Freibier und Freisinn

Auf Börsenblatt.net findet sich ein PDF-Dokument mit der Rede eines CDU-MdB:

Bundestagsabgeordneter Günter Krings (CDU) hat sich gestern auf der Jahrestagung der AG Publikumsverlage gegen die Freibiermentalität im Umgang mit geistigem Eigentum ausgesprochen.

Krings geht dort in einigen Punkten auf das ein, was er unter Open Source versteht. Auf einigen Thesenpunkten wird aus dem Mittelalter ein Urheberrecht hergeleitet, das Konzept von Open Source in eine Art Gegensatz dazu gestellt und dann die Verstärkung des Bewußtseins für Geistiges Eigentum gefordert. Grob gefasst, Krings macht das etwas ausführlicher und eleganter.

Es macht meist auch wenig Sinn, ein belletristisches Buch zu „verbessern“. Es kann allenfalls den Anstoß für eigene, geistige Schöpfungen Dritter bilden – von der Rezension bis hin zum eigenen Roman als Antwort auf das Gelesene. Und diese stehen in jedem Falle als eigenständige Werke neben dem ursprünglichen.

Man beachte die Beschränkung auf die Belletristik. Doch auch hier gibt es ein gewisses Problem, denn die Freiheit, einen Text ändern zu dürften muss ja nicht zwingend mit dem Anspruch verbunden sein, ihn verbessern zu wollen. Welcher deutsche Verlag hat selbst genügend Mittel, ein mäßig erfolgreiches Schmökerchen auf Urdu zu übersetzen, wenn es keine pakistanische Kulturförderung gibt, die hier Gelder dafür bereitstellen kann? Auch schon eine einfache CC-nc-Lizenz (Evil yadda yadda) reichte hier bereits aus, daß jemand den Text auf eine hör-mp3-taugliche Form herunterbrechen könnte oder den Text so glätten könnte, daß die kleine 5 jährige Susanne es mag. Nur so eine Idee.

Solange es noch keine Patente auf Handlungen gibt (ich bin zu alt), hat Krings natürlich noch eine Tür offengelassen: Ein neues Buch schreiben. So wird aus Harry Potter dann Tanja Grotter. Und alle sind glücklich, weil sie 5 Monate lang über einen Plagiatsprozess mit ungewissem Ausgang berichten können.

Wenn es an harte Texte geht (Software-Handbücher), so wird die Sache noch ein wenig klarer, denn hier bringt O’Reilly schon seit einigen Jahren vernünftige Bücher unter freien Lizenzen heraus.

Golem.de hat die Rede ein wenig auf die skandalträchtigen Teile gekürzt und flugs daraus ein „Krings: Open-Source-Idee für Bücher ungeeignet“ gemacht.

In Krings Postkasten findet sich seit einigen Stunden folgende Email:

Sehr geehrter Herr Krings,

auf den Seiten des Börsenblattes habe ich heute einen recht
interessanten Text von ihnen gelesen. Ich habe die URL dazu auf die
Mailingliste der deutschsprachigen Wikipedia weitergeleitet und bin
einmal gespannt, wie dort die Reaktionen ausfallen werden.

Wikipedia ist ein mehrsprachiges internationales Projekt zur
Erstellung einer Enzyklopädie. Die Texte sind urheberrechtlich
geschützt, von den Autoren jedoch unter eine freie Lizenz, die GNU FDL
gestellt, die den freien Einsatz der Texte auch zu kommerziellen
Zwecken erlaubt.

Obwohl das Projekt gerade erst 5 Jahr alt ist (am 15. Januar wird
gefeiert), hat es doch in den letzten Jahren schon einiges auf die
Beine gestellt. Wikipedia gehört derzeit zu den am 20
häufigstbesuchten Webseiten weltweit, will man einmal den Zahlen von
alexa.com glauben. 2 von 1000 Webseitenbesuchen gehen auf Wikipedia.

In Berlin hat ein Verlag (Zenodot) gerade die ersten drei Bände einer
Taschenbuchreihe herausgebracht, deren Texte aus der Wikipedia stammen
und die lizenzkonform eingesetzt werden. Wer will, kann die
Taschenbücher für etwa 10 Euro im Buchhandel erwerben. Darüber hinaus
gibt es sie als PDF zum Download auf den Seiten der Wikipedia und bei
www.wikipress.de, wo auch die Arbeiten an weiteren Bänden stattfinden.

Directmedia und Zenodot sind damit aber nicht die Ersten. O’Reilly und
andere Verlage pubizieren schon seit einigen Jahren Bücher, die
ebenfalls unter einer freien Lizenz stehen. Der heise-Verlag / dpunkt
haben 2004 einige Werke unter die Creative-Commons-Lizenz gestellt.

In Ihrem Text hatte ich zwischenzeitlich den Eindruck, als seien hier
die freie Lizenzierung und die Befürwortung des geistigen Eigentums
ein Widerspruch. Aus meiner Arbeit in der Wikipedia kann ich Ihnen
versichern, daß dies mitnichten der Fall ist.

Damit die Texte der Wikipedia frei einsetzbar sind und frei bleiben,
sind auch wir gezwungen, Urheberrechtsverletzungen entgegenzuwirken.
Dies fängt dann bei Zeitungen an, die ohne die Befolgung der
Lizenzbedingungen und sogar ohne Quellenangabe lange Passagen
übernehmen, sei es nun die Süddeutsche Zeitung oder Spiegel Online.

Ich würde mich freuen, mit Ihnen über das Thema freier Textlizenzen in
einen Austausch treten zu können und Ihnen die Anwendungsmöglichkeiten
freier Textsammlungen zu zeigen.

Herzliche Grüße,
Mathias Schindler

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