Michael Naumann segelt ins Delirium

Der ehemalige Kulturstaatsminister und jetzige Cicero-Chefredakteur Michael Naumann hat einen Kommentar zur Piratenpartei geschrieben: Mit vollen Segeln in die Vergangenheit..

Kurz zusammengefasst: Er hat eine negative Meinung, aber kaum Sachkenntnis, er verwechselt einige Sachen und baut ansonsten einen Großteil seiner Argumentation auf Fehlinterpretationen auf. Liest das Niemand gegen? Ich hab in letzter Zeit selten einen so kurzen Text mit so vielen Fehlern über die Piratenpartei gelesen.

Das fängt mit der Behauptung an, dass die Piratenpartei das Urheberrecht abschaffen wolle und endet damit, dass die „Algorithmen hinter den Software-Programmen ihrer Geräte das Eigentum ihrer Entwickler“ seien, was zum Glück mit den Protesten gegen Softwarepatente vor einigen Jahren verhindert wurde.

33 Ergänzungen

  1. Da kann man doch nur Cicero zitieren „Dum spiro spero“. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, daß er’s noch lernt. Cuiusvis hominis est errare, nullius nisi insipientis perseverare in errore.

  2. Was soll Michael Naumann denn auch machen? Er ist beim Cicero und in der SPD. Das Thema Urheberrecht ist komplex, es muss einen Mann mit schlichtem Gemüt zwangsläufig überfordern, siehe Siegfried Kauder, CDU.

    Ich denke, dass das die Leser des Ciceros auch erwarten: billige Klischees, die nichts mit der Realität zu tun haben. Sonst würden sie kaum Cicero lesen.

  3. Ich habe den Artikel jetzt noch nicht gelesen, aber Michael Naumann ist die Art von Feuilleton-Kulturpessimisten-Wichtigtuer, die man nicht braucht. Mir fallen noch drei-vier andere Leute an — meistens aus DER ZEIT, meisten mit sehr engen Bindungen zur Contentindustrie und einer sehr engen Sicht auf Kultur … Ich mag sie alle nicht mehr lesen. Aber jetzt tue ich es noch mal, damit meine spätere Kritik mehr Sinn macht …

  4. Ich hatte mir einmal ein Probexemplar dieses Magazins zukommen lassen und nachdem mich schon die erste Seite mit Kampagnenjournalsimus empfing (Peer Steinbrück der Retter und Kanzlerkandidat der SPD – er hat bisher nur Wahlschlappen und zu Teilen auch die Finanzkrise mit zu verantworten, siehe http://www.nachdenkseiten.de/?p=6777 ) habe ich dieses schnellsten wieder gekündigt.
    Warum sollte man dafür so viel bezahlen?
    Ich will keinen Kampagnenjournalismus. Ich will investigativen Journalismus!

  5. Man muss sich ja wirklich wundern, was für eine Kampagne Cicero da gegen die Piraten fährt. Fühlt sich da jemand angegriffen in seiner gemütlichen links-grünen Ecke der vermeintlichen Polit-Avantgarde und ist jetzt beleidigt, dass jetzt jeder sehen kann, wo progressive Politik schon lange nicht mehr zuhause ist?

    Getroffene Hunde bellen…

      1. Ob Cicero als solches „links-grün“ ist, sei einmal dahingestellt. Aber zumindest Herrn Naumann gehört mmn schon zum eher linken Medien-Establishment.

      2. Unsinn. Der Cicero ist konservativ, und Naumann ist rechter SPD-Flügel, also ein Mainstream-Wirtschaftsliberaler. Mit dem „grün“ eines Cem Özdemir mag das vielleicht noch was zu tun haben, mit „links“ ganz sicher nichts.

      3. @Alex Jupp, so sieht es aus. Cicero als grün oder sogar links zu bezeichnen, ist wirklich originell.

  6. Ich habe den Text jetzt gelesen. Der Text ist schlecht. Fremdwörter wie „Algorithmen“ werden benutzt, aber man merkt, dass ihre Bedeutung vom Autor nicht verstanden wurden. Diese Verständnis ist aber gerade für einen solchen Text wichtig. Letztendlich reicht Markus kurze Kritik für diesen schwachen Text vollkommen aus. Der Text kaudert.

    Für jemanden aus der Verlagsbranche scheint er zudem wenig über die Geschichte, ähm „Kultur“ des Buchs zu wissen. Vermutlich stehen gerade solche „Zeitungen“ und „Journalisten“ durch das Internet besonders unter Druck. Zu recht. Wer will schon dafür regelmäßig Geld ausgeben? Qualität ist etwas anders.

    1. Die exakte Formulierung der Parteiposition findet sich im Programm http://wiki.piratenpartei.de/Parteiprogramm und ja das ist allgemein gehalten.

      Konkreter werden wird es, wenn jemand (nicht notwendigerweise ein Mitglied) einen entsprechenden Programmänderungantrag einbringt und die Mitglieder den auf einem Bundesparteitag beschließen.

      Der nächste Bundesparteitag findet nebenbei bemerkt am 3./4. Dezember in der Stadthalle Offenbach (Hessen) statt.

  7. Ich habe selten so einen schlecht recherchierten Artikel gelesen.
    Naumanns Artikel ist praktisch von Anfang bis Ende faktisch falsch.
    Das Groß der Journalisten hat soch wohl immer noch nicht von dem Schock des Wahlerfolges erholt.

  8. Mit 70 Jahren ist nicht jeder in der Lage einen Wandel zu akzeptieren, für den in den eigenen Wertvorstellung kein Platz ist.
    …und es ist schwierig einen 70 jährigen von seiner Meinung abzubringen (bzw. gegenzulesen).

    Die Piraten ist eine junge Bewegung und die Alten wird sie nie überzeugen.

    1. Ich bin zwar keine 70, sondern erst 54, aber immerhin von Anfang an von den Piraten überzeugt.

      Ich bin seit Jahren arbeitslos und halte mich mühsam mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Daher kann ich mir eine Parteimitgliedschaft nicht leisten. Ab kommenden Jahr habe ich wieder eine Anstellung in Aussicht. Nicht besonders viel Geld, aber immerhin. Da ziehe ich es ernsthaft in Betracht, ab dieser Zeit dort Mitglied zu werden.

      Alter ist weder ein Hinderungsgrund noch eine Ausrede. Solch konservative Ignoranz wird bereits in jungen Jahren gelegt. Das verfestigt sich im Alter nur.

  9. Der Naumann ist doch ein geistiger Tiefflieger erster Güte. Ich habe von dem in einem Jahrzehnt noch nicht einen einzigen intelligenten Satz gehört. Dieser Knilch passt zu SPD, Zeit und zu Cicero: Wirtschaftliberaler Mainstream, eine Menge Selbstüberschätzung und nichts dahinter. Gar nichts. Er soll endlich in Rente gehen und die Welt verschonen.

  10. Ich fürchte, der Herr Naumann ist hier auf einem alten morschen Kahn mitten ins Bermudadreieck gefahren, und hängt nun geistig im Algenteppich, um die maritime Metaphorik auch angemessen zu strapazieren.

    Dass der Slogan „Eigentum ist Diebstahl“ natürlich von Proudhon stammt und nicht von „Berliner“ „68ern“, dass in der bildenden Kunst nichts so umstritten ist wie Autorenschaft, geistiges Eigentum, Kopie, Original, Wert, das Verhältnis von Konzept und Ausführung, oder das gute alte Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit – es ist ihm in seinem kruden Marktglauben alles einerlei. Er würde wohl außer sich geraten, wenn er erführe, dass der wertvolle Warhol-Druck nur eine Kopie ist und noch nicht einmal vom Meister selbst gefertigt. Solche Texte sind wirklich ärgerlich und stehlen einem nur die Zeit.

    1. Ja, kruder Marktglaube passt wohl ganz gut. Dazu die Angst das man überflüssig geworden ist und das man sich und seine (Kultur-)Weltsicht nicht mehr vermarkten kann.

      Traurigerweise muss man auf seine „Argument“ oder „Belege“ nicht weiter eingehen. Da er noch nicht mal auf die unterliegende Problematik mit der digitalen Welt und des Urheberrechts eingeht, bleiben sie austauschbar und falsch. „Information wants to be free“ wäre wohl das was er gesucht hat. Aber “Eigentum ist Diebstahl” lässt sich noch leichter angreifen … Er unterschiedet noch nicht mal die verschiedenen Motive von Wissenschaft und Kulturindustrie. Was für ein Experte.

      Hauptsache er verstärkt das Angstbild der hedonistischen Karnevalsgruppe, die seine konservative Kultursicht und die bisher (für Leute wie ihn) halbwegs funktionierende Kulturindustrie zerstören könnte.

      „Information Wants To Be Free. Information also wants to be expensive. …That tension will not go away.“
      http://www.rogerclarke.com/II/IWtbF.html

      1. „Ja, kruder Marktglaube passt wohl ganz gut. Dazu die Angst das man überflüssig geworden ist und das man sich und seine (Kultur-)Weltsicht nicht mehr vermarkten kann. “

        Diese Angst ist nicht ganz unberechtigt! Neben den Möglichkeiten, die das Internet bietet, die eigenen Werke schnell und preiswert zu verbreiten, kann alles Mögliche mit ihnen geschehen. Für manchen Künstler sind die eigenen Werke wie Kinder, eng mit seiner Identität verbunden. Außerdem möchte er nicht unbedingt vom Jobcenter leben, sondern lieber von seinen Werken.

      2. Der Kunstbegriff ist ein weiter, eben so ist es mit „Technik“ und „Kultur“ (Kulturtechnik?). Hätte Herr Naumann eine offene Diskussion gewollt, hätte er es auch so ansprechen können.

        Das Problem ist: Die Leute, die Geld mit Kultur/ihrer Kunst machen wollen, sind in der Minderheit. Die Leute, die Kultur für sich nutzen, verändern und teilen wollen sind in der Mehrheit. Da hilft auch die Moralkeule nicht. Sich deswegen die Grundrechte und das Internet kaputt zu machen, ist sicherlich auch keine Lösung und auf Dauer nicht sinnvoll. Eine Lösung, die Künstlern, deren Kunst digitaliersierbar ist, Einnahmen bringen wird, wird freiwillig sein.

        Erst jemand der es schätzen gelernt hat wie schwierig es ist etwas zu schaffen, wird dafür auch zahlen. Diese Erfahren machen jeden Tag immer mehr Leute. Gute Ideen kann man nicht schützen, aber sie setzen sich durch. Alle Künstler wissen das. Und sie kopieren ihre „Vorfahren“ jeden Tag.

        Auch Kunst & Kultur:
        http://www.youtube.com/watch?v=Cj6ho1-G6tw

  11. „Erst jemand der es schätzen gelernt hat wie schwierig es ist etwas zu schaffen, wird dafür auch zahlen.“

    Ich denke nicht, dass die meisten Menschen sehen, wie viel Arbeit in dem steckt, was sie täglich, vielleicht sogar en masse, konsumieren. Für manche ist es allein schon dadurch weniger wert, dass sie umsonst drankommen.
    Diejenigen, die sich in Kultur Schaffende hineinversetzen können, deren Arbeit wertschätzen, weil ihnen das Resultat spürbar etwas gibt, gibt es natürlich auch.
    Ich glaube aber nicht daran, dass alle Menschen einen Bezug zu den – plakativ – Festplatten voller Kunstwerke entwickeln, die sie mal eben gedownloadet haben.

    „Gute Ideen kann man nicht schützen, aber sie setzen sich durch. Alle Künstler wissen das. Und sie kopieren ihre “Vorfahren” jeden Tag.“

    Ein geschickter Künstler verleiht seinem Werk aber eine eigene Note, setzt manches dran, um über seine Vorfahren hinauszukommen, die des Weiteren von ihrer Kunst nicht mehr zu leben brauchen, da sie gestorben sind.

    Übrigens sehe ich auch nicht, warum z. B. Programmierer und Webdesigner grundlegend anders vorm Gesetz behandelt werden sollten, als andere Kultur Schaffende. Jedoch muss man berücksichtigen, dass es Unterschiede bspw. zu Schreibenden gibt. Fotografien wiederum werden nicht ohne Grund gesetzlich wiederum etwas anders behandelt als Texte. So sind auch Codes und Algorithmen etwas anders in Art und Funktion.
    Grundlegend jedoch möchten alle fair auch vom Gesetz behandelt werden.

    1. Diese ganze Debatte nicht so schwarz-weiß wie sie von beiden Lobbygruppen gemacht wird. Das darf man nicht vergessen.

      Das Grundproblem ist, das einige Künstler hoffen, der Staat würde ihre in der Masse geringen Einkünfte durch Eingriffe in das Netz und die Rechte der Bürger schützen. D. h. sie hoffen sie könnten ihre Werke ohne große Dritte besser verkaufen — mit DRM und Überwachung. Mein Buch/meine CD im Apple-Store und jeder Klick klingelt. Dies ist aber ein Irrglaube.

      Aber dieser ganze Künstlerpathos ist eh egal, es geht um die Abwägung Internet Freiheit vs. Verdienstmöglichkeiten von Künstlern optimieren. Ich weiß, so sehr ich auch l e b e n d e Künstler schätze, bezahle und respektiere, ziemlich genau wo ich da stehe.

      1. „Das Grundproblem ist, das einige Künstler hoffen, der Staat würde ihre in der Masse geringen Einkünfte durch Eingriffe in das Netz und die Rechte der Bürger schützen.“

        In dieser Sache sind wir Menschen höchst parteiisch. Die Sicht bestimmt der eigene Nutzen, manchmal sogar von höherer Einsicht begleitet.

        „D. h. sie hoffen sie könnten ihre Werke ohne große Dritte besser verkaufen — mit DRM und Überwachung. Mein Buch/meine CD im Apple-Store und jeder Klick klingelt. Dies ist aber ein Irrglaube.“

        Das Verhalten, die Wertvorstellungen der Menschen sind da in der Tat wesentlich, denn das Internet wird sich in seiner grenzenlos anmutenden Freiheit nie technisch beschränken lassen. Um jede Beschränkung gäbe es mindestens einen Aus- oder Umweg.

        „Aber dieser ganze Künstlerpathos ist eh egal, es geht um die Abwägung Internet Freiheit vs. Verdienstmöglichkeiten von Künstlern optimieren. Ich weiß, so sehr ich auch l e b e n d e Künstler schätze, bezahle und respektiere, ziemlich genau wo ich da stehe.“

        Vielen ist der Zusammenhang (noch) nicht klar, dass der Künstler, dessen Werk man schätzt, auch Geld braucht, das er auf bisherigem Weg nicht mehr oder kaum noch erhält. Ich rede eher von „kleinen Künstlern“, von denen manche gute Sachen machen.

  12. Auffällig ist bei Naumanns Artikel auch, wie krampfhaft er versucht, den Piraten das vermeintliche Stigma des veralteten Alt-68ertums an zu heften. Was soll das? Ist plumpe Propaganda und medial inszenierte Manipulation nun ein legitimes Mittel zum Zweck, eines ehemaligen Ministers?

    Das Internet verändert genau genommen lediglich die Verwertungskette der Werke. Über soziales Micropayment ( flattr.com ) werden schon jetzt, z.B. ein Großteil der hiesigen Podcast mitfinanziert. Dabei zahlen die Nutzer einen Obolus über flattr an den Künstler direkt. Das dabei die veraltete Verwertungsindustrie, mit ihren über jahrzehntelangen politischen Verflechtungen, leer ausgeht, mag für diese ja ärgerlich sein. GERECHTER allerdings ist es, wenn die Entlohnung, wie in in Falle von flattr, an die Künstler direkt geschieht.

    Langfristige Perspektive sollte daher sein: Eine Kulturflatrate

    Würde man alle Providern eine Kulturflatrate erheben lassen. Könnten aus diesen „Topf“ auch problemlos Künstler bezahlt werden. Die veraltete Verwertungsindustrie benötigt man dafür nicht.

  13. Das Problem bei dieser Diskussion ist, dass es eigentlich eher am Rande um das finanzielle Auskommen der Künstler geht. Gut, dieses Argument wird gerne hervorgeholt, um damit alle möglichen und unmöglichen Restriktionen durchzupauken. Aber in der Realität geht es nur am Rande darum. In der Hauptsache geht es um knallharten Profit, und zwar nicht der Künstler, sondern einer Verwertungsindustrie, die in der Zeit stehen geblieben ist.

    Was die Finanzierung der Künstler angeht, da brauchen wir dringend Konzepte, die auch funktionieren. Was den Profit der Verwertungsindustrie angeht, interessiert micht nicht. Ich brauche heute keine Flaggellanten mehr, denn die Zeit der großen Pest ist vorbei. Genauso wenig brauche ich heute noch eine Verwertungsindustrie. Setzt denen ein Denkmal im Museum, und gut ist.

    Was die Kulturflatrate angeht: Halte ich nicht so viel von. Eine Kulturflatrate führt dazu, dass sich Durchschnittskultur der etablierten Art ausbreitet, und Innovation und das besondere auf der Strecke bleiben. Vielleicht Kulturflatrate als eine Art Grundversorgung. Wenn überhaupt. Aber wer definiert denn, was ein Künstler und was Kunst ist, und wer wie hoch für was aus dieser Flatrate entlohnt wird? Die Einzigen, denen ich Sowas noch halbwegs zutrauen würde, wären die Künstler selber. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Man muss sich nur mal die Kunstscene der früheren DDR zu Gemüte führen: Da hat es angepasste Kunst mit angepasstzen Künstlern gegeben, und unangepasste Kunst, die nicht als Kunst anerkannt wurde. Im Dritten Reich nannte man das entartete Kunst und verbrannte es (mitsamt den Künstlern). Und die etablierten Künstler standen nicht dagegen auf.

    Was wir vor Allem brauchen, ist eine vernünftige Lizensierung. Creative Commons zeigt da eine Möglichkeit auf. Einfache, funktionierende und sichere Bezahldienste für Geringstbeträge wären ein weiterer Schritt. Das einer US-Firma wie PayPal zu überlassen ist nicht gerade der Weisheit letzter Schluss. Hier wäre entweder der Staat oder besser eine Künstlervereinigung oder etwas Derartiges gefragt. Und natürlich Entwickler, die Sowas sicher machen.

    1. Wie kommen die Künstler an ihr Geld?

      Das Problem bei Kulturflatrates oder steuerfinanzierter subventionierter Kultur sehe ich in Mittelmaß, Vetternwirtschaft und Korruption. Wie soll das Geld verteilt werde, wer solls machen?

      Man hat das Problem auch jetzt schon: In der bildenden Kunst, oder beim Theater, oder in der Literatur stehen einige staatliche (und private) Gelder für Kunst bereit, Förderungen, Stipendien, Festivals. Was geschieht, ist einerseits, dass die Geldgeber subtil Einfluss nehmen. Der sponsornde Bierhersteller will unkontroverse, spritzige, witzige Sachen sehen. Die grüne Kulturbehörde will eher Sachen, die auf Gender oder Klima aufmerksam machen, oder 68ern auf die Schultern klopfen. Die christsoziale Behörde möchte jodelnde Trachtler fördern, oder über Religion reden. Der Autohersteller über Mobilität. Der Künstler will selbst Geld, Anerkennung, Erfolg – also tut er ihnen den Gefallen, und prodziert das Gefragte, denn er weiß ja, was da gut ankommt. Ade, Freiheit der Kunst, hallo Langeweile. Schaut euch nur mal an, was da so gefördert wird.

      Aber das ist nur die eine Seite der Geber. Wie sieht es bei der Verteilung aus, und bei den Nehmern?

      In den Gremien, die Gelder vergeben, sitzen heute oft schon selbst Künstler und Mitglieder von Künstlerverbänden. Diese lassen dann aber gerne guten alten Freunden oder verdienten Mitstreitern was zukommen. – „das hamma uns verdient“. DDR 2.0, von Transparenz keine Spur. Da es keinen absoluten Qualitätsmaßstab für Kunst gibt, geht alles eher über Hörensagen, Mode und sich-gut-verkaufen. Wer ist gerade angesagt, obwohl man eigentlich gar nicht genau weiß, wieso jetzt? Egal, Stipendium, wird schon gut sein, wenn alle das immer so gut finden und der/die doch so ein Super Typ ist. Oder wenn die Laudatio nur verquast genug ist und das Kultur-und-Kuratoren-Bullshit-Bingo ordentlich abarbeitet. Manche basieren inzwischen ihren kompletten Lebensunterhalt darauf, ständig Anträge voller gerade modischem Kultur-Gelaber an die entspr. Stellen zu stellen, und Gelder für ihre „Projekte“ einzuwerben, die angeblich die Gesellschaft kulturell unglaublich bereichern, oft aber eher die fleißigen Antragsteller. Das heißt nicht, dass man mit irgendetwas Außergewöhnlichem, mit tollen Ideen, guter Kunst nicht auch mal eine Förderung bekommt. Aber umgekehrt ist das wenigste von den ganzen geförderten Sachen außergewöhnlich, originell, toll. 50% und mehr fallen eher in diese Mauschelei-, Streber- und Vetternwirtschaftskategorien. Wie Regietheaterhasser wissen: Subventionierte Kultur wird schnell sehr langweilig und berechenbar, auch wenn da noch so viele Nackte auf die Bühne kacken. Es ist auch eine Form von Zähmung der Kultur, und eben Dünger für korrupte Netzwerke, die das Licht der Transparenz bei der Ausgabe der Steuergelder scheuen: „Das versteht ihr nur nicht! Banausen!“ Gerade bei Kultur funktioniert das sehr gut, denn alle finden Kultur irgendwie wichtig und toll, ohne dabei genau zu wissen, wieso jetzt eigentlich. Kommt dann so ein Kuratorenchecker oder Laberkünstler daher und schwallt die Leute voll, nicken es irgendwann alle eingeschüchtert nur noch ab.

      Was hier die Lösung ist, weiß ich nicht, denn auch der Markt produziert ja in der Breite nur seichtes, angepasstes (Disney, Remake-Blockbuster, 0815-Chart-Hits), oder aber sehr teure Elitekunst für paar Reiche und ihre beratenden Kulturlakaien. Dem Markt die Kultur völlig zu überlassen und zu vertrauen, dass sich so Qualität schon durchsetzen wird, ist also auch ein Irrweg. Man betrachte nur den aktuellen Kunstmarkt…

      Das einzigte Modell, das mir einfällt, das sich all dem entzieht, ist tatsächlich das bedingungslose Grundeinkommen. Ansonsten gab es Kultur aber lange, bevor es Staaten gab, und es wird sie immer geben, ganz unabhängig von der jeweiligen Ökonomie oder Politik.

  14. „In der Hauptsache geht es um knallharten Profit, und zwar nicht der Künstler, sondern einer Verwertungsindustrie, die in der Zeit stehen geblieben ist.“

    Wenn die Sache so einfach wäre! Viele Künstler haben keinen Bock sich ums Geschäftliche zu kümmern, überlassen das anderen. Ist es kein Agent, dann die Verwertungsindustrie, oder sind es beide.

    „… denn auch der Markt produziert ja in der Breite nur seichtes, angepasstes (Disney, Remake-Blockbuster, 0815-Chart-Hits), oder aber sehr teure Elitekunst für paar Reiche und ihre beratenden Kulturlakaien.“

    Na ja, es gibt einiges zwischen seichter und Elite-Kunst! Aber ansonsten stimme ich deinem Kommentar/Beitrag vollends zu!

    „Ich bin seit Jahren arbeitslos und halte mich mühsam mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Daher kann ich mir eine Parteimitgliedschaft nicht leisten.“

    Bin zwar gerade zu faul, es rauszusuchen, mir aber hundertpro sicher, auf einer Website der Piraten gelesen zu haben, man könne den Piraten begründen, warum man sich den Mitgliedsbeitrag von mtl. drei Euro nicht leisten könne. Ob man dann mit einem geringeren Beitrag oder ohne einen solchen Mitglied würde, weiß ich natürlich nicht.

    1. Ja, gut erkannt, ist genauso schwach. Evtl. kann man dem Artikel hier ja noch ein Update verpassen?

      Die Argumentationslinie jetzt legt lustigerweise seine wahren Motive offen.

      Naumann:
      1) Softwarepatente sind toll und irgendwie ein Naturrecht schlecherdings und so. Kant, Kultur, sie wissen schon. Ich habe Kant gesagt. Nicht weiter fragen, Kant! Verstehen sie? Kultur!
      2) Wer das Urheberrecht verändert lasst irgendwie auf Folter zu. Oder so ähnlich. Was würde wohl Christian Meier dazu sagen?
      3) Aus der informationelle Selbstbestimmung lässt sich das Urheberrecht ableiten. Meine Daten gehören mir! Also Urheberrecht für alle! Problem: Urheberrecht hat eh schon jeder, die Frage sind Nutzungsrechte und deren Auslegung, lieber Herr N. … Wieder das Thema verhauen.
      4) Ist auch BS, den auch keiner so gemeint hat, aber erst mal Panik weiter weiterverbreiten …

      Zum mitschreiben in die gottgegebene bürgerliche Naturrechtskladde: Keiner will das Urheberrecht abschaffen, jeder soll Urheber seiner Dinge bleiben. Die Schutz- und Nutzrechte sollen aber für das Internet angepasst werden. Die wird die Verlage (Bertelsmann, Randomhouse & Co.) schädigen und dies ist auch gut so, den Urhebern werden, wenn das System offen ist und keiner Angst mehr vor Bestrafung haben muss, Tantiemen bekommen. Wie auch jetzt schon über die Büchereien.

      „Das bürgerliche System des Eigentums verlangt jedoch, Wissen und Kultur nach Maßgabe der Zahlungsfähigkeit zu rationieren.“ Eben Moglen: dotCommunist Manifesto

      Und sowas war mal Kulturminister. Unter der SPD.

  15. @Veit: Dass Künstler sich nur sehr ungern und oft erfolglos mit der Vermarktung ihrer Kunst abgeben, kann ich nachvollziehen. Das geht nicht nur Künstlern so. Geht mir als freischaffender Programmeirer genauso (daher die Gelegenheitsjobs). Aber das einem Konzern zu überlassen ist nicht gut. Dann schon eher einem Agenten. Am Besten macht das, falls vorhanden, der Ehepartner. Grundsätzlich ist das allerdings kein einfaches Thema.

    Es ist richtig, ich könnte bei den Piraten auch Mitglied werden und meine Parteigebühren stattdessen abarbeiten. Da ich nicht weiss, ob oder in welchem Umfang ich das kann (auch, wenn ich wenig verdiene, ich arbeite viel und habe wenig Zeit), lasse ich das lieber. Und ob ich nun heute oder morgen Mitglied werde, das macht den Kohl auch nicht fett. Und Anderen auf der Tasche liegen will ich nun überhaupt gar nicht.

    Nun ja, aber die Piratenpartei und deren Mitglieder sind hier ja nicht das Thema :)

  16. „[…] the recent trend
    to patenting algorithms is of benefit only to a very small number of
    attorneys and inventors, while it is seriously harmful to the vast majority of people who want to do useful things with computers. When I think of the computer programs I require daily to get my own work
    done, I cannot help but realize that none of them would exist today if
    software patents had been prevalent in the 1960s and 1970s.

    http://www.pluto.it/files/meeting1999/atti/no-patents/brevetti/docs/knuth_letter_en.html

    My personal opinion is that algorithms are like mathematics, i.e. inherently non-patentable. It worries me that most patents are about simple ideas that I would expect my students to develop them as part of their homework. Sometimes there are exceptions, e.g. something as refined as the inner point method of linear programming, where one can really talk about a significant discovery. Yet for me that is still mathematics.

    I come from a mathematical culture where we don’t charge money from people who use our theorems. There is the notion that mathematics is discovered rather than invented. If something was already there, how you patent it?

    http://eupat.ffii.org/gasnu/knuth/index.en.html

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.