UK: Traffic-Kürzung bei T-Mobile,
Deep Packet Inspection bei Vodafone UND T-Mobile [Update]

T-Mobile UK hat sich entschieden, bei allen Tarifen das maximale Datenvolumen auf 500MB zu beschränken – und zwar unabhängig vom monatlichen Preis und auch für laufende Verträge. Der teuerste Vertrag beinhaltete bisher 3GB und wird wie alle anderen mit Beginn des nächsten Monat gekürzt. Die Ankündigung liest sich ziemlich zickig und belehrend:

Browsing means looking at websites and checking email, but not watching videos, downloading files or playing games. We’ve got a fair use policy but ours means that you’ll always be able to browse the internet, it’s only when you go over the fair use amount that you won’t be able to download, stream and watch video clips.

Interessant: T-Mobile hält die Bedingungen seiner eigenen AGBs nicht ein, und kündigt die Änderung mit weniger als 30 Tagen Vorlauf an und öffnet somit Widersprüchen der Kunden Tor und Tür. Während Verbraucheranwälte sich einig sind, dass dies zur Sonderkündigung berechtigt, ist unklar, ob die Kunden dann auch das subventionierte Smartphone behalten dürfen. T-Mobile kündigte an, bald weitere Erläuterungen folgen zu lassen. Vermutlich wird diesmal ein PR-Team damit betraut werden, das die Pressemitteilung nicht mit

if you want to download, stream and watch video clips, save that stuff for your home broadband.

enden lässt. In der Tat sind die Worte klar gewählt: „Browsen ist Webseiten und Emails lesen. Für alles andere gibt es zu Hause Breitband.“ In den USA beliebte Streaming-Anbieter wie Spotify oder die BBC werden also von T-Mobile de facto ausgeschlossen. Ein Sprecher gab bekannt, dass der durchschnittliche Nutzer nur 200MB nutzt, und die Begrenzung auf 500MB daher immer noch keine Einschränkung darstellen würde – aber was will er uns damit sagen? [Update]: Das angekündigte Statement ist veröffentlicht worden. T-Mobile rudert zurück und lässt die neue Regelung nur für Neukunden gelten. Das begegnet den Einwänden der Verbraucherschützer, jedoch nicht dem Image-Schaden, der in den letzten Tagen entstanden ist. (Danke, Felix) [/Update]

Das Stichwort Netzneutralität ist bei dieser Debatte nicht weit entfernt, auch wenn T-Mobile ja nur angibt, das Volumen zu begrenzen. Man kann also zukünftig – völlig netzneutral – auch noch Videos gucken – aber eben nur 500MB.

Die für das Brechen netzneutraler Prinzipien notwendige Sprachregelung, die „solchen“ von „solchem“ Inhalt unterscheidet, kommt aber wohl kaum zufällig zum Einsatz.

Anders sieht es bei Vodafone UK aus, dort gab eine (unbedarfte?) Hotline-Mitarbeiterin gegenüber Monica Horten freimütig Auskunft über die zum Einsatz kommende Deep Packet Inspection aus dem Hause BlueCoat. K9 scheint die angewandte Lösung zu sein, und ist Teil von PacketShaper, einer Kontroll-, Überwachungs- und Shaping-Lösung. Die wird von BlueCoat beworben mit

Das Überwachungsmodul des PacketShaper’s gibt Aufschluss über alle Netzanwendungen, und ermöglicht so eine einfache Identifizierung und Messung aller Datenverkehrstypen. […]

Prüfen Sie den Auslastungsgrad und die Performance Ihres Netzwerks und dessen Datenverkehrstypen, wie geschäftskritische, private und nicht gestattete Anwendungen, anhand von links, Nutzern und Anwendungen. […]

Ähnlich wie bei T-Mobile wird die Beeinträchtigung und Überwachung der Nutzer natürlich als Feature beworben: content controls („Inhaltskontrolle“) sind als Extra-Service per Standard aktiviert. Und, wie es das EU-Gesetz vorschreibt, werden die Nutzer auch darüber informiert. Irgendwo im Internet. Immerhin: Man kann die content controls abbestellen. BlueCoat ist übrigens ein kalifornisches Unternehmen, und verwaltet auch die Kategorisierung der Seiten in ‚gut‘ und ‚böse‘. Nach welchen (christlichen?) Maßstäben das geschieht, ist natürlich nicht nachvollziehbar. So kommen dann die bekannten Fälle zustande, dass der CCC als Terrorismus geblockt wird.

[Update] Content Controls gibt es auch bei T-Mobile UK per default. Wer findet weitere „transparente Ankündigungen“? [/Update]

Monika Horten, die über den Vodafone-Fall berichtet, war Expertin für das Telekom-Paket, und hat sich dort für Netzneutralität, gegen 3-Strikes und andere Gängeleien erfolgreich eingesetzt. Bei Fragen der Netzneutralität sorgten die Lobbyisten der Telkos für die schwammigen Regeln, die wir jetzt auf EU-Ebene haben. Argument war, dass die Transparenzverpflichtung ausreichend würde, um den Rest dem Markt zu überlassen. Das Ergebnis sieht man jetzt.

Eine seit 2005 ‚transparent“ eingesetzte Filtertechnik wird 5 Jahre später durch Zufall entdeckt.

17 Ergänzungen

  1. There will be no change to the data packages for existing customers  for the duration of their contract and we apologise for any confusion caused. The revision to the Fair Use Policy is designed to ensure an improved quality of service for all mobile internet users.“
    – von der T-Mobile UK Seite.

    Folglich betrifft diese Änderungen nur Neukunden.
    Und das ist T-Mobiles gutes Recht.

  2. @Felix and @Linus,

    es scheint (siehe Update im Guardian), das die Originalmeldung (erster Link im Artikel) unklar war und es tatsächlich nur für Neukunden gilt.

  3. @ Philip Engstrand, @ Felix Als ich den Artikel gerade geschrieben habe, war unter genau der URL noch die ursprüngliche Ankündigung zu finden, die eindeutig auch für Bestandskunden gelten sollte (sich sogar an sie richtete). Sie war von Montag. Offensichtlich wurde die aktualisierte unter der URL der Ursprungsankündigung veröffentlicht.

  4. Gut, ist nun weniger dramatisch, wenn es nicht die Bestandskunden betrifft. Wäre ein wohl ein juristisches Eigentor geworden. Aus PR-Sicht ist es schon eins.

    Aber vielleicht wäre es auch mal an der Zeit das mobile Internet nicht mehr als „Flatrate“ zu bewerben, wenn es nur eine gestaffelte Geschwindigkeit erlaubt.

  5. Wer schonmal einen bluecoat proxy konfiguriert hat weiss das man als erstes bild.de freischalten muss weil das von dieser amerikanischen Firma wegen der frei sichtbaren Brüste als p0rn klassifiziert wird :-)

  6. Hatte ich gestern schon auf engadget gelesen:

    http://www.engadget.com/2011/01/11/t-mobile-uk-cuts-fair-use-allowance-to-500mb-sends-you-home-t/

    und die haben heute auch ein update:

    http://www.engadget.com/2011/01/12/t-mobile-uk-backs-down-a-bit-limits-500mb-fair-use-policy-to-ne/

    Die haben in ihrem ersten Artikel sogar vermutet, dass jedes Video nach 500MB dann extra kosten soll.

    Machen wir uns doch nichts vor: Das, was heute als „mobiles Internet“ verkauft wird, ist bereits durch Bilder-Proxies und Sperren für unliebsame Nutzung kastriert. Auf dem Markt gibt es keine Netzneutralität. Die Frage muss daher lauten, wie man die Anbieter dazu bringen kann, den Mist gefälligst zu unterlassen und nicht auch noch auf das „Kabel-gebundene“ Netz auszuweiten.

  7. @Linus,

    Das mit der Content Control bei Vodafone UK jetzt als grosse Neuigkeit zu verkaufen halte ich fuer sehr sehr gewagt. Das ist altbekannt und sollte auch Dir bekannt sein, das steht naemlich schon seit mehreren Wochen mindestens in den Kommentaren auf diesem Blog hier. Das ganze stand auch schon vor 6 Jahren in den Nachrichten und wie man das wegbekommt wird einem direkt bei jeder gesperrten Seite angezeigt.

    Monica Horton scheint ihren Blackberry auch nicht viel zum surfen zu benutzen, sonst haette sie das eigentlich schon lange bemerkt. Einfacher Grund dass da so ziemlich alles gesperrt ist, einschliesslich Sachen wie Flickr und aehnlichem, koennten ja Bildchen von Nackedeis dabei sein.

    Das einzig neue ist die Technologie die dafuer benutzt wird.

    Sorry, aber das ist schwach, ganz schwach.

  8. Lieber Armin,

    was wären nur die UK-Artikel auf Netzpolitik.org nur ohne deine freundlichen Kommentare und Emails? Danke dafür!

    Gegen den Vorwurf, ich würde es als neue Sache verkaufen, empfehle ich, den Artikel einfach erneut zu lesen, denn ich weise mehrmals darauf hin, dass es seit Jahren der Fall ist, und vor allem auch „transparent“.

    Auch hier in Deutschland sind Einschränkungen in Mobilnetzen übrigens bekannt.

    Kommentiere aber doch bitte direkt bei jenen, auf deren vielbeachtete Artikel der englischsprachigen Blogosphäre ich hier verlinke. Als uninformierte Netzpolitik-Lobbyistin ist Monika Horten sicherlich für deine konstruktiven Ergänzungen dankbar.

    Liebe Grüße auf meine Lieblings-Insel

    Linus

  9. @Linus

    ach ja, und nochwas:

    So wie Du es hier schreibst stimmt es auch naemlich auch nicht. Die \unbedarfte Mitarbeiterin\ hat ihr naemlich ueberhaupt nichts ueber die Technologie erzaehlt, sie hat ihr nur erzaehlt dass \Content Control\ zum Einsatz kommt. Mehr duerfte in deren Skript auch gar nicht drinstehen (mal davon abgesehen wie sie die aufheben kann).

    Die Technologie (bzw die vermutete Technologie) hat Monica soweit moeglich ueber die Website herausgefunden und sonstwie ergooglet. Der Rest sind Vermutungen und Spekulation.

    Dann Dein Schlusssatz:

    \Eine seit 2005 ‘transparent” eingesetzte Filtertechnik wird 5 Jahre später durch Zufall entdeckt.\

    Das liest sich fuer mich wie, \keiner hat’s gewusst weil Vodafone eben nicht transparent war und das ganze ist jetzt durch Zufall rauskommen\. Was eben einfach Unsinn ist.

    Sorry, aber wenn Du etwas schreibst was nicht stimmt und/oder mindestens ungenau ist nehme ich mir auch das Recht heraus das zu kritisieren. Das musst Du meines Erachtens abkoennen.

  10. Abgesehen von den kleinen und großen Feinheiten, die hier in den Kommentaren besprochen werden, bleibt eines festzustellen:

    Joi Ito hat bereits 2006 genau hiervor gewarnt und Japan als vorauseilendes Negativbeispiel angeführt.

    Die existierende faktische Untegrabung der Netzneutralität im „mobilen“ Web ist eine reale Gefahr für die heutige und erst recht zukünftige Webnutzung.

    Kaum eine Studie zweifelt daran, dass sehr bald ein großer Teil der Webnutzung über so genannte „mobile“ Zugänge geschehen wird.

    Insofern muss die Politik bzw. eingesetzte Regulierer klare Vorgaben machen, die die Provider zu einer netzneutralen Angebotsstruktur verpflichten.

    Die durch die Unternehmen künstlich eingeführte Trennung zwischen „fest“ und „mobil“ betoniert eine Haltung gegen über der freien end-to-end Nutzung, die nicht hinnehmbar ist. Wenn es der freie Wettbewerb nicht schafft, gesellschafts-relevante Infrastrukturen bereitzustellen, müssen Alternativen zu deren Sicherstellung überlegt werden.

  11. Davon abgesehen, dass die Entwicklung im mobilen Internet in puncto Providereingriffe und Nutzungsbeschränkungen wirklich sehr bedenklich und unerfreulich ist, scheint es sich bei der T-Mobile-Aktion hauptsächlich um misslungene PR zu handeln (und das nicht nur wg. der Verwirrung um Bestandkunden):

    Während immer mehr Netzbetreiber ihre Flatrates ab 200, 300 oder 500 MB auf ISDN-Speed drosseln, was damit Videostreaming und Downloads im Prinzip ebenfalls unmöglich macht, sagt T-Mobile, dass sie essentiellen Internetverkehr nicht einschränken, dafür aber Videostreaming und Downloads blockieren.

    Für den Konsumenten ist das Ergebnis in beiden Fällen gleich: Nur noch grundlegende Onlineanwendungen sind möglich, alles, was mehr Traffic verursacht, wird verhindert bzw. kann aufgrund der langsamen Verbindung nicht in Anspruch genommen werden.

    Rein von der Kommunikation her klingt der T-Mobile-Ansatz deutlich schlimmer. Am Ende sind die die verbreiteten „Flatrates“ mit Drosselung aber nicht minder fragwürdig.

  12. Hallo zusammen –
    Da in den Kommentaren u. a. über die Lösungen unseres Unternehmens gesprochen wird, möchte ich mich kurz persönlich zu Wort melden. Blue Coat stellt u. a. Mobilfunkanbietern Technologien zur Verfügung, um Kinder vor Inhalten für Erwachsene zu schützen. Die Implementierung sieht in der Praxis meist so aus, dass die Mobilfunkanbieter bei neuen SIM-Karten standardmäßig Inhalte für Erwachsene blockieren, da der Anbieter ja nicht zwingendermaßen weiß, ob der Nutzer nicht ein Kind ist. Die Kunden können ihren Anbieter jedoch bitten, die Sperre zu entfernen (wenn sie ein Erwachsener sind).
    Grundsätzlich erfolgt die Kategorisierung von Webseiten bei Blue Coat in global verteilten Serverfarmen („in der Cloud“), die Input von mehr als 70 Millionen Nutzern weltweit auswerten. Eine Übersicht der Kategorien finden Sie unter http://www.bluecoat.com/productswebpage/blue-coat-webfilter-categories. Ein System zur Überprüfung (und Kommentierung) der Einstufung einer bestimmten Webseite gibt es unter http://sitereview.bluecoat.com/sitereview.jsp. Wir freuen uns natürlich über Feedback zu unseren Kategorisierungsfunktionen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.