Vorgestern schon veröffentlichte Simon Möller bei Telemedicus einen apologetischen Kommentar zum Vorschlag des Bundesbeauftragten für Datenschutz, Peter Schaar, wie man die Vorratsdatenspeicherung doch noch einführen könnte.
Darin schreibt Möller Dinge wie
Wem ist denn Schaar verpflichtet? Anderen Datenschützern? Politischen Meinungen oder Parteien? Natürlich nicht. Der Auftrag des Bundesdatenschutzbeauftragten ist, soweit dieser überhaupt politische Konnotationen hat, definiert in § 26 BDSG. Dort steht nichts davon, dass ein Bundesdatenschutzbeauftragter immer und um jeden Preis für den Datenschutz kämpfen muss. Vielmehr ist der Bundesdatenschutzbeauftragte Berater und Kontrolleur der Bundesbehörden, und er darf dabei durchaus pragmatische Ansätze wählen.
und zuletzt:
Es muss klar sein, dass Schaar hier keine Extremposition vertritt. Das tun vielmehr viele unter denen, die ihn aktuell so scharf kritisieren.
Datenschützer sind niemandem verpflichtet, das ist richtig. Aber sie haben eine gesellschaftliche Funktion: Die des mahnenden Zeigefingers.
Ein guter mahnender Zeigefinger hat 2 Eigenschaften. Erstens: Er ist übertrieben vorsichtig. Zweitens: Er ist reaktiv. Er mahnt.
Die erste Eigenschaft bezeichnet genau die Extremposition. Sei es zu Streetview, oder von mir aus auch den Agrarsubventionen: Beides sind für mich Beispiele, wo Datenschützer keinesfalls in meinem Interesse, mit hoher Sicherheit sogar sachlich falsch argumentiert haben. Aber sie haben wenigstens ihre Aufgabe wahrgenommen, die in nichts anderem besteht, als in der gesellschaftlichen Debatte die Extremposition des Datenschutzes zu vertreten. Das ist deshalb wichtig, weil die extreme Gegenposition sich immer von allein ergibt. Beide verhelfen den Bürgern – und den Entscheidungsträgern zur Beurteilung der Situation.
Mit der zweiten Eigenschaft, dem reaktiven statt initiativen Handeln meine ich nicht, dass immer nur „Nein“ gesagt werden muss. Natürlich können auch selbst Vorschläge eingebracht werden. Thilo Weichert hat das zum Beispiel unlängst getan, und einen Gesetzesentwurf zum Datenschutz im Internet formuliert – zum Datenschutz wohlgemerkt!
Schaar prescht nun als Datenschützer mit einem Vorschlag zur Vorratsdatenspeicherung vor, obwohl überhaupt keine Notwendigkeit für ihn bestand, das zu tun. Vielmehr hätte er sich zurücklehnen, und warten können, bis andere sich wieder irgendwelche Rechtsbiegereien ausdenken. Die Bundesjustizministerin als eine erklärte Gegnerin der Vorratsdatenspeicherung saß ebenso mit gefalteten Händen und harrte der Dinge.
Und so kam es, dass wir nun eine Vorratsdatenspeicherung diskutieren, die von einem Datenschützer vorgeschlagen und somit ad-hoc legitimiert ist. Wahrscheinlich lässt er sich als nächstes noch 1, 2 Wochen mehr abringen, und nennt das ganze dann „Kompromiss.“ Wäre der Vorschlag von der CSU, der DPolG, oder dem Innenministerium gekommen, wären alle gewarnt gewesen, weil bekannt gewesen wäre, wes‘ Geistes Kind der Urheber ist. Der „Wolf im Schaarspelz“ hingegen missbraucht seinen Ruf und seine Position, um der Debatte ein Ungleichgewicht zu verleihen.
Diese Exkommunizierung des BfDI finde ich wenig hilfreich. Wenn Peter Schaar könnte, würde er die VDS auch sofort wieder abschaffen. Er hat einfach eine andere Analyse der politischen Großwetterlage zu diesem Thema und agiert auf dieser Basis anders als wir. Darüber kann man sich aber durchaus mal ernsthaft austauschen. Vermutlich weiss er Sachen aus EU-Kreisen, die wir nicht wissen, aber genauso auch andersrum.
„Verräter“ und ähnliche Worte machen eine vernünftige Debatte nicht einfacher.
Nachtrag, nur zur Klarstellung: Ich finde seinen Vorschlag von Inhalt und Zeitpunkt her etxrem dämlich, das habe ich ihm auch schon selber gesagt. Aber ich halte ihn immer noch für einen überzeugten Datenschützer. Er fährt einfach eine andere Taktik, die er für erfolgversprechender hält als die weitere grundsätzliche Ablehnung der VDS. Diese Taktik und damit zusammenhängende Lageanalyse finde ich grottenfalsch, aber das ist ne andere Einschätzung als „Verräter“.
»…Dort steht nichts davon, dass ein Bundesdatenschutzbeauftragter immer und um jeden Preis für den Datenschutz kämpfen muss…
Ja klar, wie der Name schon sagt: DATENSCHUTZbeauftragter. Wahrscheinlich hat sich eine Frauenrechtsbeauftragte auch nicht zwingend mit Frauenrechten zu befassen, und ein Menschrechtsbeauftragter nicht mit Menschenrechten. Krieg ist Frieden und Orwell lässt grüßen.
Ich möchte mich auch nochmal kurz auf „Dort steht nichts davon, dass ein Bundesdatenschutzbeauftragter immer und um jeden Preis für den Datenschutz kämpfen muss“ beziehen:
Wie haltlos muss eigentlich die eigene Position sein, dass man ein derart verlogenes „Argument“ bemühen muss. Die Gegenseite wolle, dass „immer“ — also auch wenn der Datenschutzbeauftragte schläft — und „um jeden Preis“ — also auch unter Einsatz von Folter — für den Datenschutz gekämpft werden müsse?
Einen dümmeren Strawman habe ich selten gesehen.
Finde die Kritik hier an Herrn Schaar berechtigt, auch wenn die Gegenargumentation sich quasi selbst in die Luft sprengt.
Ich finde den Kommentar von Simon Möller überzeugend. Was will denn die „Datenschutzbewegung“ (so es denn so etwas gibt)? Wenn die Speicherung von Daten generell abgelehnt wird, untergräbt man damit den Vorschlag des Quick Freeze-Verfahrens. Das ist dann faktisch nicht mehr möglich. Damit würde das Internet tatsächlich zum rechtsfreien Raum werden, da eine Aufklärung von Straftaten dann unmöglich wäre. Und dabei rede ich nicht von den Straftaten, die bisher nicht aufgeklärt werden konnten (woran wohl auch die Vorratsdatenspeicherung nichts ändert).
Wieso hat Netzpolitik denn bitte an manchen Stellen (hier zum Beispiel) das Quick Freeze-Verfahren als ähnlich effektive Alternative zur Vorratsdatenspeicherung genannt, wenn man sich hier offensichtlich nicht einmal darüber einig ist, ob man dieses Verfahren nicht doch lieber leer laufen lassen würde, indem man keine Basis befürwortet, auf der das Quick Freeze-Verfahren angewandt werden könnte?
Das ist nicht stichhaltig und in sich widersprüchlich. Entweder man sieht das Quick Freeze-Verfahren als Alternative; Dann muss man die Datenbasis dafür befürworten. Oder man sagt ganz klar, dass das Quick Freeze-Verfahren auch nicht angewandt werden sollte, weil man Datenspeicherung generell ablehnt. Beides zusammen geht nicht.
Meiner Ansicht nach streiten wir uns primär darum, was unter QuickFreeze zu verstehen ist. Die eine Seite meint, QuickFreeze wäre die Speicherung bestimmter Daten nach §100g StPO ausschliesslich ab dem Zeitpunkt der Meldung bis zur Einholung eines ordentlichen Beschlusses an Anschlüssen eines Verdächtigen, vorraussetzend dass der Verdächtige bzw. sein Anschluss bereits identifiziert ist, die andere, dass QuickFreeze auch rückwirkend in der Zeit gelten solle (für mich eine ganz neue und sehr kreative Interpretation) um gerade den Anschluss erst zu identifizieren.
@Karpatenhund:
Wieso sollten hier alle Autoren eine Meinung haben? Die Kommentatoren haben die doch auch nicht. Würdest du einer Printmediumsredaktion, oder gar einer Partei diese Frage stellen? Es ist aber in diesem noch nicht einmal so, dass wir hier eine Meinungsverschiedenheit hätten! Mein Artikel dreht sich, wie du sicher gemerkt hast, überhaupt nicht um meine persönliche Bewertung von Quick Freeze Plus, sondern viel mehr darum, von wem der Vorschlag kommt, und dass QFP dadurch zur liberalsten Extremposition wird. Als Kompromiss-Endergebnis wäre QFP ja gar nicht schlecht! Aber der Kompromiss steht ja erst noch bevor!
Deshalb schließe ich auch mit den Worten
@ Ralf: Zugegeben: Das Wort „Verräter“ ist übertrieben & effektheuchlerisch. Aber: Es ist nicht von mir. Zu meiner Verteidigung kann ich anbringen, dass ich es im Titel habe, weil ich auf den Telemedicus-Titel Bezug nehme. Darüber hinaus denke ich, dass meine Argumentation, die ich selbstverständlich ohne dieses Wort ausführe, auch nicht zu dem Schluss einer Exkomunikation führt. Aber, ohne Zweifel gestehe ich ein: Reißerischer Titel. Mit Absicht.
Was Hintergrundinformationen auf der EU-Ebene angeht: Überzeugend finde ich das Argument nicht, denn wie du selbst schreibst waren Inhalt und Zeitpunkt etxrem dämlich gewählt.
Käme sein Vorschlag als REAKTION, hätte ich sicherlich auch anders darüber geschrieben. In der Diskussion kann sich der Datenschutzbeauftragte ja von mir aus realpolitisch dem Kompromiss nähern. Aber doch nicht von sich aus.
@Linus Neumann: Mea culpa. Natürlich müssen innerhalb einer Redaktion nicht alle einer Meinung sein.
Dennoch frage ich mich, wann Schaar den Vorschlag hätte bringen sollen. Es wird jetzt über die Frage diskutiert. Da ist es legitim, seine Ansichten offen zu legen und darzustellen, was man will. Wann hätte er den Vorschlag denn gefahrlos machen sollen? Er muss zwingend vor dem Kompromiss kommen, sonst kommt es nicht zum Kompromiss. Ob er seine exakten Vorstellungen so schnell hätte offenbaren müssen, darüber lässt sich streiten; Das ändert aber nichts daran, dass der Vorschlag inhaltlich gut ist.
Es ist im Endeffekt so, wie Simon Möller richtig schreibt: Der Vorschlag ist inhaltlich pragmatisch, er ist richtig, er ist konsequent.
Schaar hat keineswegs die Aufgabe, irgendwelche Extrempositionen zu vertreten, sondern er soll den Datenschutz sicher stellen. Und das auf pragmatische Art und Weise, sprich: Er soll sinnvolle Positionen vertreten. Der Datenschutz ist wichtig, aber er ist nicht absolut und kann durchaus zurücktreten müssen.
Wir sprechen hier nicht von einer „Vorratsdatenspeicherung light“ oder ähnlichem. Wir sprechen hier von einer konsequenten Umsetzung dessen, was Datenschützer seit der Vorratsdatenspeicherung als Alternative anpreisen: Dem Quick Freeze-Verfahren. Nichts anderes hat Schaar gefordert, womit er seine Aufgabe bisher vollkommen erfüllt hat. Probleme gäbe es erst, wenn Schaar diese Position aufgäbe.
Also ich finde, dass Schaar hier sehr wohl im Sinne des Datenschutzes argumentiert. Denn auch Peter Schaar weiß, dass Deutschland nicht um die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung herum kommt – sei es aus europarechtlichen Zwängen oder wegen politischen Drucks. Faktisch ist die Diskussion über das „Ob“ der Vorratsdatenspeicherung gelaufen, offen ist nur noch das „Wie“.
Wenn sich Schaar dauerhaft und ohne Kompromisse gegen die Vorratsdatenspeicherung ausspricht, steht er auf verlorenem Posten. Eine vollständige Verweigerung ist politisch wie juristisch kaum noch haltbar, ob es uns gefällt oder nicht. Wenn Schaar in Zukunft bei der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung mitreden möchte, bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als Alternativen anzubieten. Und das hat er mit „Quick Freeze plus“ gemacht.
Natürlich kann und muss man über diesen Vorschlag diskutieren und man kann durchaus in Frage stellen, ob der Kompromiss gelungen ist oder nicht. Aber ich bin da voll bei Simon, dass es vermessen ist, Schaar als „Verräter“ zu bezeichnen und dass es nicht seine Aufgabe ist, den Datenschutz bis aufs Letzte zu verteidigen. Der Datenschutz ist kein absolutes Gut – es ist völlig legitim ihn in gewissem Umfang in gewissen Fällen einzuschränken. Wenn Schaar dadurch das Maximale für den Datenschutz rausholen kann, darf und muss er mE auch einen Schritt auf die „Gegenseite“ zu machen, um pragmatische und politisch durchsetzbare Lösungen zu finden.
(PS: Ich bin Kollege von Simon bei Telemedicus, aber auch bei uns gilt, dass wir keine einheitliche „Redaktions-Meinung“ haben. Ich spreche also für mich persönlich, nicht für Simon oder die Telemedicus-Redaktion.)
Was Schaar für eine Auffassung vertritt interessiert die Bundesjustizministerin herzlich wenig. Die FDP hat selbst genug fähige und vor allem konsequentere Bürgerrechtler.
Worin Schnarri jedoch offen ist, ist für technische Beratung. Statt auf allen im Raum stehenden Vorschlägen herumzuhacken, empfehle ich dringend das Gespräch zu suchen und dadurch mitzuhelfen, eine möglichst grundrechtskonforme Regelung zu finden. Denn eine Regelung wird es in jedem Fall geben. Darüber hab ich ja schon mit Jörg-Olaf kommentiert. Im BMJ sitzen hervorragende Juristen. Allerdings keine Techniker und Informatiker. Gerade die sind aber dringend vonnöten, wenn es um Gesetzgebung in diesem technisch-juristischen Grenzbereich geht.
@6: Da sieht man schon was Herr Schaar mit seinem Begriff „Quick Freeze Plus“ angerichtet hat. Die Leute können nicht mehr zwischen Vorratsdatenspeicherung und Quickfreeze unterscheiden.
„Quickfreeze Plus“ ist nichts anderes als eine verkürzte Vorratsdatenspeicherung. Es ist auf Vorrat und verdachtsunabhängig. Beides ist bei richtigem Quickfreeze nicht gegeben, wieso es auch hier auf Netzpolitik als Alternative gesehen wird.
Also ich bin gegen ein sogenanntes Quick-Freeze-Verfahren, das eine Vorratsdatenspeicherung „fuer ein paar Tage“ voraussetzt.
Die Infrastruktur ist bei einer „vollen“ und einer Vorratsdatenspeicherung „fuer ein paar Tage“ identisch.
@name: es geht nicht um die Infrastruktur – die müsste ohnehin von der letzten VDS vorhanden sein. Man könnte allenfalls mit dem enormen Speicherbedarf argumentieren (ob der so enorm ist, weiß ich allerdings auch nicht…).
Mir erschließt sich grundsätzlich der Sinn der Vorratsdatenspeicherung (oder auch QF+) nicht – das Abmahnen von Filesharern klappt doch auch so noch ganz gut…
Grundsätzlich sollten, wenn es zu einer wie auch immer gearteten Wiedereinführung der VDS kommt, die hürden für die Nutzung und Auswertung deutlich höher gelegt werden. Also nicht wie bisher, zum Ahnden von Ordnungswidrigkeiten oder ziviler Rechtsansprüche, sondern ausschließlich im Falle von schweren Straftaten.
@ 14. hans:
Der Begriff „Infrastruktur“ kann auch weiter gefasst werden im Sinn von z. B. juristischer Infrastruktur (bis hin zu sozialer Praxis). Das Problem bleibt: Wenn die Entscheidungsträger/Institutionen sich erst einmal an eine VDS gewöhnt haben, dann kann aus einem „quick freeze“ leichter etwas Dauerhafteres und Umfassenderes werden.
Welche schweren Straftaten meinst du? Oder war dein Argument rein hypothetisch?
Ich bin jetzt erstmal von der technischen Infrastruktur ausgegangen.
Und ja, das Argument war hypothetisch. Wie ich schon geschrieben habe, erschließt sich mir der Sinn von VDS nicht. Mein Ausdruck „schwere Straftat“ war etwas laienhaft (bin ja auch einer…) – ich habe ehrlich keine Ahnung wo man da eine Grenze ziehen könnte. Aber ich bin ja auch grundsätzlich der Meinung, das diese Grenze garnicht notwendig sein soll. Wie gesagt, das Abmahnwesen klappt auch so ganz gut…
In der Tat bin ich nicht (ganz) der Meinung von Adrian: Ich halte den Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung auch hinsichtlich des „ob“ noch nicht für verloren. Richtig ist: Deutschland ist aktuell juristisch verpflichtet, eine Vorratsdatenspeicherung einzuführen. Wir haben aktuell eine Justizministerin, die sehenden Auges gegen Europarecht verstößt.
Richtig ist aber auch: Auf europäischen Ebenen läuft aktuell ein Abstimmungsprozess (in typisch brüsseler Technokratensprech als „Evaluation“ bezeichnet), und es ist nicht ausgeschlossen, dass am Ende dieses Abstimmungsprozesses die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung komplett abgeschafft wird. Insofern halte ich es für vertretbar, sich auf die Fundamentalposition zu stellen und komplett gegen jedes zweckunabhängige Speichern von Daten („Vorratsdatenspeicherung“) zu sein – egal durch wen, egal wie lange.
Allein, das ist eine wenig sinnvolle Position und sicher auch keine, die mehrheitsfähig wäre. Der Staat hat auch einen Schutzauftrag. Er soll und muss seine Bürger vor Gefahren schützen. Das mag mit Terrorismus zu tun haben, betrifft meiner Erfahrung nach aber eher so „alltägliche“ Delikte wie Identitätsdiebstahl, Betrug auf E-Commerce-Plattformen, Cyberstalking, die Verbreitung von Malware oder gewerbliche Urheberrechtsverletzungen. Sehr viel auch Beleidigungen, Verleumdungen etc.
Andererseits haben natürlich auch die „Netizens“ ein Recht auf Freiheitsentfaltung, und jeder Bürger hat ein Recht darauf, nicht ständig beobachtet zu werden.
In diesem Interessenkonflikt muss man einen Ausgleich finden. Beide Seiten haben ein Recht darauf, dass ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Nur, wenn man der Sache ins Auge blickt, muss man einsehen: „Quick Freeze“ in Kombination mit § 96 Abs. 2 TKG (strikte Datensparsamkeit im Fernmeldewesen) berücksichtigt die eine Seite überhaupt nicht. Das ist keine vermittelnde Lösung, das ist eine radikale, einseitige Durchsetzung von Interessen.
Insofern wäre meine Frage an Linus, aber auch an die anderen Gegner von „Quick Freeze Plus“: Seht ihr „Quick Freeze“ – ohne das „Plus“ – wirklich als ernsthafte Alternative zur Vorratsdatenspeicherung?
Ich möchte auch noch mal klarstellen, das „Quick Freeze Plus“ gerade keine „Vorratsdatenspeicherung light“ ist. Bei Quick Freeze Plus würden die Daten wirklich nur bei den Telkos verbleiben, wo sie ohnehin schon sind – nur etwas länger. Der Staat würde an die Daten nicht herankommen, mit gewissen Ausnahmen, die noch auszuhandeln wären. Der eigentliche Kampf von „Freiheit statt Angst“ wäre denn auch genau dort auszutragen:
– Richtervorbehalt? (Welcher Richter?)
– Welche Straftaten bzw. Gefahrstufen sollen in den Katalog?
– Anordnungskompetenz?
– Dauer der vorlaufenden Speicherpflicht?
– Zulässigkeit von Anonymisierungdiensten?
etc.
—
All das lässt unberührt, dass ich die persönlichen Angriffe gegen Schaar unangemessen und respektlos finde. Wer Schaar einen „Verräter“ nennt, hat nicht verstanden, was das Amt eines Bundesdatenschutzbeauftragten eigentlich ist. Insofern hat Linus sich schon zu Recht relativiert (Kommentar 8), aber ein etwas deutlicheres Abrücken von diese doch sehr deutlichen Anfeindung wäre schon sinnvoll.
Lieber Simon,
Du schreibst:
„Ich möchte auch noch mal klarstellen, das “Quick Freeze Plus” gerade keine “Vorratsdatenspeicherung light” ist. Bei Quick Freeze Plus würden die Daten wirklich nur bei den Telkos verbleiben, wo sie ohnehin schon sind – nur etwas länger. Der Staat würde an die Daten nicht herankommen, mit gewissen Ausnahmen, die noch auszuhandeln wären.“
Könntest Du bitte kurz skizzieren, inwieweit sich das nun von der bislang beschlossenen VDS unterscheidet (außer eben in der Dauer)?
Es war im Rahmen der VDS keine zentrale, staatliche Speicherung vorgesehen.
„wo sie ohnehin schon sind“: die VDS hat ausdrücklich die Erhebung und Speicherung von Daten verlangt, die bislang eben gerade nicht von den Telkos gespeichert wurden (zB Ortungsdaten Handy, fehlgeschlagene Anrufe, Mail-Verkehr (ja, ich weiß, nicht die Inhalte, aber Absender, Empfänger etc)). Sollen die bei QF+ auch gespeichert werden?
Der Staat kam auch bei der VDS nur mittels entsprechender Ermächtigungsgrundlage an die Daten, die politisch auszuhandeln waren.
Ok, so sehe ich das auch.
Weil auch ich kein Jurist bin: Schwere Straftaten, anyone?
Eine Vorratsdatenspeicherung (Datenspeicherung auf Vorrat) auf Buchlaeden/Cafes uebertragen wuerde bedeuten:
Jedes Mal, wenn ich in einen Buchladen gehe, wird meine Personalausweisnummer samt gekauften Buechern aufgenommen und abrufbar gespeichert.
Jedesmal, wenn ich in ein Cafe gehe, um mich dort mit anderen Menschen zu unterhalten, wuerde meine und deren Personalausweisnummer aufgenommen und abrufbar gespeichert.
Und in einem solchen Szenario soll ich mich unbeobachtet fuehlen und meine Persoenlichkeit entfalten?
zu Verbrechensbekaempfung:
Verbrecher lassen sich doch nicht von einer Vorratsdatenspeicherung abschrecken, bzw. wuerden Wege finden, diese zu umgehen bzw. wirkungslos zu machen.
> Wer Schaar einen “Verräter” nennt, hat nicht verstanden, was das Amt eines Bundesdatenschutzbeauftragten eigentlich ist.
Man muss nicht das Amt des Bundesdatenschutzbeauftragten „verstehen“, um dessen Aeusserungen kritisieren zu koennen/duerfen. Ja, und in der Position ist er „umgefallen“ und hat sie eventuell bewusst „verraten“.
@me:
Ich kann natürlich nicht für Schaar sprechen, und will einem Diskussionsprozess auch nicht zu weit vorgreifen.
Ich habe schon bei der Bezeichnung „Vorratsdatenspeicherung“ kritisch gesehen, dass diese suggeriert, der Staat würde speichern. Letztlich fand (und finde) ich die Bezeichnung aber nicht irreführend, da die Telkos hier wirklich nur „Vollstrecker“ eines staatlichen Anspruchs waren: Sie speicherten viel länger und viel mehr als sie das eigentlich wollten, und der Staat kam unter (meiner Meinung nach) sehr geringen Anforderungen an die Daten, vgl. § 100g StPO.
So hat das auch das BVerfG gesehen, vgl. Abs. 193 im Vorratsdatenspeicherungs-Urteil:
Demgegenüber könnte eine kurze vorlaufende Speicherfrist z.B. als Ausnahme von § 96 TKG formuliert werden: Man stellt einen Katalog von Daten auf, die die Telkos nicht unmittelbar löschen müssen bzw. erheben dürfen und erlaubt ihnen für eine gewisse Dauer die Speicherung. Die Telkos würden das wohl umsetzen, denn sie haben selbst ein Interesse an einer (begrenzten) Speicherung der Daten. Im Einzelnen müsste man eine solche Regelung auf das TK-Datenschutzrecht abstimmen, was wirklich kompliziert ist.
Ich sehe da wirklich einen qualitativen, nicht nur graduellen Unterschied zur Vorratsdatenspeicherung. Das gilt auch psychologisch: Bei der Vorratsdatenspeicherung wusste ich, dass hier staatlich gesteuerte Organe ein fast lückenloses Profil meines Privatlebens (Standort, Medienkonsum, Individualkommunikation) anlegten und dieses mit wenig Aufwand auswerten konnten. Bei Quick Freeze Plus weiß ich: Wenn ich weitere 2 Wochen keine Malware verschicke, keinen Betrug begehe, keine Bombenbauanleitungen im Internet veröffentliche, dann sind meine Daten weg. Letztlich ist das der selbe Status wie noch vor 10 Jahren, als die meisten Telekommunikationsdienstleistungen zeit- oder volumenabhängig abgerechnet wurden, so dass die Daten ohnehin einen Monat gespeichert blieben.
Wenn Herr Schaar während seiner Amtszeit auch nur irgendwas zum Datenschutz beigetragen hätte, könnte man ihn jetzt einen Verräter nennen. Hat er aber nicht. Er ist in meinen Augen so unfähig und unwirksam wie eh und je. Sowas nennt man gemeinhin eine Lusche.
@Simon
Kopie/Zitat:
„Bei Quick Freeze Plus weiß ich: Wenn ich weitere 2 Wochen keine Malware verschicke, keinen Betrug begehe, keine Bombenbauanleitungen im Internet veröffentliche, dann sind meine Daten weg. Letztlich ist das der selbe Status wie noch vor 10 Jahren, als die meisten Telekommunikationsdienstleistungen zeit- oder volumenabhängig abgerechnet wurden, so dass die Daten ohnehin einen Monat gespeichert blieben.“ Zitat Ende.
Es ist eben nicht der gleiche Status. Denn ansonsten würden die Hetzer der CDU/CSU nebst anderer Konsorten genau dieses Novum bei der „kurzweiligen“ Speicherung nicht fordern.
Kurzweilig, bis sieben Tage, werden sowieso bei den meisten Anbietern auch jetzt (nach dem „alten“ Verfahren) vertragsunabhängig die Daten gespeichert. Dieses ist eine Absprache mit dem unterirdischen Herrn Schaar!
Aber diese sieben Tage reichen den Überwachungsfaschisten eben leider nicht. Sie möchten die Speicherfrist ausweiten.
Es gibt aber nicht ein wenig schwanger. Und es gibt daher auch nicht ein wenig speichern.
Sieben Tage alleine (alte Regelung) sind bereits ein Skandal! Aber wie schön, daß das Bundesverfassungsgericht sich wahrscheinlich nochmal damit befassen muß, wenn gewisse Herrschaften sich durchsetzen sollten.
Wiederholt fordere ich dazu auf, entsprechende Parteien nicht zu wählen.
@Silvie:
„Aber diese sieben Tage reichen den Überwachungsfaschisten eben leider nicht. Sie möchten die Speicherfrist ausweiten.“
Und wie ich vermute, wird man dann sich auch eben nicht mit ein paar (Flatrate)-IPs zufrieden geben, sondern eben wieder auch die Dinge fordern, die IPs und Telkos eben nicht von sich aus speichern, wie Handystandorte, fehlgeschlagene Anrufe, E-Mail-Header, vollständige Telefonnummern, obwohl der Kunde die verkürzten beantragt hat …
Ps. Ich möchte überhaupt mal fragen, wer darüber bestimmt, wann welche Daten warum eingefroren werden. Na??
Hat sich darüber auch schonmal jemand Gedanken gemacht? Wer entscheidet, was ggf. juristisch relevante Aktivitäten sein sollen oder werden könnten? Der Provider? Soll der jetzt Blockwart spielen? Oder die Bullerei, die den Provider online veranlasst, genau JETZT Daten einzufrieren, weil man gerade Augenzeuge von irgendwas geworden ist? Anders geht es doch gar nicht. Der zeitliche Zusammenhang muß ja gegeben sein.
Super!
Nichts da. Kommt es, klage ich.
7000 Euro habe ich zurückgelegt.
Das sollte reichen.
Die Luschen werden jetzt in die Löcher getrieben, aus denen sie gekrabbelt kamen.
@me
Sollen sie mal kommen. Wir halten dagegen.
In diesem Sinne wünsche ich allen Datenschützern/schützerinnen ein schönes, beobachtungsfreies Wochenende.
;-)
Wie wärs: IPv6 einführen, jedem Bürger nen Subnetz in die Hand drücken und VDS VDS sein lassen (egal, wie sie nun heißt).
Keine Datenspeicherung, dennoch einfache Identifikation.
Ich kann mich noch dran erinnern, wie vor Jahren darüber geächzt wurde, dass die IPs dynamisch waren. Mittlerweile scheint man das ganz gern zu haben.
Ohne die technische Notwendigkeit anno dazumal wären statische IPs (und entsprechend einfache Nachvollziehbarkeit) wohl von vornherein gegeben gewesen.
Mit IPv6 werden sich die Datenschützer noch ganz besonders befassen.
Und ich kann Dir jetzt schon verraten, daß sich die Provider an die Gesetze halten müssen. Sie werden den Datenschützern Auskunft geben, da IPv6 andere Möglichkeiten inne hat. Und diese entsprechen nicht dem Grundgesetz.
Mit anderen Worten: Die Einführung von IPv6 im Jahr 2011 bedarf des besonderen Augenmerkes. Die Provider werden mit Juristen zusammensitzen.
Und nicht nur ich werde darauf achten, daß es weiterhin möglich ist, mittels IP nicht SOFORT erkannt zu werden. Die genannten Teile der IP müssen dynamisch bleiben.
Viele Kläger in spe haben bereits alles in der Schublade, wenn es um das Eingemachte geht.
Ich klage gerne.
Bisher jederzeit mit Erfolg.
Und ich denke, das bleibt auch so.
IPv6 wird entweder vollständig dynamisch eingeführt oder gar nicht.
Schaar soll keine Extrempositionen vertreten. Das ist nicht seine Aufgabe. Er hat seine Aufgabe immer sehr weitreichend wahrgenommen wie von der Politik kritisiert wurde.
Vielleicht fehlt trotz aller Sprachmächtigkeit den Sonderinteressierten an Datenschutz der Hinweis darauf, dass sie eine Minderheitsmeinung vertreten.
@A. Rebentisch
> Vielleicht fehlt trotz aller Sprachmächtigkeit den Sonderinteressierten an Datenschutz der Hinweis darauf, dass sie eine Minderheitsmeinung vertreten
auf welche Datenbasis beziehst du dich?
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/228/79/
in dieser Umfrage waren 48 Prozent fuer die Vorratsdatenspeicherung, 46 Prozent dagegen, statistische Fehlertoleranz +-3 Prozent
Das ist von der Argumentation her richtig, von der wortwahl falsch. Sorry, aber jemanden einen Verräter zu nnen erinnert mich irgendwie an Kindergarten und Jugendgang. Das ist so Politjargon im Mittelalter. Sollen wir ihn jetzt Kiel holen lassen oder ihn zu einem Duell auf Leben und Tod herausfordern?
Ich kann nur sagen, dass ich nur gegen die verdachtsunabhängige Datenspeicherung bin. Sollte ein begründeter Verdacht bestehen, der von einem Richter bestätigt wird, so dürfen durchaus Daten Gespeichert werden, um den Verdacht zu erhärten.
Vielen Befürwortern der verdachtsunabhängigen Datenspeicherung ist scheinbar nicht klar, dass ein Krimineller sich nicht nur mit einer Tat zu Frieden gibt. Er macht so lange weiter bis er erwischt wird. Und wenn er nur einmal eine Straftat begeht so ist der Schaden allgemein durchaus gering, gerade im Bezug auf die Digitale Kommunikation.
Es ist ein Trugschluss jemanden für alle seine Straftaten bestrafen zu müssen. Es reicht nur eine Straftat nach zu weisen um ihn zu verurteilen. Das mag für Geschädigte zwar unbefriedigend sein, aber genauso wenig dürften sie darüber Begeistert sein vollständig überwacht zu werden.
Ich sehe es einfach nicht ein, für ein Zugewinn an Effizienz einen nicht geringen Teil meiner Freiheiten auf zu geben.