Am 11. Januar 2024 trat mit der Verordnung 2023/2854 das europäische Datengesetz in Kraft. Es regelt den Zugang zu in der EU generierten Daten, deren Austausch und deren Nutzung in allen Wirtschaftszweigen. Im Gegensatz zur schon 2019 erlassenen Open-Data-Richtlinie, die mehr Zugang für in der EU generierte staatliche Daten vorsieht, um diese leichter zugänglich und wiederverwendbar zu machen, konstruiert das Datengesetz jedoch so etwas wie ein Eigentumsrecht an Fakten. Besser für Europa wäre ein freierer Umgang mit nicht-personenbezogenen Faktendaten, wie sich am Beispiel von Geodaten herleiten lässt.
Als Handreichung für die Veröffentlichung nach der Open-Data-Richtlinie sieht die Durchführungsverordnung für die Bereitstellung hochwertiger Datensätze explizit die Creative-Commons-Lizenzen CC-0 oder CC BY 4.0 oder gleichwertige Lizenzen vor. Dieses europäische Bekenntnis zu international anerkannten Standardlizenzen ist ein riesiger Schritt in die richtige Richtung, um die Wiederverwendung öffentlicher Informationen für jeden zu ermöglichen.
Viele – allen voran die Europäischen Union selbst – halten sich bereits daran. Manche nutzen aber noch nationale Sonderlösungen, etwa Deutschland mit der Datenlizenz Deutschland. Die ist nicht gleichwertig mit Creative-Commons-Lizenzen, weil sie verschiedene Aspekte der CC-Lizenzen nicht erfüllt.
Nun geht es um die Umsetzung. Zu den besonders wichtigen Datensätzen, die explizit in der Direktive erwähnt werden, gehören Geodaten. Bereits im Dezember letzten Jahres hat die Syndika der Open Street Map Foundation darauf gepocht, dass staatliche Geodaten möglichst unter einer CC-0-Lizenz veröffentlicht werden sollten. Sollte die CC-BY-Lizenz verwendet werden, die besagt, dass es eine angemessene Urheber- und Rechtebenennung braucht, bräuchten sie eine Zusatzvereinbarung. Praktischerweise haben sie diese Zusatzvereinbarung auch schon formuliert. Sie besagt, dass ein Quellenverzeichnis per URL für eine „angemessene“ Nennung ausreicht.
Warum brauchen wir überhaupt Lizenzen für Geodaten?
Die Creative-Commons-Lizenzen sind Standardverträge, mit denen ein*e Urheber*in auf einfache Weise festlegen kann, wie die Werke verwendet werden dürfen. Die Creative-Commons-Namensnennungslizenz (CC BY) verpflichtet etwa zur Nennung der Urheber*in und einem Link auf die Lizenz, wenn so lizenziertes Material an anderer Stelle wiederverwendet wird.
Das Projekt OpenStreetMap beispielsweise verwendet die weitgehend kompatible, ähnliche Open Database License und eine vereinfachte Namensnennung für die Beitragenden: Damit auf der Freien Karte nicht zwei Drittel des Bildschirms von den Namen aller Beitragenden gefüllt werden müssen, steht dort unten in der Ecke lapidar „© OpenStreetMap Mitwirkende“ und weitere Informationen sind hinter einem Link auf einer separaten Seite zu finden.
Die Open Street Map Foundation will genau darauf hinweisen: Wenn CC BY als Lizenz verwendet wird, sollte zudem die von ihr formulierte Zusatzvereinbarung hinzugefügt werden – oder eben gleich die gemeinfrei-ähnliche CC-0-Lizenz verwendet werden, die nicht zur Namensnennung in einer vorgeschriebenen Form verpflichtet. Doch warum sollte man zu so einer Namensnennung überhaupt verpflichtet werden können?
Es gibt kein Eigentum an Fakten!
All diese Lizenzen basieren auf dem Urheberrecht, sie funktionieren also nur, wenn das lizenzierte Material auch urheberrechtlichem Schutz unterliegt. Kartendaten – also nicht die generalisierte Karte, wie wir sie ansehen, sondern die zugrundeliegenden Vermessungsdaten – sind allerdings Faktendaten. Und Fakten sind nicht urheberrechtlich geschützt. Sie sind keine individuelle kreative Leistung, sondern sollen die real existierende Welt so präzise wie möglich beschreiben.
Es ist daher fraglich, ob Geodaten als solche Fakteninformationen überhaupt urheberrechtlich geschützt sein können – und da die Creative-Commons-Lizenzen auf dem Urheberrecht aufbauen, ist fraglich, ob eine Lizenz wie CC BY überhaupt zum Tragen kommen kann.
Allenfalls könnte das Datenbankherstellerrecht nach §§ 87a ff. UrhG gelten, das es allein in der EU gibt und das seit Jahren umstritten ist. Denn ein solches Recht kann schon allein daraus entstehen, wenn mehrere eigentlich automatisiert verarbeitbare Datenquellen in einer Excel-Liste aufwändig händisch zusammengeführt werden – denn dadurch wird das Kriterium einer „wesentlichen Investition“ erfüllt wird und das Datenbankherstellerrecht kommt zum Greifen.
Umstrittene Schutzrechte statt der von der EU gewollten Weiterverwendung
Genau das ist in Bayern geschehen, wo das bayerische Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV) Geodaten für die Website einer Bundesbehörde zur Verfügung stellte. Der Netzaktivist und IT-Sicherheitsexperte Markus Drenger hatte diese Daten gefunden, heruntergeladen und auf der Plattform GitHub veröffentlicht. Daraufhin verklagte ihn das LDBV. Es hatte die Geodaten, die Drenger veröffentlicht hatte, mit Postleitzahlen und Postadressen ergänzt, die von der privatisierten Deutschen Post Direkt GmbH stammen.
Das LDBV argumentierte, dass das Zusammenführen der beiden Datensätze eine geschützte Leistung gewesen sei, während Drenger dies anzweifelt. Wären die Daten gemeinfrei oder zumindest gemeinfrei-ähnlich unter CC-0-Lizenz veröffentlicht worden, hätten alle Beteiligten von Beginn an auf etwaige urheberrechtlichen und verwandten Schutzrechte verzichtet. Und die Bundesrepublik hätte eine von jedem ergänzbare Karte der auf ihrem Boden existierenden Windräder.
Die europäische Open-Data-Richtlinie hat zum Ziel, durch Vereinfachung und Standardisierung die Weiterverwendung von Faktendaten zu fördern. Dass die EU hier konsequent auf international anerkannte Standardlizenzen setzt, ist lobenswert. Schon das simple Beispiel der OpenStreetMap zeigt jedoch die Tücken und Feinheiten bei der praktischen Wiederverwendung.
Eigentlich gäbe es eine noch simplere Lösung für dieses Problem: Informationen des Staats sowie in seinem Auftrag erhobene Informationen müssten lediglich ebenfalls amtliche Werke im Sinne eines novellierten § 5 des Urhebergesetzes werden. Sie könnten so mit der Public Domain Mark gekennzeichnet werden und damit deutlich einfacher in Projekten zu Freiem Wissen wie OpenStreetMap oder Wikidata wiederverwendet werden. Schließlich handelt es sich nicht um schützbare kreative Schöpfungen, sondern um Faktendaten, die jedem und jeder zur Verfügung stehen sollten.
Ansprüche, die das verhindern – etwa das Datenbankurheberrecht oder nationale Sonderregeln wie die Datenlizenz Deutschland -, stehen dem Potenzial offener Daten im Weg und sollten abgeschafft oder reformiert werden. Umso besser lassen sich die Potenziale von Daten der öffentlichen Hand erschließen – von Datenprojekten aus der Zivilgesellschaft, von Ehrenamtlichen aber auch von anderen Behörden, Forschenden oder von Unternehmen.
Absolut d’accord.
Widerspricht leider der profitorientierten Privatisierung von Allgemeingut als Ziel der GanzGroKo CDU/SPD/FDP.
Wenn wir eine sozialdemokratische Partei in der Regierung hätten. Aber wir haben nur einen Bundeskanzlerdarsteller mit Cum-Ex Geheimnissen.
> Bundeskanzlerdarsteller
Politiker als „Darsteller“ zu bezeichnen ist eindeutig AfD-Sprech.
Mit solcher Hetze soll unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung untergraben werden.