Kleiner Ausblick: ACTA und die EU

Bald ist es soweit: Die Europäische Kommission möchte in den kommenden Monaten das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA unterzeichnen.

Zwar wurde in der letzten Version des Abkommens (pdf) auf eine ausdrückliche Three-Strikes-Regelung verzichtet, aber Internetprovider und Urheberrechtsinhaber sollen zur ‘Kooperation’ verpflichtet werden. Von offizieller Seite wurde bereits verkündet, dass diese endgültige Fassung keine konkreten gesetzgeberischen Auswirkungen auf nationaler Ebene haben wird. Strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung des Urheberrechts müssen aber in den Teilnehmerstaaten eingeführt werden und die erweiterten Befugnisse der Zollbehörden lassen weiterhin Durchsuchungen von Laptops und MP3-Playern zu. Problematisch ist zudem, dass das Abkommen demokratische Prozesse umgeht und viele Regelungen so vage gehalten sind, dass den Teilnehmerstaaten in vielen Bereichen Interpretations- und Handlungsspielraum gelassen wird.

Wie wir schon seit einiger Zeit wissen, wird in der Kommission eine ehemalige Lobbyistin der Musikindustrie die neue EU-Urheberrechtsbeauftragte. Und nun sieht es sogar so aus, als würden die ACTA-Gegner in Brüssel eine wichtige Alliierte verlieren: Françoise Castex (S&D) scheint ihre Meinung bezüglich ACTA geändert zu haben. Die Europaabgeordnete ist bisher vehement gegen das Abkommen vorgegangen. Sie initiierte im letzten Jahr die schriftliche Erklärung 12/2010, mit der das EU-Parlement den intransparenten Prozess der Verhandlungen, Einschränkungen des Rechts der freien Meinungsäußerung und des Rechts auf Privatsphäre sowie die Haftung für Internetprovider ablehnt. Die Erklärung wurde mit großer Mehrheit (393 Unterzeichner) vom Parlament angenommen. Castex hatte im letzten Herbst auch den Gallo-Bericht ordentlich auseinander genommen und rief in der Tageszeitung Libération dazu auf, in Europa über neue Finanzierungsmodelle für Künstler nachzudenken und das Urheberrecht neu zu erfinden.

Das französische Magazin PCInpact berichtet nun, dass Castex während einer Unifab-Konferenz erklärte, “dass es keine Unstimmigkeit gibt, sondern einen sehr sehr starken Konsens innerhalb der Europäischen Union, das europäische Urheberrecht zu verteidigen; hierbei besteht kein Zweifel”. Und keine Panik, laut Castex stützt ACTA sich natürlich auf den Acquis Communautaire! Die Abgeordnete ist daher fest davon überzeugt, dass das Parlament dem Abkommen zustimmen wird:

Natürlich wird das Parlament das Abkommen ratifizieren und seine Zustimmung geben, denn viele unserer Fragen wurden beantwortet.

Uns steht also die Abstimmung im EU-Parlament sowie in den nationalen Parlamenten bevor. Um in den kommenden Monaten zu vemeiden, dass unsere Abgeordneten umkippen, sollten wir sie unterstützen und an die Erklärung 12 erinnern.

Bei Françoise Castex könnte man beispielsweise direkt mal anrufen und nachfragen, wie es kommt, dass sie ihre Meinung zu ACTA so grundlegend geändert hat. Ihre Telefonnumer in Büssel: +32 (0)2 28 45129 und in Straßburg: +33 (0)3 88 1 75129 – Email-Adresse: francoise.castex@europarl.europa.eu. Sie ist in der Sitzungswoche ab 9. Mai in ihrem Straßburger Büro zu erreichen. Eine Liste aller deutschen EU-Abgeordneten findet man hier.

(Crossposting von vasistas?)

9 Ergänzungen

  1. Castex bzw. ihre Mitarbeiter sind auch diese und nächste Woche in Brüssel im Büro erreichbar.

  2. man sollte die baumassnahmen überprüfen, die unter dem namen castex laufen, vielelicht gibts eine neue villa an der riviera, gesponstet von….ist ja egal, sind ja alle käuflich. und nachdem man ganz offiziell einen wolf in die schafsherde setzt, und das nicht mal verdeckt und heimlich, kann mich die EU samt ihren krümmungsgradregeln und dieselbesteuerungen und der forderungen nach EU-steuer sowieso kreuzweise. stimmt nicht, sie kann mich eigentlich schon immer……

    grund- und bürgerrechte werden halt über die EU ausgehebelt, wenn es mit kipo und terror etc. in den mitgliedsländern nicht so funktionieren will.

  3. KLARSTELLUNG: Françoise Castex weiterhin gegen ACTA!

    Françoise Castex hat zu ACTA in den letzten Wochen zwei Anfragen an die Kommission eingebracht.

    Die erste (bezieht sich auf die Auswirkungen des Übereinkommens auf den gemeinschaftlichen Besitzstand der EU. Françoise Castex forderte die EU Kommission auf, sich insbesondere zu den zwei folgenden Punkten zu äußern:
    „1. Wie erklärt die Kommission im Hinblick auf zivilrechtliche Durchsetzungsmaßnahmen die unterschiedliche Formulierung der Bestimmungen, die die Höhe des Schadenersatzes bei Verletzungen der geistigen Eigentumsrechte betreffen? Hier werden im ACTA zusätzliche Kriterien ergänzt, die in Richtlinie 2004/48/EG nicht enthalten sind, nämlich der bei der Festlegung der Schadenersatzhöhe anzuwendende Marktpreis oder der empfohlene Verkaufspreis (Artikel 9 Absatz 1). Und kann sie mitteilen, ob dabei eine Kumulierung mit dem Gewinn des Verletzers erfolgen würde (Artikel 9 Absatz 2), womit die für Schadenersatz anfallenden Beträge im Vergleich zur jetzigen Lage höher ausfallen würden?
    2. Wie will die Kommission sicherstellen, dass die Bestimmungen über Grenzmaßnahmen, die sich mit den verschiedenen Formen von Verstößen gegen geistiges Eigentumsrecht befassen — und nicht allein mit nachgeahmten Waren —, nicht den rechtmäßigen freien Verkehr von Arzneimitteln gemäß dem Grundsatz des freien Warenverkehrs bei gleichzeitiger Erschöpfung der Rechte behindert und verzögert?“
    http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+WQ+E-2011-001812+0+DOC+XML+V0//DE

    Die zweite Anfrage betrifft den Zugang zu den das ACTA-Abkommen vorbereitenden Unterlagen.
    http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+WQ+E-2011-002345+0+DOC+XML+V0//DE

    Auf beide Anfragen erwartet die EU-Abgeordnete immer noch die Antworten der Kommission. Ungeachtet der Antworten der EU Kommission wird Françoise Castex jedoch mit Sicherheit gegen das Übereinkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie (ACTA) votieren.

    Die sozialdemokratische, französische Abgeordnete gehört seit Beginn der Verhandlungen zu den Frontkämpfern gegen dieses Abkommen. Allerdings sieht es derzeit so aus als würde die Mehrheit der Abgeordneten des Europäischen Parlamentes ACTA zustimmen. Genau das, nicht mehr und nicht weniger, wollte die Sozialdemokratin in Paris bei der Unifab-Konferenz sagen. Daher würde sich Françoise Castex freuen, würden die Leserinnen und Leser von Netzpolitik.org sich an ihre Kolleginnen und Kollegen wenden, um diese zu überzeugen MIT Françoise Castex GEGEN ACTA zu stimmen!

    Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
    Raphaël Delarue
    Parlamentarischer Referent
    Büro Françoise Castex, MdEP
    Europäisches Parlament
    ASP 14 G 210
    Rue Wiertz
    B-1047 Brüssel
    Tel.:+32-2-28 47 129
    Fax:+32-2-28 49302

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