Amesys ist nur ein Unternehmen unter vielen, das in Europa Überwachungssysteme herstellt und an autoritäre Regierungen exportiert. Stark kritisiert wurde dies bereits im April 2011 von der OpenNet-Initiative in einem Bericht über Zensur- und Filtertechnologien als Exportschlager für Nahost und Nordafrika.
Richtig losgetreten wurde das Thema als am 29. August 2011 Tripolis befreit wurde. Journalisten des Wall Street Journals drangen in ein Gebäude ein, in dem sich eine Zentrale zur überwachung von Kommunikationen befand. Dort fanden sie Anleitungen mit dem Logo des Bull-Tochterunternehmens Amesys, welches seit 2007 zusammen mit pensionierten Militäroffizieren im Auftrag des Gaddafi-Regimes die Bevölkerung überwachte.
Die französische Firma Amesys entwickelte beispielsweise das Vorzeigeprodukt Eagle/Glint, welches ein „Deep Packet Inspection“-System (DPI) nutzt und Kommunikationsbeziehungen graphisch anzeigen kann. Die abgefangenen Daten lassen sich bequem als visuelles Geflecht von sozialen Bindungen darstellen. Den Beta-Test für die libysche Technik führte Amesys übrigens an Forschern der Universität Pierre und Marie Curie (Paris-VI) durch und fing dort ein paar Emails ab.
Mit dieser Technologie hat das Gaddafi-Regime jedenfalls das komplette libysche Netz überwachen können:
Die gängigsten Protokolle (SMTP, POP3, IMAP), Webmail (Hotmail, Yahoo Mail, Gmail…),VoIP (RTP, SIP, H.323…), Messenger (MSN, Yahoo!, AIM…), P2P und den Suchverlauf in Webbrowsern.
Am 19. Oktober erstatteten daher die Menschenrechtsliga LDH und die Internationale Menschenrechtsföderation FIDH in Paris gemeinsam Strafanzeige gegen Amesys. Grund ist die Beihilfe zur Folter in Libyen.
Zudem hat sich Owni in der letzten Woche die öffentlichen Ausschreibungen in Frankreich genauer angeschaut und dabei herausgefunden, dass Amesys auch in unserem Nachbarland Überwachungstechnik losgeworden ist. Amesys hat das französische Verteidigungs- und Innenministerium mit mindesten sieben Überwachungssystemen zum Abhören und Analysieren von Kommunikation ausgestattet:
2007 schloss Amesys einen Vertrag über 100.000 €uro für Überwachungsmaterial von Kommunikation via Satelliten (DVB-S) mit dem militärischen Nachrichtendienst (DRM) ab, der übrigens mit dem DGSE das französische Frenchelon betreibt. Ein wenig später, im November 2008, lieferte die Amesys-Filiale Elexo für 897.000 €uro Material zur Herstellung einer Satelliten-Übertragungsplattform. Aber auch das Innenministerium war Amesys-Kunde. Im Juni 2009 gewann Amesys ein Ausschreibungsverfahren und verkaufte dem Ministerium Breitband Digitalrecorder. Amesys vermarktet davon genau zwei: ELAN-500 und ENRLB 48.
Jetzt ist die Frage, wie und wo Abhörtechnologien von Amesys und Co. in Europa zum Einsatz kommen. In Deutschland haben wir ja bereits eine erste Kostprobe erhalten.
(Crossposting von vasistas?)
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