Recht auf ReparaturWas Traktoren und Smartphones gemein haben

Für das Recht auf Reparatur wird es ein entscheidendes Jahr. Ob ein Erfolg der Bewegung in den USA auch Gutes für Europa verheißt, ist unsicher. Die Europäische Kommission will im März endlich ihren lange vertagten großen Wurf vorlegen.

Traktor im Sonnenuntergang.
Auch Landwirt:innen kämpfen für ein Recht auf Reparatur. – Public Domain Spencer Pugh

Es ist noch gar nicht lang her, da gab es einen simplen Trick, um so manche Probleme zu lösen, die einem das eigene Handy machte. Man schaltete es aus, entnahm den Akku, pustete auf die Kontaktflächen. Mit dem Wiedereinlegen des Akkus war das Problem oft gelöst. Das funktionierte zwar nicht immer, war jedoch selbstwirksam und vor allem: einfach. Wenn das Smartphone heutzutage Probleme macht, ist man häufig ziemlich hilflos, wenn man nicht großen Aufwand betreiben oder Spezialist:innen konsultieren will.

Im Jahr 2023 ist der Weg zum Akku des eigenen Telefons lang. Ein Smartphone in Eigenregie zu reparieren, ist für die meisten Menschen kaum möglich. Die Bewegung, die sich dieser Entwicklung entgegenstellt, heißt „Right to Repair“. Die doppelte Bedeutung des Mottos: „Recht auf Reparatur“ und „Richtig, zu reparieren“. Wenn es um das Recht auf Reparatur geht, stehen viele große Worte im Raum: Postkapitalismus, Demokratisierung, Marktbeherrschung. Es geht darum, was Verbraucher:innen von marktbeherrschenden Konzernen abgesprochen wird – und was sie sich erkämpfen wollen.

Gründe dafür gibt es viele. Eine Kreislaufwirtschaft ist sowohl besser für Verbraucher:innen, als auch für das Klima. Derzeit beträgt die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Smartphones zweieinhalb Jahre. Dabei geht aus einer Umfrage der EU hervor, dass 77 Prozent der europäischen Bürger:innen ihr Smartphone lieber reparieren würden, anstatt ein neues kaufen zu müssen. Zudem ist Elektromüll die am schnellsten wachsende Müllquelle der EU.

Vom iPhone bis zum Traktor

Durchschnittliche Verbraucher:innen stoßen vor allem bei der Reparatur von Smartphones und Tablets auf Probleme. Auch geplante europäische Gesetze berücksichtigen nur Alltagsgegenstände. In den USA wird der Kampf derzeit allerdings auf einem anderen Feld ausgetragen: in der Landwirtschaft.

Im Januar 2023 unterzeichnete der Agrargigant John Deere eine Absichtserklärung mit der American Farm Bureau Federation (AFBF). Der Hersteller, der auch in Deutschland Marktführer für Traktoren und andere landwirtschaftliche Geräte ist, liegt mit Right-to-Repair-Aktivist:innen seit Jahren in Clinch. Diese nennen John Deere oft in einem Atemzug mit Konzernen wie Apple und Tesla. Denn bisher konnten Landwirt:innen nur vom Hersteller autorisierte Ersatzteile und Reparateur:innen verwenden, anstatt sich selbst günstigere Lösungen zu suchen.

In der Erklärung einigen sich die beiden Parteien darauf, dass es für US-Farmer:innen in Zukunft einfacher werden soll, ihre Geräte zu reparieren. Im Gegenzug sollen sie davon absehen, auf gesetzliche Maßnahmen für ein Recht auf Reparatur zu drängen. Das sogenannte „Memorandum of Understanding“ zwischen John Deere und der AFBF ist rechtlich nicht bindend, weshalb noch nicht abzusehen ist, welche Konsequenzen es in der Praxis nach sich zieht.

Verbraucherschützer Kevin O’Reilly etwa steht der freiwilligen Erklärung skeptisch gegenüber. Zwar könne sie ein wichtiger Schritt nach vorne sein, allerdings bräuchte es weiterhin gesetzliche Vorgaben, sagt der Leiter der „Right to Repair“-Kampagne bei der Public Research Interest Group USA. Auch habe sich John Deere in der Vergangenheit nicht an Abmachungen gehalten – zum Feiern sei es also noch zu früh.

Diese Meinung teilt auch Cristina Ganapini vom europäischen Netzwerk „Right to Repair Europe“. Im Gespräch mit netzpolitik.org äußert sie Zweifel, ob sich John Deere an das nicht bindende Abkommen hält, und ob die US-amerikanischen Entwicklungen Europa beeinflussen werden. Der Automobil- und Agrarsektor stehe derzeit gar nicht auf der Agenda der EU, wenn es um das Recht auf Reparatur geht. Bisherige Richtlinien beziehen sich nur auf Smartphones, Tablets und größere Haushaltsgeräte.

Die EU und das Recht auf Reparatur

Als Teil des sogenannten „Green Deal“ soll ein Recht auf Reparatur auf EU-Ebene verankert werden. Bereits im Dezember 2021 berichtete netzpolitik.org über das Vorhaben der EU, das zu diesem Zeitpunkt für März 2022 angesetzt war. Schon damals bemängelten Verbraucherschützer:innen das langsame Tempo, in dem es mit den Plänen voran ging. Ursprünglich sollte der Entwurf schon 2021 fertig sein – aktuell will die Europäischen Kommission ihre Pläne am 22. März vorstellen. Als ersten Schritt für die leichtere Reparierbarkeit von Handys und Tablets verabschiedete die EU im November 2022 neue Ökodesign-Vorgaben. Des Weiteren sollen Batterien in der Zukunft nachhaltiger und leichter zu tauschen sein.

Besonders kritisiert Ganapini die intransparente Art und Weise, mit der das Recht auf Reparatur von der Europäischen Kommission immer weiter verschoben wurde. Dabei nimmt sie vor allem den „Ausschuss für Regulierungskontrolle“ in den Blick, der schon in der Vergangenheit Gesetzesvorschläge zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz blockiert habe. Der Ausschuss spricht Empfehlungen zur Effektivität von geplanten Entwürfen aus, veröffentlicht diese allerdings erst nach den angepassten Vorschlägen der Kommission.

Doch wie muss ein umfassendes Recht auf Reparatur überhaupt aussehen? „Wir möchten drei Säulen umsetzen“, erklärt Ganapini. „Gutes Design, fairer Zugang und informierte Verbraucher:innen“. Der erste Punkt zielt auf die Langlebigkeit und Reparierbarkeit von Produkten ab. Die Grundidee erklärte etwa ein offener Brief, in dem NGOs die EU-Kommission aufforderten, eine zehnjährige Haltbarkeit für Smartphones zu ermöglichen. Die Ökodesign-Vorgaben der EU sind ein Schritt, nachhaltigeres Design von Smartphones und Tablets in die Tat umzusetzen – doch Aktivist:innen fordern mehr und kritisierten die Vorgaben als „fake Right to Repair“.

Zum zweiten Punkt, fairer Zugang, gehört ein leichterer physischer Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturanleitungen. Außerdem sollen finanzielle Hürden für die Reparatur vermieden werden. Denn momentan kosten Ersatzteile oft mehr als ein gänzlich neues Produkt, so Ganapini.

Zur dritten Säule, informierte Verbraucher:innen, gäbe es bereits nationale Vorreiter. In Frankreich wurde 2021 ein Reparaturindex eingeführt, der auf einer Skala von 1 bis 10 angibt, wie leicht oder schwer ein Gerät zu reparieren ist. Die Reparaturseite iFixit kritisierte zuletzt, dass das Festlegen des Scores bei der Hersteller:innen selbst läge. Zudem erlaubte Frankreich zu Beginn letzten Jahres die dezentrale Produktion von Ersatzteilen per 3D-Drucker. In Deutschland versprachen SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag unter dem Stichwort „Recht auf Reparatur“, dass die Lebensdauer und Reparierbarkeit eines Produktes „zum erkennbaren Merkmal der Produkteigenschaft“ werden soll. Bisher lassen konkrete nationale Schritte allerdings auf sich warten.

Selbst Hand anlegen

Es zeichnet sich ab, dass der Handlungsspielraum bei Hersteller:innen liegt, denen politisch bisher kaum Grenzen aufgezeigt werden. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Hardware und Ersatzteile. Hersteller:innen beeinflussen auch durch Software die Reparierbarkeit ihrer Produkte. So kündigte Apple zwar im Jahr 2021 ein „self-service“-Reparaturprogramm für neue Geräte an, installiert seit dem iPhone XS allerdings Softwaresperren, wenn „unautorisierte“ Ersatzteile von Tüftler:innen im Gerät eingebaut werden. Durch diese sogenannte Teilekopplung und Serialisierung wird eine weitere Hürde zur Selbstreparatur geschaffen.

Auch wenn die Hürden weiterhin hoch sind, bemühen sich verschiedene Akteur:innen darum, die Lebensdauer der eigenen Geräte noch etwas zu verlängern. Ein Beispiel hierfür sind Repaircafés. Dies sind ehrenamtliche geführte Initiativen, in denen jede:r mit einem defekten Gerät hinkommen und unter dem Ansatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ Hand anlegen kann.

Ein solches Café gibt es zum Beispiel in Berlin im Kungerkiez: Hier gibt es seit über drei Jahren das „Elektro Repaircafé“, bei dem Verbraucher:innen zwei Mal im Monat vorbeischauen können. Die Förderung dafür stammt vom Bundesumweltministerium, allerdings gibt es keine Regelfinanzierung, sondern immer nur zeitlich begrenzte Gelder. Diese sind notwendig, da das kostenlose Angebot vor allem jene erreichen soll, die sich neue Geräte nicht leisten können (oder wollen). José, Gründer des Cafés, würde sich allerdings wünschen, dass auch die Industrie Spenden für ihren Zweck leistet.

Entscheidendes Jahr für das Recht auf Reparatur

Besucher:innen bringen hauptsächlich Haushaltsgeräte mit – Mixer, Musikanlagen, Lampen – aber auch das ein oder andere Smartphone oder ein Laptop sei dabei. „Die Geräte sind so verklebt, dass Menschen es oft gar nicht mehr versuchen“, erklärt José. „Alleine um ein Display zu lösen, bräuchten wir verschiedene Platten mit Wärmegraden, was wir oft nicht leisten können“. Dennoch glaubt er daran, dass auch diese Smartphones reparierbar sind. Hürden lägen hier wiederum in den langen Wegen zur Ersatzteilbestellung.

Was passieren müsste, um ihnen die Arbeit zu erleichtern? Ganz klar ein modularerer Aufbau der Geräte, sagt José, wie es zum Beispiel FairPhone anbietet. „Und auch die Displays müssen leichter zu öffnen sein, dass man in diesem Prozess nicht schon etwas kaputt macht.“

Egal ob Smartphone oder Traktor, bisher lässt ein umfassendes Recht auf Reparatur sowohl auf Bundes- als auch auf EU-Ebene auf sich warten. Nach wie vor ist unklar, wie der konkrete Vorschlag der Kommission im März dieses Jahres aussehen wird – und ob er sich nicht ein weiteres Mal verspätet. Dann wird sich auch zeigen, ob die EU auf Forderungen der Reparatur-Szene eingeht und ob die Bundesregierung es mit ihrem Versprechen auf ein „Recht auf Reparatur“ ernst meint.

4 Ergänzungen

  1. Im Zweifelsfall wird halt verwässert, wie beim Digital Fair Repair Act des US-Bundesstaates New York:

    „Statt spezifischen Ersatzteilen dürfen betroffene Firmen außerdem „Assemblies“, also Baugruppen anbieten, was das Verletzungsrisiko verringere. Eine Formulierung, die in Wirklichkeit ein Schlupfloch bieten dürfte – und es unmöglich machen könnte, ausschließlich das kaputte Bauteil auszutauschen.“

    https://www.derstandard.de/story/2000142208528/new-yorker-recht-auf-reparatur-haette-zeichen-setzen-sollen-aber

  2. Wenn ich lese das Besucher „Mixer und Lampen“ mit zum Reparaturcafe bringen dann frage ich mich warum die damit nicht zu einem Elektrobetrieb in der nähe gehen. Gut, es ist Jahrzehnte her das ich es selbst erlebte. Aber, kann es sein das diese Möglichkeit weiter besteht aber auch einfach zu teuer ist (Eine Handwerkerstunde vs. den Wert des Haushaltsgerätes)?

    Denn dann ginge es nur um den Preis der Reparatur.

    Das allerdings fing m.E. auch schon vor Jahrzehnten an. Mit billigen Röhrenfernsehern aus Fernost was dazu führte das die teuren Markengeräte aus DE nicht mehr repariert wurden sondern auf dem Müll landen. Was den damaligen Fernsehwerkstätten die Arbeit nahm und letztlich keine „Braune Ware“ (wie man TV-Geräte wg. des Holzumbaus oft nannte) mehr repariert wurde.

    Erfolg: Mehr Elektroschrott, weniger Beschäftigte, und die „Mußt du neu Kaufen“ Richtung nimmt Fahrt auf.

    Und alles nur wg. billiger Importgeräte? Gut, ist vereinfacht aber, was hätte man damals anders machen können oder sollen? Die Geräte waren Reparierbar, teils gab es Servicekoffer und Standardbauteile für vieles, die Schaltpläne lagen sogar oft dabei – es hat einfach nur mehr Geld gekostet? Vielleicht den Import verhindern, und damit auch das ein Kaffeeröster seinerzeit „Videolekoldel Lößtflisch“ anbot, wie damals ein Elektronikmagazin witzelte? :)

    Nix neues im Westen! :-(

    1. Nachtrag: Ich meinte mit „Die Geräte waren reparierbar“ die damals noch in Europa hergestellten Geräte. Für die gab es Ersatzteile, direkt vom Hersteller oder kurzfristig über Grossisten oder Zwischenhändler.

      Die aus Fernost waren nach meinem Erleben zwar auch reparierbar. Hatten aber das gleiche Problem wie heutige Massenware auch. Originalteile (Wie klappen, Abdeckungen o. Knöpfe) waren schwerer oder nicht verfügbar und es hat mehr Zeit und Geld gekostet sie zu bekommen.
      Und bei der Elektronik im Inneren konnte man nur Standard-Teile (Transistoren, Kondensatoren, Wiederstände) durch andere ersetzen. Dazu waren die Importgeräte billiger und es lohnte sich kaum. Ergo: Start der Wegwerf-Spirale! Und wie viele Jahre später ging es dann erst los mit dem Elektro-Recycling?

  3. Das Fairphone hätte hier bis auf eine kurze Nennung ruhig etwas mehr bezrachtet werden können, ist es doch genau ein Vorreiter für die angesprochene Thematik. Zumal es sogar auch wahlweise googlefrei mit vorinstalliertem /e/OS erhältlich ist.

    Mein S7 beginnt nun nach 6 Jahren Dauereinsatz leider den Geist aufzugeben. Das Fairphone 4 ist mein aktueller Nachfolge-Favorit.

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