Am Mittwoch fand im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher eine Diskussionsrunde unter dem Titel „Verbraucherfreundliche Soiale Netzwerke“ statt, zu der unter anderem auch ich geladen war.
Die Teilnehmer konnte man grob in zwei Gruppen teilen: Verbraucher- bzw. Datenschützer und Wirtschaftsvertreter. Alle hatten einen gemeinsamen Feind, Facebook, dessen Vertreter auch nicht angereist war.
1. Datenschutz, Datenschutzrecht & Juristiktion
Deutsche Anbieter sozialer Vernetzungsdienste zeigten sich prinzipiell mit der deutschen Datenschutzgesetzgebung zufrieden, zumindest forderte niemand Lockerungen – was allerdings auch am Gastgeber der Veranstaltung gelegen haben mag, bei dem ja ziemlich klar ist, dass man mi dieser Forderung nicht weit kommen würde.
Allgemein beklagten die Deutschen Anbieter aber den deutschen Datenschutz, bzw. vielmehr, dass dieser gegenüber Facebook nicht geltend gemacht werde, als nicht unerheblichen Wettbewerbsnachteil.
Stefan Groß-Selbeck von Xing erklärte die beiden zentralen Vorteile, die Facebook gegen über der deutschen Konkurrenz habe:
1. das virale Wachstum durch Empfehlungen von Nutzern an Nichtnutzer (Friendfinder) und das Sammeln von Daten über Nichtnutzer
2. Das Bereitstellen von APIs für Dritte, in denen auch auf Daten zugegriffen werden kann
…beides in der Form, wie es bei Facebook praktiziert wird, ist in Deutschland illegal.
Die Runde verlor sich in wilden Spekulationen, wie man den Druck des deutschen Gesetzes auf Facebook erhöhen könnte. Das Verbraucherrecht gehe von der Jurisdiktion des Verbrauchers, und nicht des Anbieters aus. Als wohl kühnste Idee stand im Raum, dass man wenn nicht Facebook, dann Erfüllungsgehilfen und Kunden (das sind bei Facebook nicht die Nutzer, sondern die Werbenden) zur Rechenschaft ziehen könne.
Andy Müller-Maguhn vom CCC forderte einfach nur Transparenz über die Geschäftsmethoden. Er könne sich eine Art „Kontoauszug“ für den Nutzer vorstellen, wohl ähnlich der Amazon-Affiliate-Link-Auswertung à la „Facebook hat in diesem Monat 5,oo€ durch Werbeanzeigen auf deiner Pinwand verdient.“
2. Privatsphäre & Datenschutz
Einige Zeit wurde dann über die freiwillige Selbstverpflichtung gesprochen, dass die privatsphärenschonende Einstellung in sozialen Vernetzungsdiensten der Standard ist, und neue potenziell die Privatsphäre betreffende Einstellungen nicht ohne Zustimmung durch den Nutzer einfach aktiviert werden – Facebook geht da bekanntermaßen anders vor. Im Laufe der Debatte wurden – wie so häufig – Datenschutz und Privatsphäre gleichgesetzt, was ein großes Missverständnis ist. Rena Tanges betonte: „Facebook hat immer alle Daten.“
Ich nahm das zum Anlass, an das Verbraucherministerium zu appellieren, doch beide Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, und die Entwicklung dezentraler sozialer NETZWERKE (statt zentraler sozialer Vernetzungsdienste) zu fördern.
Bei dezentralen Netzwerken ist die Infrastruktur in den Händen der Nutzer, man kann von sich preisgeben, was man möchte, und trotzdem schaufelt man damit nicht einem Konzern einen riesigen Datenhaufen für Analyse, Profilbildung und Weiterverkauf in den Rachen, denn die Daten sind auf viele Anbieter und – noch besser – eigene Server der Nutzer verteilt.
Darin ist dann beides ohne Sünde möglich: Post-Privacy und Privacy – jeder nach seiner façon. Das wäre WAHRER Verbraucherschutz, denn in einem solchen NETZWERK wären wir gar keine Verbraucher mehr, sondern Kommunikationspartner. Wir hätten ein soziales Netzwerk.
Meinen Exkurs, dass das Internet nicht ohne Grund als dezentrales Netz entwickelt wurde, und dass auch im zivilen Bereich mit großen Datenlacks bei Sony und Facebook nur wieder auf die harte Tour das gelernt würde, vorher schon klar war, fasste Dr. Grugel vom BELV zusammen als „Plädoyer von Herrn Neumann: Rückbesinnung auf die Gründerzeit des Internets.“ (Ich bin mir nicht sicher, wie das gemeint war, und wie er mich verstanden hat.)
Von der Veranstaltung gibt es einen Audio-Mitschnitt, der streckenweise sicherlich unterhaltsam ist. Zu viel will ich aber nicht verraten… Auch sonst ist die Veranstaltung gut dokumentiert.
Was haltet ihr von dem Vorschlag das künftig die Firmen die auf Seiten die sich nicht an den Datenschutz halten werben abgemahnt werden können sollen ?
Das würde doch quasi Adsense unmöglich machen ? Als kleiner Blogger würde man keine Werbepartner mehr bekommen da diese sich wohl um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein nur an die größeren Platformen wenden würden.
siehe:
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,767756,00.html
Manchmal fragt man sich echt wie inkompetent die Politiker noch sein können !
„und durch die Förderung dezentraler sozialer NETZWERKE…“
Dieser Satz kein Verb?
Kurz vorher könnte man auch die „Fleigen“ korrigieren.
Ich mag ja Herrn Grugel vom BMELV.
Ich finde den Vorschlag von Müller-Maguhn auch spannend.
Und dezentrale Ansätze zu fördern – wie könnte ich da widersprechen, ist Dezentralität gerade in einer global zusammengewachsenen Gesellschaft ein insgesamt wichtiger Ansatz für vieles.
Aber.
Ich bin müde ob dieser professionellen Datenschutz-Stimmungsmache.
Habe gerade gelesen, dass jetzt Werbetreibende, die auf nicht-datenschutz-konformen Websites werdeb, in die Pflicht genommen werden sollen.
Achja.
Wenn ich mich so bockig benehmen würde und irgendwelche Wege ausdenken, mit denen ich bekomme was ich will anstatt eine modernen offenen und vor allem gemeinsamen Weg in die Zukunft zu suchen – dann wär‘ aber die Hölle los.
Datenschutz ist mittlerweile einfach peinlich beim Versuch eine offene und teilende Gesellschaft zu verhindern. Es ist Zeit, ein paar Koordinaten neu zu justieren.
Es sollte die ganzen engagierten Datenschützer HEFTIGST irritieren, dass die sogenannte Privatsphäre mittlerweile in den Händen von Sarkozy und anderen Feinden des freien Web liegt und dort als Waffe eingesetzt wird.
Und das stellst du nun erstmal als fluffigen Einstieg in den Raum, weil „Alle Datenschützer sind doof“ zu auffällig wäre? Ja, natürlich gibt weltfremde Forderungen, ebenso wie auf der Gegenseite.
Ah, „Alle Datenschützer sind doof“ kam doch noch ,)
Mensch, Jens, in dieser Pauschalität ist die Aussage selbst für deine Verhältnisse von epische Unsinnigkeit. So bringt das echt niemanden was, ausser natürlich, wenn wir eine Debatte auf Bierzeltniveau führen wollen.
Tut es, ganz sicher sogar. Die ganz engagierten und die nicht ganz engagierten vermutlich auch. Moment, wo war das Argument? Das Netzpolitik nur etwas für Menschen ist, die nicht zu Magengeschwüren neigen? Stimmt.
Stefan Groß-Selbeck von Xing sollte sich mal sein eigenes Produkt im Vergleich zu Facebook ansehen.
Der zentrale Vorteil ist hier, dass man Facebook komplett gratis werbefinanziert nutzen kann, während man bei XING als kostenloses Mitglied nicht einmal auf Nachrichten antworten kann, die ein Premium-Mitglieb schreibt. Dass man so keine Weiterempfehlungen an Nichtnutzer generiert, dürfte klar sein.
Dass Privacy in dezentralen sozialen Netzwerken möglich sei, ist vielleicht eine zu optimistische Einschätzung. Um sich mit jemandem zu vernetzen, muss man ja dessen Netzwerk-Zugangs-Anbieter mindestens so sehr vertrauen wie diesem Jemand. Oder täusche ich mich da?