Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.
Im Auftrag von von ProSiebenSat.1 und der Mediengruppe RTL Deutschland hat die WIK-Consult GmbH eine Studie (PDF) erstellt und daraus zwölf Thesen zur Zukunft des dualen Mediensystems destilliert. Beim Branchendienst DWDL finden sich diese Thesen schön übersichtlich aufgelistet. Auf Twitter habe ich diesen zwölf Gegenthesen gegenübergestellt, die ich im folgenden auch in dieser Reihe dokumentieren möchte.
Gegenthese 1: Mit Digitalisierung verbundene Netzwerkeffekte machen Marktversagen in der Tendenz eher häufiger, weil damit monopolistische Winner-Takes-All-Logiken einhergehen. Wenige kommerzielle Plattformen wie Facebook oder YouTube dominieren zunehmend die digitale Öffentlichkeit.
Gegenthese 2: Finanzierung von Inhalten über Rundfunkbeiträge stellt politisch betrachtet einen Beitrag zu vielfältiger, demokratischer Öffentlichkeit dar. Sie ökonomisch als „Subvention“ zu klassifizieren und so Einschränkungen zu rechtfertigen, widerspricht diesem Ziel.
Gegenthese 3: Der Public Value des öffentlich-rechtlichen Auftrags besteht primär darin, einem demokratischen Auftrag zu folgen. Anstalten brauchen hier mehr, nicht weniger Freiheiten, wie diesem Auftrag in digitalen Kontexten am besten zu entsprechen ist. So sollten ihnen zum Beispiel (viel) weniger Beschränkungen für das Verfassen von Textinhalten auferlegt werden und das Verbot presseähnlicher Angebote ersatzlos gestrichen werden.
Gegenthese 4: Eine Beschränkung auf „Schwerpunkte wie Bildung, Kultur und Information“ würde eine Erfüllung des Auftrags erschweren und mittelfristig die Legitimität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefährden. Denn: Geschmacksfragen sind Klassenfragen.
Gegenthese 5: Der sparsame Einsatz von Rundfunkbeiträgen braucht vor allem eine demokratischere Rundfunkaufsicht, die nicht nur staats- sondern auch senderfern organisiert sein muss.
Gegenthese 6: Ein transparenter und effizienter Mitteleinsatz muss für die Öffentlichkeit nachprüfbar sein. Die Höhe der Beiträge sollte anhand eines transparenten und demokratisch legitimierten Kostenmaßstabs festgelegt werden. Das ist deshalb so wichtig, weil jede Form der „Effizienzorientierung“ immer auch ein Werturteil impliziert: effizient für wen, nach welchem Maßstab. Und im öffentlich-rechtlichen Kontext sollte eine demokratisierte Aufsicht über diesen Maßstab befinden.
Gegenthese 7: Eine pauschale Indexierung von Rundfunkbeiträgen in Kombination mit einer Demokratisierung der Aufsicht ist Voraussetzung für die dringend notwendige, größere Flexibilisierung beim Mitteleinsatz für den Aufbau neuer, digitaler Angebote.
Gegenthese 8: Eine stärkere Aufwertung von vermeintlich entpolitisierten Aufsichtsorganen wie der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) würde eine „Rechnungshofisierung“ bedeuten, die der demokratischen Idee öffentlich-rechtlicher Medien entgegen steht.
Gegenthese 9: Die Größe bestehender Spielräume für Kosteneinsparungen ohne Qualitätseinschnitte bei öffentlich-rechtlichen Anstalten wird überschätzt. Wo sie vorhanden sind, sollten sie für neue digitale Angebote genutzt werden (dürfen).
Gegenthese 10: Die gute finanzielle Ausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist bedroht. Die aktuellen KEF-Vorschläge sehen eine nominelle Beitragsstabilität vor, was eine reale Beitragskürzung bedeutet.
Gegenthese 11: Statt bzw. vor verstärkten Kooperationen mit privaten Sendern in digitalen Kontexten sollten Kooperationen mit anderen gemeinnützigen Anbietern (z.B. freie Radios, GLAM-Sektor) und Plattformen (z.B. Wikipedia) vorangetrieben werden.
Gegenthese 12: „[D]ass nach den Plänen der Bundesregierung ab 2025 ein flächendeckendes Gigabit-Netz“ geben wird, glaube ich erst, wenn ich am 1.1.2025 nach der Landung am BER in der „Supermediathek“ den neusten Tatort in 8K unterbrechungsfrei streamen kann.
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