Google hat eine „überragende marktübergreifende Bedeutung“, hat das Bundeskartellamt bekanntgegeben. Was wie ein Allgemeinplatz klingt, hat jedoch reale Konsequenzen für den Digitalkonzern. Denn mit dieser Feststellung können die deutschen Wettbewerbswächter anders mit Google umgehen. Möglich macht das eine Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die vor etwa einem Jahr in Kraft getreten ist.
„Das ist ein ganz wesentlicher Schritt, denn auf dieser Grundlage kann das Bundeskartellamt jetzt konkrete, für den Wettbewerb schädliche Verhaltensweisen aufgreifen“, erklärt Kartellamtspräsident Andreas Mundt. Was unter diese Verhaltensweisen fällt, ist im GWB aufgezählt. Dazu gehört etwa, ausschließlich eigene Angebote auf Geräten vorzuinstallieren oder „andere Unternehmen daran zu hindern oder es ihnen zu erschweren, ihre eigenen Angebote zu bewerben“. Die Kartellaufseher dürfen solche Praktiken untersagen, wenn sie wettbewerbsgefährdend sind.
In einem Fallbericht begründet das Kartellamt seine Entscheidung ausführlicher. Es habe Gespräche mit Google gegeben, darüberhinaus habe das Kartellamt ermittelt und öffentliche Quellen ausgewertet. Es sei zum Ergebnis gekommen, „dass Google über eine marktübergreifende wirtschaftliche Machtposition verfügt, die ihm vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierte marktübergreifende Verhaltensspielräume eröffnet“. Der Konzern verfüge über mehrere marktstarke Dienste, etwa die Web-Suche, YouTube oder Android. Diese seien oft miteinander verbunden. Als weitere Argumente nennt der Fallbericht Googles starke Stellung auf dem Werbemarkt und den Zugang zu einer Vielzahl von Nutzer:innen-Daten.
„Schlüsselfunktion für das gesellschaftliche Leben“
Dabei habe Google nicht nur eine wirtschaftlich überragende Stellung: Besonders die Bedeutung der Web-Suche erstrecke sich „auf das gesellschaftliche Leben insgesamt“. „Als mit weitem Abstand größte und bedeutendste Suchmaschine der Welt kommt Google unter dem Aspekt der Teilhabe eine Schlüsselfunktion für das gesellschaftliche Leben in Deutschland und weltweit zu“, heißt es im Fallbericht.
Google ist das erste Unternehmen, dem das Kartellamt eine solche Bedeutung formal zuschreibt. Die Prüfung dazu hatte im vergangenen Mai begonnen. Neben Google startete die Behörde auch Verfahren gegen Facebook, Amazon und Apple. Die Ergebnisse dazu dürften bald folgen, im Dezember verkündete Mundt, die Verfahren würden „mit viel Nachdruck“ betrieben.
Laut dem Bundeskartellamt akzeptiert Google die Entscheidung, die zunächst für fünf Jahre gilt, und will keine Rechtsmittel einlegen. „Google erklärt damit allerdings ausdrücklich nicht, dass es zwingend mit allen vom Amt in der Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen einverstanden ist“, so das Bundeskartellamt weiter.
„Schlüsselfunktion für das gesellschaftliche Leben“
Das klingt gefährlich ~ wird die Schlüsselfunktion jetzt mittels eines Gatekeepers sichergestellt?
„Bedeutenste Suchmaschine“ – u.a. weil alle anderen ausgeblendet werden, man nur auf Werbeumsatz gucken will, ja und die Nutzungszahlen, möglicherweise weil es WEGEN Google et.al. keine einfache deutsche Suchmaschine gibt, die dann landes- oder sprachtypische Ergebnisse liefert, besser als irgendeine Ente. Spezialisierte Suchmaschinen wären auch einfach machbar, indem z.B. Metainformationen standardisiert werden, um eine (Unter-) Seite zu kategorisieren, sei es in HTML oder in robots.txt. Was wäre denn mit einer Internetshopsuche, einer Produktsuche, Händler- und Verkäufersuche etc. gleich mit Metainformationen, ob an Privat, an welche Länder, usw.? Was hindert uns daran, nützliche Technologie zu entwerfen und zu bauen?
Vermutlich ist das alles nur Teil der neuen PR-Offensive seitens der Big-Tech, angesichts der sich ändernden Wahrnehmung in der Gesellschaft.
GAFA sind betroffen — da fehlt nur noch ein M :-) Egal was die Kartellbehörden machen, sie sollten darauf achten, dass es sinnvolle und nachhaltige Entscheidungen sind. Ein blaues Auge wird nicht viel bringen. Beispiel vor rund 10 Jahren: M wird verpflichtet, EU-Bürgern eine Browserwahl treffen zu lassen. Doch leider hatte die EU-Entscheidung nur 5 Jahre Bestand[0], mit dem Ergebnis, dass M zum ursprünglichen Verhalten zurückkehrte.
[0] https://books.google.de/books?id=PHanBQAAQBAJ&lpg=PA255&ots=XSZC39AtCV&hl=de&pg=PA255#v=onepage&q&f=false
Nach Feststellung dieser Binse muss man sich doch fragen, wie es sein kann, dass diese Feststellung so spät verkündet wurde.
Wodurch wurde diese Erkenntnis seit über einer Dekade in der Behörde verhindert, was halbwegs orientierte Jugendliche bereits als Lebenserfahrung verinnerlicht haben?
Wie lange gibt es das GWB schon, und wann hat man im Amt angefangen, es zu lesen?
Welche Aufklärungsarbeit mussten Alphabet Inc. Lobbyisten leisten, damit das Kartellamt endlich eingesehen hat, sie sind doch ein wenig mächtiger, als man es unter den Teppich kehren könnte?
Und was sind all die anderen Anbieter im iNet die über Cookies sämtliche Daten sammeln und verkaufen?
Wow. Welch Epochale Erkenntnis. Leider so 1-2 Jahrzehnte zu spät. Ist die Behörde etwa die ganze Zeit auf das „Don’t be Evil“ Mantra hereingefallen. Eine Firma zerschlagen die sich selbst schon „zerschlagen“ hat bringt nichts, und Alphabet ist ja „nur“ die Holding oder?
Was bringt uns das jetzt real betrachtet? Müssen wir wieder 10 Jahre warten bis ein neuer Gehinrülpser aus dieser Behörde aufschlägt und das Internet auf den Stand von vor 30 Jahren zurück katapultiert – oder was auch immer. Erinnert mich alles sehr an eine alte Fabel(hafte) Geschichte. :-)
Sorry, ich sehe noch nicht wie diese „Neubewertung“ jetzt dem User helfen sollte.
Digital + Daten + Handel, würde ich auch noch als Kartell anfassen. Leider gibt das das Gesetz wohl derzeit nicht her, die Situation als Ganzes zu betrachten. Man jagt illegal erhobenen und verkauften Daten kaum ein bischen nach.
Man könnte sogar spitzfindig darauf hinweisen, dass die de facto Legalisierung der Geschäftspraktiken der großen Plattformen, wenn auch unter Auflagen und nicht ganz ohne Abstriche, den Zustand der Unmöglichkeit dennoch zementiert.