend tätiger Beteiligter will ich hier für DIE LINKE antworten. Die im Artikel genannten Beispiele verweisen leider zurück auf einige Ungereimtheiten in den von Wikimedia gestellten Fragen:
    Frage 22 – Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Nicht nur Bürger, sondern auch Unternehmen sind gebührenpflichtig, hätten in der Logik der Fragestellung ein Anrecht auf Weiternutzung und Remix von öffentlich-rechtlichen Inhalten. Hat Wikimedia das tatsächlich bedacht? Wurde wirklich eine umfassende Antwort erwartet, wie der Unterschied zwischen natürlichen und juristischen Personen via Creative Commons lizenzrechtlich auszugestalten sei? Das wäre ganz offenkundig irreal …

    Frage 28 – Leistungsschutzrecht: Hier handelt es sich bekanntlich um ein geplantes Bundesgesetz, von dem bislang niemand weiss, wie es ausgestaltet sein wird und welche konkreten Folgen es für Berlin hätte. Welche Antworten erwartete sich Wikimedia? Etwa jene: Für betroffene Unternehmen senken wir die Gewerbesteuer um den entsprechenden Betrag der zu zahlenden Leistungsschutzabgabe? Das wäre ganz offenkundig absurd …

    Frage 33 – Panoramafreiheit in Sanssouci: Wikimedia nennt das BGH-Urteil, das eine uneingeschränkte Nutzung von Fotografien untersagt, das zugleich – was Wikimedia nicht benennt – zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung differenziert, und fragt sodann, ob die Parteien die uneingeschränkte – ergo kommerzielle und nicht-kommerzielle – Nutzung zulassen wollen. Glaubt Wikimedia tatsächlich, ohne Rechtsklarheit zu schaffen, sei eine Aufhebung des Urteils – quasi voluntaristisch – möglich? Das wäre ganz offenkundig hilflos …

    Die Beispiele sollen nur andeuten, welche Differenzierungen die nicht bedachte Tragweite in den Fragestellungen eigentlich erforderlich machten. Daher ist manchmal weniger eben mehr – auch in auf nicht zu Ende gedachten Fragen übermittelten Antworten!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.