Ein Smartphone wird heutzutage im Durchschnitt nur zweieinhalb Jahre verwendet, dann kaufen sich die meisten Menschen ein neues. Die Geräte länger zu nutzen, würde große Mengen an Energie und Ressourcen einsparen. Doch Reparaturen sind oft teuer, können nur von Spezialist*innen durchgeführt werden oder sind schlicht nicht möglich, etwa weil Ersatzteile fehlen.
Vergangene Woche haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union neuen Vorgaben für die Hersteller von Smartphones und Tablets zugestimmt. Die Geräte sollen langlebiger werden und besser zu reparieren sein.
In Zukunft sollen die Hersteller eine Reihe von Ersatzteilen zur Verfügung stellen müssen, etwa Akkus, Displays, Kameras und Lautsprecher. Mindestens sieben Jahre nachdem der Verkauf eines Gerätemodells eingestellt wurde, müssen sie diese anbieten, inklusive nötiger Werkzeuge und Reparaturanleitungen.
Das Ganze hat allerdings einen Haken: Diese Rechte gelten nur für professionelle Reparateur*innen. Diese müssen sich bei den Herstellern registrieren und dabei gegebenenfalls Fachkenntnisse sowie eine Versicherung nachweisen.
Keine Ersatzteile für Amateur*innen
Privatpersonen, die ihre eigenen Geräte reparieren möchten, und ehrenamtliche Initiativen wie Repair Cafés haben hier das Nachsehen. Auch sie bekommen Rechte beim Zugang zu Ersatzteilen, diese sind aber deutlich eingeschränkt. So sollen etwa alle Konsument*innen Ersatzakkus und -displays kaufen und austauschen können. Für Akkus gilt das jedoch nur, wenn diese bestimmte Haltbarkeitsvorgaben nicht erreichen. Auch staub- und wasserdichte Geräte sind von den Vorgaben ausgenommen. Bei solchen Geräten ist es generell schwierig, Reparaturen durchzuführen, da dies meist die Feuchtigkeitsversiegelung der Gehäuse beschädigt.
Die Kampagne „Right to Repair Europe“, hinter der unter anderem Umwelt-NGOs, Reparaturinitiativen und Unternehmen, die gebrauchte Elektronik verkaufen, stehen, kritisiert den eingeschränkten Zugang zu Ersatzteilen. „Damit eine Reparaturwirtschaft für unsere elektronischen Geräte in Europa Realität wird, müssen die politischen Entscheidungsträger*innen sicherstellen, dass Reparatur für alle Akteur*innen bezahlbar, offen und zugänglich ist, einschließlich unabhängiger Reparateur*innen, Repair Cafés und Endverbraucher*innen“, sagt Orla Butler vom European Environmental Bureau. Dem würden die neuen Ökodesign-Vorgaben nicht gerecht.
Fünf Jahre Sicherheitsupdates für alle
Mit den neuen Vorgaben will die EU auch dafür sorgen, dass Reparaturen seltener erforderlich sind. Smartphones und Tablets sollen in Zukunft daher einige Mindeststandards erfüllen. Demnach wird ein Spritzwasserschutz verpflichtend, zudem müssen die Geräte auch nach 45 Stürzen aus einem Meter Höhe noch funktionieren. Nach 800 Ladezyklen soll der Akku noch mindestens 80 Prozent seiner ursprünglichen Kapazität aufweisen; auch werden Hersteller verpflichtet, Softwarefunktionen anzubieten, die den Akku beim Laden schonen.
Ein weiterer Grund, warum Handys oft nur wenige Jahre genutzt werden, ist die sogenannte Software-Obsoleszenz. Auch wenn die Hardware noch einwandfrei funktioniert, bleiben oft bereits nach vergleichsweise kurzer Zeit die Updates aus – auch wichtige Sicherheits-Updates. In Zukunft sollen Hersteller diese bis zu fünf Jahre, nachdem ein Modell nicht mehr auf dem Markt verfügbar ist, anbieten müssen.
Kritik aus NGOs und Parlament
Das ist ein längerer Zeitraum, als es bei vielen Geräten derzeit der Fall ist. Right to Repair Europe reicht diese Regelung aber dennoch nicht aus. Wenn Reparaturanleitungen und Ersatzteile sieben Jahre lang zur Verfügung stünden, sollte das auch für Sicherheitsupdates der Fall sein, so die Forderung. Nur dann seien die Geräte auch tatsächlich mindestens sieben Jahre lang nutzbar.
Zudem kritisiert die Kampagne, dass die Kommission das sogenannte „Part Pairing“ nicht explizit verbieten will. Mit diesem Verfahren erschweren Hersteller gezielt den Austausch bestimmter Bauteile. Dabei wird die Seriennummer eines Bauteils mit dem Gerät gekoppelt. Ersatzteile mit einer anderen Seriennummer funktionieren dann nicht, außer der Hersteller selbst schaltet sie frei.
Ebenfalls in Planung ist ein Energielabel für Handys und Tablets. Mit Noten von A bis G soll dieses ab 2024 unter anderem anzeigen, wie energieeffizient und widerstandsfähig ein Gerät ist und wie gut man es reparieren kann – nicht aber, wie viel eine Reparatur in der Regel kostet. Right to Repair Europe fordert daher, den Preis für Ersatzteile auch im Reparaturindex zu berücksichtigen.
Das fordert auch die deutsche Europaabgeordnete Anna Cavazzini (Grüne) auf Twitter. Dort kritisiert sie ebenfalls das Part Pairing sowie den eingeschränkten Zugang zu Ersatzteilen.
Bundesregierung begrüßt die Entscheidung
Das Bundeswirtschafts- und das Umweltministerium lobten die Entscheidung der EU hingegen in einer gemeinsamen Pressemitteilung. „Die neuen Regeln schonen Ressourcen und legen die Grundlage für einen nachhaltigen Umgang mit Elektrogeräten in der Europäischen Union. Damit gehen wir einen weiteren Schritt raus aus der Wegwerfgesellschaft“, sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Die Ampel-Regierung hatte sich bereits im Koalitionsvertrag vorgenommen, ein sogenanntes Recht auf Reparatur einzuführen. Statt aber eine eigene Regelung zu schaffen, wartete sie auf Vorgaben aus Brüssel.
EU-Parlament und Rat können jetzt innerhalb von drei Monaten Einwände gegen die neuen Ökodesign-Vorgaben erheben. Das gilt allerdings als unwahrscheinlich. Wenn es keine Einwände gibt, kann die Kommission das Gesetz endgültig verabschieden. Nach einer Übergangszeit von 21 Monaten gelten die Regeln dann für alle in der EU verkauften Geräte.
Recht auf Reparatur lässt auf sich warten
Neben den Ökodesign-Vorgaben will die EU auch neue Rechte für Verbraucher*innen schaffen und es attraktiver machen, Elektrogeräte reparieren zu lassen. Dieses Vorhaben wird oft auch als „Recht auf Reparatur“ bezeichnet. Wie genau diese neuen Rechte ausgestaltet sein werden, ist derzeit noch unklar. Im Gespräch sind unter anderem verlängerte Garantiezeiten für reparierte und gebrauchte Geräte. Die EU-Kommission hatte das Recht auf Reparatur bereits für 2021 angekündigt, es aber immer wieder verschoben, zuletzt von Ende November auf das kommende Jahr.
Zur Software-Obsoleszenz: In dem Gesetz fehlt eine Vorschrift, die die Hersteller zwingt, ihren Bootlader entsperrbar zu machen. Ein entsperrter Bootlader ist Grundvoraussetzung für die Installation von Custom-ROM. Diese werden erheblich länger gepflegt als es die Hersteller selber normalerweise machen. Beispiel: Mein Sony XA2 von 2018 läuft mit iodé auf dem Stand von Android 12 und wird regelmäßig aktualisiert. Sony selber hat bei Android 9 aufgehört.
Für ein Custom-ROM muss niemand in die Tiefen der Technik tauchen: Neue und generalüberholte Smartphones kann man mit einem bereits installierten Custom-ROM und mit Garantie fertig kaufen. Mit /e/OS gibt es sie hier:
https://murena.com/de/produkte/smartphones/?wcpbc-manual-country=DE und mit iodé hier: https://iode.tech/de/. Käufe in diesen beiden Shops sind aus mehreren Gründen besonders wertvoll:
1. Man bekommt fair produzierte, leicht reparierbar konstruierte Neugeräte samt Custom-ROM – Garant für eine langes Geräteleben in HW und SW.
2. Wahlweise bekommt man gute gebrauchte Geräte, denen mit Custom-ROM ein zweites Leben ermöglicht wird – schont Ressourcen.
3. Mit dem Kauf unterstützt man die Pflege und Weiterentwicklung der Custom-ROM.
Wer mehr wissen möchte: https://www.pc-fluesterer.info/wordpress/vorbeugen/schutz-vor-datensaugern-was-kann-ich-konkret-tun/smartphone-und-tablet-betriebssysteme/
Tolle Sache! Es wäre halt noch schöner, wenn mehr offene Hardware und offene Betriebssysteme, die nicht von Google oder Apple stammen verfügbar wäre.
Das generelle Problem ist ja die Abhängigkeit von Herstellern dank properitärer Software/Hardware. Es wäre interessant zu wissen ob die EU das überhaupt irgendwo, irgendwie fordert oder einfach dem privaten Markt dieses Monopol überlässt.
Im Alltag scheint ja Apple/Google in der Hosentasche so selbstverständlich wie ein Girokonto zu sein. Das finde ich erschreckend.
Sowas wird nicht kommen, denn der Grossteil der gewaehlten Politiker bekaempfen alle dezentralen und konzernfremden Strukturen. Wo kamen wir denn da auch hin, nur zentrale Strukturen sichern Kontrolle (Ueberwachung, Filtern, DRM) und Posten.
Gibt es Ansätze der EU mehr offene Hardware im Bereich mobile Endgeräte zu fördern?
Das würde die meisten genannten Probleme deutlich minimieren.
„offene Hardware fördern“? Wovon träumst du nachts? Die EU schafft (oder genauer: will) das ja nicht einmal bei der Software. Da haben wohl schon zu viele schwarze Aktentaschen die Besitzer gewechselt. :-(
Die hervorragende ARD-Dokumentation „Das Microsoft-Dilemma“ von 2018 hatte das überzeugend dargelegt. Leider wurde die Doku kürzlich von YouTube entfernt, aus mir unbekannten Gründen.