Diskussion: Eingesperrt wegen Geheimnisverrats

Unter dem Titel „Prisoners of Dissent – Locked Up For Exposing Crimes“ veranstaltete das Disruption Network Lab Berlin eine Diskussionsrunde in der Volksbühne zur politischen Lage des Whistleblowing.

Veranstaltung in der Volksbühne: Prisoners of Dissent. – Alle Rechte vorbehalten Disruption Network Lab

Anlässlich der Haftentlassung Chelsea Mannings am 17. Mai waren zwei Whistleblower*innen aus unterschiedlichen Kontexten durch das Disruption Network Lab e. V. in den Grünen Salon an die Berliner Volksbühne geladen, um mit dem Publikum über die rechtlichen und sozialen Grauzonen des Whistleblowing zu debattieren. Der Titel „Prisoners Of Dissent – Locked Up For Exposing Crimes“ der Veranstaltung war das Programm: Gefangene des Widerspruchs – Eingesperrt dafür, Verbrechen aufgedeckt zu haben.

Ziel der Konferenz war einerseits, auf die gesellschaftlichen und individuellen Konsequenzen der Veröffentlichung von Geheiminformationen aufmerksam zu machen, und andererseits, politische oder technologische Gegenstrategien zu erarbeiten, um Whistleblowing und Regierungskritik vor Repression zu schützen und eine gerechtere und partizipativere Gesellschaft zu gestalten.

Der gesamtgesellschaftliche Ausblick kam nur leider etwas kurz, und die Veranstaltung diente zunächst der Inszenierung John Kiriakous (Ex-CIA), welcher mit einer Lesung aus seinem Buch „Doing Time Like A Spy“ auf die individuellen Konsequenzen des Geheimnisverrats den Auftakt machte und die Konferenz zur Bewerbung seines Buches für die Absicherung seiner ökonomischen Interessen nutzte.

Es sprach zudem Annie Machon (Ex-MI5), die Ende der 1990er Geheimnisverrat gemeinsam mit ihrem Mann beging, der ebenfalls Mitarbeiter des britischen MI5 war. Machon schuf den historischen Brückenschlag zwischen zunehmender Angstpolitik und der Neoliberalisierung der Gesellschaften seit Margret Thatcher, der Entsolidarisierung und dem daraus resultierenden problematischen Umgang mit Whistleblowing sowohl im Sozialen als auch im Recht. Trotzdem Machon nicht nur auf ihre individuellen Leiden fixiert blieb, sondern die historisch spezifische Situation mitreflektierte, ließ sie kein Wort zu Perspektiven der Zukunft verlautbaren.

Wo Kiriakous Ziel, mit seinem Buch Geld für sich zu sammeln, immerhin klar feststand, hatte Machon keine Perspektive für kommende gesellschaftliche Aufgaben.

Die Forderung nach zukünftiger Solidarität wurde letztlich durch den an der Konferenzteilnahme verhinderten und durch Magnus Ag (Freemuse) vertretenen Künstler Silvanos Mudzvova aus Simbabwe auf die Tagesordnung gebracht. Mit Mudzvova muss erst ein regimekritischer Künstler aus der Subsahara kommen, der mit Nachdruck daran erinnert, dass es um eine solidarisch gestaltete Zukunft geht, nicht um persönliche Vorteile.

Diskussion mit dem Publikum

Die Stimmen der Diskussion bewerteten insbesondere Kiriakous Position als weiß, männlich und damit privilegiert. Schließlich gäbe es weitaus stärker diskriminiertes Whistleblowing und Regierungskritik, was ihre Position schwäche. Nicht zuletzt war auch Chelsea Mannings Diskriminierung während der Haft in einem Männergefängnis Thema, da die Soldatin während der Untersuchungshaft ihre geschlechtliche Identität änderte. Eine aktuelle Mitteilung auf ihrer Website hinsichtlich ihrer bevorstehenden Befreiung wurde durch Annegret Falter vom Whistleblower Netzwerk e. V. dem Publikum vorgetragen. Darin bedankt sich Manning für die Unterstützung aus allen Teilen der Welt und spricht davon, es nicht erwarten zu können, endlich ein anderes Leben zu führen.

Auch anwesend war Tarquin Ramsay, der Macher des Filmes „Free Speech Fear Free“, der am 15. Mai Premiere an der Berliner Volksbühne feiert und in dem unter anderem Julian Assange und Jude Law zu Sprache kommen.

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