Am Sonntag waren Kommunalwahlen in Bayern (wie wir schon wissen). Nicht nur die Wahlhelfer – sogar wählbare Kandidaten durften ihre eigenen Computer mitbringen! Und falls sie das Passwort vergessen hatten: Kein Problem! Denn es liegt offen rum – und wenn nicht, kommt man mit den üblichen Kombinationen schon weit genug: „123456 – Bin ich drin?“.
Der Sprecher des CCC, Dirk Engling, fasste die Beobachtungen zusammen: „Die Auszählung von Stimmen mit Barcode und Computer bringt in der Praxis keine Vorteile, die in irgendeinem Verhältnis zu den Risiken von Fehlern und Manipulationen stehen. Theoretisch gibt es hier zum Nachzählen zwar noch Papierzettel, in der Praxis wird den Ergebnissen der intransparenten und äußerst unzulänglichen Zählprogramme aber vertraut.“
In der Gemeinde Unterschleißheim etwa wurde einer SPD-Kandidatin auf dem Wahlzettel der gleiche Barcode zugeteilt, wie ihrem Konkurrenten von der CSU. […]
Die Wahlhelfer waren mit der Bedienung des Systems vielfach überfordert: Die versprochene sorgfältige Überprüfung der Stimmenerfassung wurde in den meisten Fällen nicht durchgeführt. […]
Im Landkreis Bad Tölz wurden zu allem Überfluss Wahlzettel auf grünem Papier verwendet, die durch mangelnden Kontrast zu einer sehr schlechten Barcode-Erkennung führten. Somit musste der Barcode jedes Kandidaten mehrfach abgestrichen werden.
„Die Vorkommnisse bei der bayerischen Auszählung sind der Super-GAU für diese Systeme. Insbesondere das Vertrauen in die Barcode-Auszählung ist damit komplett ruiniert“, kritisierte CCC-Sprecher Dirk Engling die blinde Technikgläubigkeit der bayerischen Kommunen.
Quelle und weiterführende Links.
Alle öffentlichen Berichte auf http://wahlbeobachtr.de/ – wer noch weiteres zu berichten weiss: bitte an bayernwahl[at]ruebezahl.cc
Ausserdem: Am Freitag um 19 Uhr im Store in Berlin Mitte:
„Wahlcomputer – eine Zwischenbilanz“ – Frank Rieger vom CCC erklärt, warum sogar Hacker manchmal keine Computer mögen.
Mich würde interessieren, ob der CCC vielleicht auch in Kommunen beobachtet hat, in denen von Hand ausgezählt wurde. Wenn ich die Berichte von Freunden vergleiche, die in einer solchen ausgezählt haben, mit meinen eigenen Erfahrungen, dann ist mir das System mit Barcodes tatsächlich hundertmal lieber. Da mag die Stimmauswertung am Computer in der Theorie noch so manipulierbar sein, unsere Erfahrungen sind einfach so positiv, dass für mich der Auszählvorgang an sich transparenter wirkt, da wir nicht das Gefühl hatten, unseren eigenen Auszählvorgang nicht zu verstehen.
Ich kann ja verstehen, dass der CCC vor jeder Manipulationsgefahr massivst warnen möchte, aber hier haben sie sich auf eine derartig absolute Linie eingeschossen, dass ich es eigentlich traurig finde, dass nicht auch wenigstens über die möglichen (aus meiner Sicht in der Praxis tatsächlichen) Vorteile nachgedacht wird. Denn wenn ich mir die Erzählungen von Freunden anhöre, wie es wohl ohne Stift lief, dann ist die vom CCC propagierte perfekte Auszählung von Hand einfach eine Illusion.
Sorry :(
Keiner verteufelt so etwas per se. Es ist aber einfach so, dass es bei den ans Licht gekommenen Maengeln aber einfach in keinem Verhaeltnis steht. Da steckt so viel blinde Technikglaeubigkeit dahinter, die Manipulationen um ein vielfaches einfacher machen, als bei einer Auszaehlung per Hand.
Ich zumindest habe sehr wohl ueber die Vorteile nachgedacht, letztendlich ist mir aber eine Auszaehlung per Hand lieber, auch wenn sie dreimal so lang braucht. Wenn man sich so eine Auszaehlung mit Computer anschaut, hat man das Gefuehl die Wahlhelfer geben an der Tuere ihr Hirn ab, und tippen/scannen nur noch blind.
Es gewinnt der mit den meisten Stimmen, und nicht der, der am schnellsten auszaehlt.
patrick: viele sind ja selbst Wahlhelfer, und kennen somit das Prozedere einer Handauszählung genau… Aber du hast schon recht: Es ist ein Dilemma.
Aber: im Zweifel für die Sicherheit – wird dies nicht eh die ganze Zeit propagiert?
Ich fände es auch bequemer, mich am Flughafen nicht 3 mal durchchecken zu lassen… aber dort macht man sich die Mühe ja auch.
Ich war selbst jetzt auch mehrfach Wahlhelfer, ich kenn also das Prozedere auch, und es macht auch ausschließlich bei diesem ausführlichen Kummulieren und Panaschieren Sinn. Was mich an diesem System überzeugt hat, ist, dass es – zumindest bei uns – wirklich einwandfrei funktioniert hat und die Auszählung für uns nicht nur beschleunigt, sondern auch überschaubarer gemacht hat. Und all dies „trotz“ gewissenhaftem Acht-Augen-Prinzip. Jedenfalls war es mir wohler, meine Unterschrift unter diese Auszählung zu setzen, bei der stets vier Leute voll bei der Sache waren, als wenn sich von den acht Wahlhelfern je zwei in eine Ecke verzogen hätten und irgendwas ausgezählt hätten (und das ist nicht erfunden, das habe ich zumindest von einem manuellen Stimmbezirk gehört, obwohl das möglicherweise auch nicht so sein sollte).
Ich kann die Kritik an der Software auch nachvollziehen, da könnte man Verbesserungen schaffen (ich stelle mir zum Beispiel eine ständige Anzeige aller gezählten Stimmen vor, gesamt, sowie für jeden Kandidaten, um die Software zur „elektronischen“ Strichliste zu machen) und eine Code-Offenlegung fordern. Das größte Risiko, das ja der Hauptgrund war, gegen Nedap ins Feld zu ziehen, dass man ein manipuliertes, nicht nachprüfbares Endergebnis erhält ist ja sowieso bereits ausgeschlossen.
Wenn ich aber die hier genannten „Schreckensbeispiele“ betrachte, dann gilt für viele dieser Unsicherheiten für mich aber, dass vieles davon auch bei manueller Auszählung chaotisch und intransparent und aus meiner Sicht deutlich fehleranfälliger abläuft. Das System mit A, B, C, D und E-Stapel ist zwar nachvollziehbar aber ich will gar nicht wissen, wie schnell man sich hier verrechnet, oder bei der Sortierung der Stimmzettel einen Zettel mit Listenkreuz und einer einzelnen panaschierten Stimme dann schnell mal doch in Stapel A packt!
Letztlich lasse ich aus meiner Sicht nur zwei Kritikpunkte wirklich gelten.
1.) Die Software ist in der Theorie manipulierbar. Hiergegen stelle ich mir einmal die genannte Gesamtstimmenanzeige vor, zum anderen sollte hier der Quellcode IMHO offengelegt werden. Darüberhinaus – und das wurde bei uns schon so gehandhabt – sollte das System live von CD laufen (idealerweise natürlich das ganze Betriebssystem).
2.) Das Personal war schlecht geschult. Nunja, dem muss, aber kann natürlich auch Abhilfe verschafft werden. Grundsätzlich sollen die Wahlhelfer dann auch selbst entscheiden, ob sie das System einsetzen wollen oder nicht. Wer sich nicht wohl damit fühlt, soll die Finger davon lassen.
Ich war froh, dass wir so auszählen konnten. Das hat mit Sicherheit nicht nur die Konzentration besser erhalten und die Fehlerrate gesenkt, sondern hat auch die Behandlung von teilweise ungültigen Stimmzetteln vereinheitlicht und dem Wählerwillen die im Rahmen der Regeln bestmögliche Gültigkeit verschafft.
Ja, man kann am System Kritik üben, aber man kann es nicht mit NEDAP oder dem Wahlstift vergleichen und es von Vornherein verteufeln, solange man nicht grundsätzlich den Einsatz von Computern beim Auszählen verteufelt (Wurden bei euch ansonsten dann auch keine Taschenrechner eingesetzt?). Zumindest habe ich die PM des CCC so verstanden, dass es bei ihnen keine grundsätzliche Ablehnung von Zählhilfen gibt.
Liebe Grüße
@5: Blackbox ist Blackbox; dem sprichwörtlichen Normalbürger nützt auch die Code-Offenlegung nichts, da er wohl weder programmieren kann, noch in der Lage ist, zu verifizieren, dass das Kompilat mit dem Quelltext übereinstimmt.
Heuer habe ich erstmals als Wahlhelfer mitgewirkt und kann nur feststellen, daß die manuelle, nicht computergestützte Auszählung in München auch durchaus zweifelhaft ist. Während die Stimmen für den Oberbürgermeister noch mehrfach gezählt wurden, gab es bei der Stadtratswahl Zweier-Gruppen ohne Gegencheck.
Die „Süddeutsche“ berichtet heute auch von zahllosen Fehlern und Ungereimtheiten, denen man nur auf die Schliche kam, weil das Amt für Wahlangelegenheiten die Ergebnisse per Computer auf Plausibilität prüft und gegebenenfalls die Protokolle auf Übertragungs- und Rechenfehler prüft bzw. offenbar auch in 18 Fällen die Urnen neu ausgezählt hat.
Ich frage mich, ob der Plausibilitätscheck auch bei den in anderen Kommunen eingesetzten digitalen Methoden angewandt wird.
@6: Ja, das ist richtig. Blackbox bleibt Blackbox. Aber 1. bleibt das Ergebnis manuell kontrollierbar und 2. ist bisher noch niemand darauf eingegangen dass auch das manuelle Auszählen (zumindest bei Kreistag und Gemeinde/Stadtrat) auch nicht unproblematisch ist.