Die Europäische Union hat vergangene Woche ein weiteres Informationssystem zu „terroristischen Bedrohungen“ eingerichtet. In einem „justiziellen Terrorismusregister“ (Judicial Counter-Terrorism Register, CTR) werden seit dem 1. September Daten aus begonnenen und rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren gespeichert. Die Datei wird bei Eurojust geführt, der Justizbehörde der Europäischen Union mit Sitz in Den Haag. Die Agentur ist für die justizielle Zusammenarbeit in Strafverfahren zuständig.
Die Einrichtung der neuen Datei geht auf eine Initiative der Regierungen aus Frankreich, Deutschland, Spanien, Belgien, Italien, Luxemburg und der Niederlande zurück. Frühere Erweiterungen polizeilicher Informationssysteme wurden meist mit der Zunahme von islamistischem Terrorismus begründet. Das neue Antiterror-Register soll jedoch auch „rechts- und linksextremistische Gruppierungen“ in Europa erfassen.
Die zuständigen nationalen Justizbehörden sind nun aufgefordert, entsprechende Meldungen an Eurojust zu machen. Zu den standardmäßig übermittelten Daten gehören neben Personendaten der Beschuldigten auch Aliasnamen, Geburtsdatum, Straftatbestand und Verfahrensstadium. Außerdem sollen das Aktenzeichen und die Kontaktdaten der zuständigen Staatsanwaltschaft gespeichert werden. Bei abgeschlossenen Verfahren kommen das Urteil, eine Zusammenfassung des Sachverhalts sowie der terroristische Phänomenbereich hinzu. Der Eintrag soll außerdem Hinweise enthalten, ob bereits europäische Rechtshilfeersuchen genutzt wurden.
Suche nach „Querverbindungen“
Sämtliche Daten werden in einem Fallbearbeitungssystem bei Eurojust zentral gespeichert. Sucht ein Mitgliedstaat in dem System, erfolgt eine Mitteilung zunächst im Treffer-/Kein-Treffer-Verfahren. Liegt ein Hinweis vor, kann der jeweils betroffene Mitgliedstaat die Freigabe der hinterlegten Informationen beantragen. Auf Wunsch bietet Eurojust „strategische und taktische Meetings“ an, in denen die Behörden „vor Ort im Terrorismusbereich fallbezogen beraten“ werden.
Das „justizielle Terrorismusregister“ wird allerdings nicht nur zur Abfrage aus den Mitgliedstaaten vorgehalten. Eurojust bietet den nationalen Justizbehörden eine „proaktive Unterstützung“ an. Die gesammelten Informationen werden durchsucht und auf „Querverbindungen“ überprüft. Findet Eurojust eine Übereinstimmung, etwa ähnliche Ermittlungen oder Verurteilungen, wird die zuständige Staatsanwaltschaft davon unterrichtet. Die Agentur will auf diese Weise „Personen und Gruppierungen“ identifizieren, gegen die in Fällen „mit potenziell grenzübergreifender Dimension ermittelt“ wird.
Über eine Löschung ihrer Daten entscheiden die jeweiligen Regierungen, die sich bei Eurojust in sogenannten „Tischen“ organisieren. Das Fallbearbeitungssystem meldet, wenn Inhalte drei Jahre vorhanden sind und regt eine Überprüfung an. Ob sich Eurojust und die nationalen Justizbehörden an die Regeln halten, überwacht der Europäische Datenschutzbeauftragte zusammen mit den Datenschutzbeauftragten der Mitgliedstaaten.
EU verfügt bereits über Strafregister
Genau genommen ist das Antiterror-Justizregister keine neue Datenbank. Das bestätigt auch das Bundesinnenministerium und schreibt, dass es sich eigentlich um eine Umsetzung einer bestehenden Übermittlungsverpflichtung der Mitgliedstaaten handelt. Der zugrunde liegende Beschluss datiert aus dem Jahr 2005. Bis 2018 wurde Eurojust von den nationalen Behörden jedoch nur über 580 Fälle informiert. Entsprechender Druck für das neue Register kam deshalb nicht nur von der Europäischen Kommission, sondern auch dem vor zwei Jahren eingerichteten Antiterror-Sonderausschuss des Europäischen Parlaments.
Unklar ist außerdem, wie sich das „justizielle Terrorismusregister“ von bereits bestehenden Datenbanken unterscheidet. Bereits 2012 hat die EU das „Europäische Strafregisterinformationssystem“ (ECRIS) gestartet, in dem ebenfalls Informationen über Vorstrafen gespeichert sind. Nach einem Rahmenbeschluss von 2008 ist die Abfrage früherer Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren gegen dieselbe Person sogar verpflichtend. Beim ECRIS handelt es sich um ein dezentrales System, das ebenfalls im Treffer-/Kein-Treffer-Verfahren funktioniert. Gegenüber dem Eurojust-Register soll es sogar noch zuverlässiger arbeiten, da Standardformate und Fristen zur Übermittlung eingehalten werden müssen.
Erst kürzlich hat die EU das ECRIS um eine neue Funktion erweitert. Gespeichert werden nicht mehr nur Staatsangehörige aus EU-Mitgliedstaaten, sondern auch Drittstaatsangehörige und Staatenlose. Dieses sogenannte ECRIS-TCN ist jedoch als zentrale Datenbank angelegt und wird von der Europäischen Agentur für IT-Großsysteme verwaltet. Beide ECRIS-Systeme enthalten außerdem Fingerabdruckdaten. Wie alle anderen biometrischen Datenbanken werden sie derzeit im Projekt „Interoperabilität“ in einem „gemeinsamen Identitätsspeicher“ verschmolzen.
Die neue Datenbank speichert alle Verfahren, also auch Freisprueche und eingestelle Verfahren. Das waere gegenueber einem Strafregister eine massive Ausweitung, vor allem bleiben eben auch Nicht-Verurteilte als potentielle Terroristen gespeichert.
Und bekanntlich gilt die Schuldsvermutung.