Creative-Commons-Abmahnungen: Gegenwind für die Cider Connection

Die Kanzlei Schroeder aus Kiel mahnt offensichtlich weiterhin wegen fehlerhafter oder unvollständiger Creative-Commons-Bildreferenzierungen ab. Doch immer mehr Betroffene wehren sich gegen die Forderungen der Kanzlei. Anwalt Jan Schallaböck erklärt im Interview rechtliche Möglichkeiten und Vorgehensweisen.

Immer mehr Betroffene zeigen der Cider-Connection die Zähne. (Symbolbild) CC-BY-SA 2.0 urbanwired1

Das Geschäftsmodell der „Cider Connection“, das wir in einer Reportage im Juni letzten Jahres offenlegten, geht stark vereinfacht gesagt so: Ein Verband zum Schutz geistigen Eigentums (VSGE) vertritt einen Fotografen. Die Kanzlei Schroeder aus Kiel vertritt, zumindest in vielen dokumentierten Fällen, den VSGE und mahnt in dessen Auftrag ab, wenn gegen die Lizenzbedingungen des Fotografen verstoßen wurde. In vielen uns bekannten Fällen handelt es sich beim Fotografen um Dennis S., der auf Flickr hunderte von Symbolfotos unter Creative-Commons-Lizenz abgelegt hat. Nach unserer Einschätzung ist die massenhafte Bereitstellung solcher Symbolfotos ein Honeypot, der Nutzer in eine Falle lockt, damit später auch massenhaft abgemahnt werden kann.

Doch mittlerweile wehren sich immer mehr Betroffene. Sie zahlen weitaus geringere als die geforderten Beträge oder gehen mit negativen Feststellungsklagen gegen die Forderungen der Kanzlei vor. Uns ist zudem bekannt, dass mindestens eine Strafanzeige gegen die Kanzlei Schroeder und den VSGE wegen „versuchten gewerbsmäßigen (Banden-)Betrugs“ gestellt wurde.

Wir haben Jan Schallaböck zum Umgang mit dem Thema „Cider Connection“ befragt. Schallaböck ist Rechtsanwalt und Partner bei der Berliner Informationsrechtskanzlei iRights.Law. Er ist seit den späten 90er-Jahren in der netzpolitischen Community aktiv und war viele Jahre Mitarbeiter beim Datenschutzbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein.

Firmen- und Beziehungsgeflecht der Cider Connection. Zum Vergrößern auf das Bild klicken. (Stand Juni 2016) - CC-BY-SA 2.0

Herr Schallaböck, Sie sind gegen die Kanzlei Schroeder mit einer negativen Feststellungsklage vorgegangen. Was heißt das genau?

Mit einer negativen Feststellungsklage kann man sich gegen Forderungen wehren, die unbegründet oder überhöht sind. Vereinfacht gesagt: Wenn jemand sich „einer Forderung berühmt“ – wie es so schön im
Juristendeutsch heißt – also behauptet, er oder sie müsse z. B. Geld von einem bekommen, kann man vom Gericht feststellen lassen, dass dem nicht so ist.

Und dafür zieht man vor welches Gericht?

Die Wahl des passenden Gerichtstandes ist nicht immer ganz einfach; das hängt zum Beispiel von der Höhe der Forderung ab. In unserem Fall war es das Amtsgericht des Gerichtsbezirks unserer Mandantin.

Und die Mandantin hatte zuvor eine Forderung im Stile der von uns so genannten „Cider Connection“ bekommen? Also wegen Lizenzverletzungen eines Creative-Commons-Bildes des Fotografen Dennis S. eingefordert durch die VSGE und bearbeitet durch Kanzlei Schröder …

Anwalt Schallaböck: „Dem merkwürdigen Geschäftsmodell etwas entgegensetzen“ - CC-BY-SA 2.0 Stephan Roehl / Heinrich-Böll-Stiftung

Genau, es ging genau um einen Fall, wie ihn netzpolitik.org auch schon mehrfach dokumentiert hat. Diese Abmahnungen richten sich gegen Verwender von Bildern, deren Nutzung über eine Creative-Commons-Lizenz möglich ist. Diese Lizenzen gestatten die unentgeltliche Nutzung unter bestimmten Bedingungen. Hierzu zählt neben der Nennung des Namens des Urhebers oft auch das Setzen von Links auf Lizenz und Originalquelle sowie die (korrekte) Nennung des Bildtitels. Wenn hierbei Fehler gemacht werden, mahnt die Kanzlei Schröder ab.

Sie haben ja diese Klage gewonnen. Wie war Ihre Argumentation vor Gericht?

Grundsätzlich ist es nicht ganz einfach, gegen die Forderung vorzugehen, denn die Lizenzpflichten sind natürlich auch bei CC-Lizenzen einzuhalten. Auf der anderen Seite haben diese Abmahnungen einen ausgesprochen unangenehmen Effekt, weil sie zum Beispiel auch die Verwender von freien Bildungsmaterialien einschüchtern. Wir haben dann ein wenig überlegt, ob wir nicht einen Weg finden können, diesem merkwürdigen „Geschäftsmodell“ etwas entgegenzusetzen.

Unser Eindruck war, dass die Abmahner mit der Höhe der Forderung mächtig überziehen. Meist werden da Beträge von deutlich über 1.000 Euro gefordert, weil man vergessen hat, einen Link zu setzen. Insbesondere für kleinere NGOs kann das schnell eine existenzielle Bedrohung darstellen. Hinzu kommt, dass ohne negative Feststellungsklage die ganze Zeit die Drohung im Raum steht, dass die Forderung doch vielleicht durchgesetzt werden könnte, wenn man nicht zahlt. Außerdem haben wir dem Mandanten geraten, eine modifizierte Überlassungserklärung abzugeben.

War eine Argumentation vor Gericht auch, dass das Geschäftsmodell offenbar darauf aufbaut, dass der Fotograf systematisch einfach zu findende Symbol-Fotos auf eine Plattform hochlädt und damit Nutzerinnen und Nutzern quasi einen Honeypot aufstellt?

Nein, das haben wir nicht ins Zentrum gestellt, weil das für die Mandantin zu riskant gewesen wäre. Gemeinsam mit unserem ehemaligen Referendar, Hagen Richter, haben wir einen umfangreicheren Schriftsatz aufgesetzt. In diesem Dokument haben wir die Berechnungen des Gegenanwaltes Punkt für Punkt auseinandergenommen. Am Ende ist noch eine Forderung von genau 80 Euro und 20 Cent übrig geblieben. Der Mandant hat dann abgerundet und 80 Euro überwiesen.

Ok, das heißt, Sie haben die 80 Euro bezahlt und gegen den restlichen Betrag geklagt?

Ganz genau. Bezüglich des restlichen Betrages der überhöhten Forderung haben wir dann die besagte negative Feststellungsklage erhoben. Dagegen hat sich die Gegenseite nicht verteidigt und das Gericht fand unseren Vortrag plausibel. Entsprechend müssen sie die Verfahrenskosten tragen. Was den Betrag von 80 Euro übrigens durchaus übersteigt.

Das heißt: Mit einer negativen Feststellungsklage können Betroffene den zu zahlenden Betrag signifikant nach unten drücken?

Man kann auch einfach einen geringeren Betrag anbieten, ohne vor Gericht zu gehen. Mit der negativen Feststellungsklage kann man gerichtlich feststellen lassen, dass der Anspruch in der behaupteten Höhe nicht besteht.

Sie würden Betroffenen also raten, diesen Weg zu überlegen, um die Forderungen geringer zu halten und gleichzeitig das Geschäftsmodell gerichtlich überprüfen zu lassen?

Ich lege allen nahe, die eine solche Abmahnung erhalten, eine negative Feststellungsklage durch einen Anwalt prüfen zu lassen, weil man so Klarheit bekommen kann und gleichzeitig diesem Geschäftsmodell Schranken aufzeigt.

Vielen Dank für das Gespräch.

9 Ergänzungen

  1. Negative Feststellungsklagen machen dann Sinn, wenn man die Kosten hierfür beim Gegner vollstrecken kann. Darauf, dass dieser dubiose „Verband“ nennenswertes Vereinsvermögen hortet, würde ich ohne weitere Informationen nicht wetten wollen.

    Ich glaube auch nicht, dass dieser Verband wegen kleinen Summen wie 80,- € klagen würde. Daher würde ich Mandanten schon aus taktischen Gründen auch nicht zur Zahlung solcher Kleinbeträge raten. Im Falle einer für die Abmahner interessanten Klage auf die Gesamtsumme würden sich solche realistischen Teilbeträge nur unwesentlich auf die Kosten auswirken.

    1. Vielen Dank für den Kommentar aus berufenem Munde (für Mitlesende: Markus Kompa betreut seit vielen Jahren Mandate in CC-Abmahnfällen), das gibt mir Gelegenheit zu einer kleinen Ergänzung

      Die Frage, ob überhaupt Geld überwiesen werden soll waren natürlich, ebenso wie die Vollstreckungsproblematik, Gegenstand unserer Erwägungen. In diesem Fall war der von uns gewählte vor dem Hintergrund der Mandanteninteressen der Vorzugswürdige. In anderen Fällen, kann durchaus ein anderes Vorgehen angeraten sein. Wir sind übrigens neben dem Verein direkt gegen den Vorsitzenden persönlich vorgegangen, gegen den unterdessen ein vollstreckbar Titel vorliegt. Ob die Vollstreckung gelingt, wird sich nun klären.

      1. Ich warte ja schon seit Jahren auf den Mandant, dem es wert wäre, diesen „Verband“ platt zu machen … ;)
        Venceremos!

  2. Welche Seite nun ein Geschäftsmodell betreibt mag dahin gestellt bleiben.

    Der Artikel macht auf mich den Eindruck das er dem Leser den Eindruck vermittelt das für ihn als Rechtsverletzer mit der Zahlung von EUR 80.- alles geregelt sei. Der Anspruch auf Unterlassung, sofern berechtigt, muss meines Wissens trotzdem von ihm bezahlt werden, also die Kosten des abmahnenden Rechtsanwalt. Und die Kosten für seinen eigenen Advokaten kommen wahrscheinlich noch dazu.

    Fazit – empfehlt euren Lesern doch lieber, sich an Lizenzbedingungen zu halten um unnötige Kosten und Rechtsberatung gleich zu vermeiden. Gepaart mit dem Risiko dass der Rechteinhaber sich doch noch auf den Klageweg macht, was nahezu unkalkulierbar sein dürfte – könnte das allerdings auch so jedem einleuchten.

    1. Wir haben in der gesamten Berichterstattung zum Fall immer Empfehlungen gegeben, wie das mit den Lizenzbedingungen richtig geht. Und auch aus dem Interview geht das ja hervor.

  3. Dieser Abmahnunsitte eigentlich fast schon organisierte Kriminalität sollte endlich vom Gesetzgeber ein Riegel vorgeschoben werden, weil das Abmahnrecht damit seit mindesten 20 Jahren missbraucht wird. Der ursprüngliche Zweck dieses Rechtsmittels lag in der kostengünstigen (sic!) und einfachen Abmahnung von wettbewerbswidrigem Verhalten konkurrierender Unternehmen (Vobis vs. Escom, etc)! Es sollte niemals gegen Privatpersonen zum Einsatz kommen!

    Das unsere Gesetzgebung und Justiz dies nicht endlich korrigiert ist mir unverständlich. Aber wie man bei anderen Themen sieht, wird dies erst dann der Fall sein, wenn einige Politiker konkret und selbst bedroht sind – nicht umsonst sind die Roamingkosten offensichtlich wichtiger für die genannte Personengruppe.

  4. Ich verstehe die Aufregung nicht so ganz.
    Ist es die Höhe der Abmahnung? Die wird im Gerichtsverfahren ggf. korrigiert.
    Haltet euch doch einfach an die Lizenz unter der das Werk gestellt wird.
    Mir geht es auch regelmäßig auf dem Keks wenn irgendjemand ohne Nennung von irgendwelche Quellen meine von mir gemappten Straßenkarten bei OpenStreetMap irgendwo hinkopiert. Ich möchte immer den Verweis auf OpenSteetMap sehen – genau so wie ich einen Verweis auf Wikipedia sehen möchte wenn jemand meine dort verfasste Artikel kopiert/zitiert.

  5. War es ein honeypod? Wer weiss das schon!
    Wenn mir nach der Lektüre dieses Beitrages, oder eines ähnlichen Beitrages, das Gefühl hochkommt, dass Fotografen böse Menschen sind, dann weiss ich, dass mit dieser Berichterstattung etwas nicht richtig ist.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.