Meinungsunterschiede zum Urheberrecht in grüner Europa-Fraktion

Der Westen hat ein kleines Portrait über den schwedischen EU-Abgeordneten Christian Engström von der Piratenpartei, der im Europaparlament Teil der Grünen-Fraktion (Greens/EFA) ist: Piratenpartei kämpft mit ideologischen Gräben. Das Portrait bringt als Gegenpunkt Helga Trüpel, die in der grünen Europafraktion für Kulturpolitik zuständig ist und als Gegenpol die Positionen von Engström zum Urheberrecht nicht gut findet:

Dass der Schwede auch in der eigenen Fraktion auf viel Zustimmung stößt, registriert die Kulturpolitikerin mit Kopfschütteln. „Wir waren doch immer schon für Fair Trade. Warum sind wir das nicht beim Internet?“, fragt sie sich und die Parteifreunde. Es müsse wohl eine Generationenfrage sein, der Ignoranz vieler Politiker beim Umgang mit dem Internet geschuldet und der lang andauernden Unwilligkeit der Musikindustrie angesichts neuer Geschäftsmodelle jenseits des CD-Verkaufs. Zwar will auch sie die Macht der Konzerne schwächen, allerdings gleichzeitig den Künstlern mehr Rechte einräumen. „Es gibt kein Recht auf illegale Downloads“, beharrt sie.

Natürlich gibt es kein Recht auf illegale Downloads, aber man könnte politisch diese „illegalen Downloads“ auch legalisieren. Etwas mehr Einblick in die politische Gedankenwelt von Helga Trüpel liefert ein Beitrag von ihr für die grüne Mitgliederzeitung Schrägstrich (PDF, auf Seite 18), wo es Stilblüten wie diese gibt:

Mir gefällt der Denkansatz der Free-Culture-Anhänger nicht, der eine Freibiermentalität propagiert, wonach Downloads kultureller Inhalte aus dem Netz umsonst sein sollen. Ich denke, dass eine solche Politik kulturellen Reichtum, kulturelle Vielfalt sowie hochwertige Inhalte mittelfristig zerstören würde.

Schade, dass eine Kulturpolitikerin in einem Beitrag zur Urheberrechtsdebatte mit diskussionswürdigen Ansätzen zu Fair Trade diese mit billiger Polemik vermischt und dabei die Free Culture Idee in die Ecke von Freibiermentalität gerückt wird. Es ist natürlich schwer, das „free“ als frei im Sinne von Freiheit zu interpretieren, wenn man auch im deutschen kostenlos sagen kann, aber als EU-Abgeordnete sollte man zu der Transferleistung in der Lage sein.

Und wenn argumentativ gar nichts mehr geht, zieht man eben Yaron Jaron Larnier heran, der dann gleich als ehemaliger Free Culture-Guru vorgestellt wird:

Es ist nichts einzuwenden gegen Autoren und Künstler, die freiwillig ihre Werke ins Netz stellen oder mit Creative Commons veröffentlichen. Ich spreche mich aber gegen eine Zwangsenteignung aus, wenn Werke gegen den Willen der Urheber illegal hoch- und runtergeladen werden. Selbst Yaron Larnier, der ehemalige Guru der virtuellen Realität und des Konzepts der freien Kultur, ist heute der Meinung, dass der digitale Maoismus Schaden angerichtet hat.

13 Ergänzungen

  1. Oh, hoppla, ich meinte: Naja, was man davon zu halten hat, erkennt man schon daran, dass sie aus Jaron Lanier “Yaron Larnier” macht… Solltet Ihr aber auch korrigieren.

    Hüstel.

  2. Das ist doch die ganze Quintessenz – die Musik- und Contentindustrie hat das Internet um Jahre verschlafen und erst gemerkt daß sie ihre Vertriebskanäle modernisieren muß als es schon längst zu spät war.

    Ich sage auch nicht daß jeglicher Content gratis sein muß oder sein sollte – aber in Wirklichkeit soll der Verbraucher zunehmend die langjährige Schnarchnasigkeit der Content-Lobby ausbaden. Und gleichzeitig hängen sich Politiker mit rein, die zum einen von der Content-Lobby gekauft sind und zum anderen eigene Zensurgelüste ob der von ihnen gefühlten diffusen Bedrohung des Internets haben.

    Ist doch nix neues.

  3. Das Elend der Debatte um die freien Inhalte. Es gibt ja tatsächlich ein paar Argumente gegen die Gleichsetzung, dass ungeschützte Inhalte die freiestmöglichen sind und dass es auch politische Gründe für ein starkes Urheberrecht gibt. Nur scheitern die ganzen Politetablierten schon an ihren eigenen Argumenten, geschweige denn, dass sie die Open-Argumente verstehen .. dem zu folgen ist ein Trauerspiel.

  4. Man sieht das die Gruenen die Piratenpartei in sachen Internet noch immer nicht ersetzen können, auch wenn die Piraten ihrerseits manchmal auch Unsinn verzapfen.

  5. Endlich mal wieder ein Thema welches nicht sofort nach Sommertheater klingt.

    Letztendlich habe ich oft das Gefühl, dass die Kulturfraktion es gar nicht so toll findet wenn alle mitmachen; viele Feuilletonartikel sind hier oftmals sehr entlarvend.

    Dabei ist dies ein Fehler: Nur wer etwas versteht (durch kostenloses kennenlernen), kann auch den Wert von etwas würdigen.

    Flattr ist aus meiner Sicht einer der richtigen Wege: Es macht Belohnen möglich und
    fördert auch eigenes, kreatives tun.

    Die Grünen sollte evtl. etwas mehr in diese Richtung arbeiten, dort könnte man doch zusammenkommen, oder?

  6. @-andy2600: Laniers Buch ist nicht gut, aber auch nicht so schlecht, wie es einem der platte polemische Begriff denken lässt. Besser als dt. Feuilleton ist es alle mal.

    Letztendlich trauert L. halt viel der guten alten Zeit nach und denkt kritisch-praktisch über die Vor- und Nachteile von Groupthink vs. Individuum nach. Ist aber nicht viel neues. Auch seine ältere Wikipedia Kritik war nicht wirklich neu.

    Für den Begriff und wie er Ihn benutzt mal bei der FAZ (Mitte) vorbei gucken; Hr S. war sicherlich begeistert.

    „Es gibt nach meiner Meinung deutliche Parallelen zwischen den frühen Kommunisten und den heutigen Internetpiraten. Als Ideologie klang das damals doch gut, bis es empirisch in den Abgrund ging. Es hängt wohl mit der menschlichen Biologie zusammen, dass im Kollektiv die Strategie, etwas zu verbessern, zum Scheitern verurteilt ist. Menschen verwandeln sich da in Drecksäcke. Davor habe ich am meisten Angst.“

    http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~EF3D66AAB23104807987FC43BF07E5FCE~ATpl~Ecommon~Scontent.html

  7. Naja, ich finde das nicht sehr tragisch, wenn man sich innerhalb einer EU-Fraktion uneins ist.
    1. Sollte das so sein, wäre ja noch schöner, wenn sich immer alle einig wären. Man muss eben miteinander reden… oder auch nicht. Herrscht ja kein Franktionszwang (hoffe ich).
    2. Habe ich im europäischen Parlament zuweilen das Gefühl, die nationale Zugehörigkeit spiele leider eine viel größere Rolle, als die Fraktionszugehörigkeit.

    Ansonsten, wie in einem anderen Beitrag schon angedeutet: Kauft das Zeug einfach nicht, freie Kunst ist keinen Deut schlechter und bezahlen kann man die auch wenn man möchte und die Mittel gerade hat.

    (Captcha: „the unsent“)

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