Als vor zwei Jahren in Genf der erste World Summit on the Information Society (WSIS) stattfand, waren wir vor Ort ziemlich geschockt: Es gab kein freies Netz. Und das, wo doch mit diesem Gipfel erstmalig die Verringerung der digitalen Spaltung weltweit thematisiert wurde. Im Vorfeld hatte niemand wirklich damit gerechnet, da bei allen UN-Vorbereitungskonferenzen (Sogenannten Prepcoms) ausreichende WIFI- und Kabelanbindung gewährleistet war. Auf dem WSIS 1 gab es zwar ein riesiges Internetcafe, welches zu unserer Freude auch komplett unter Linux lief, allerdings waren die Rechner nicht nutzbar. Fast alle Ports waren weggefiltert, noch nicht einmal Webmail-Interfaces mit SSL konnten genutzt werden, vom Notebook anschliessen ganz zu schweigen. Für drei Tage sollten man umgerechnet 220 Euro für SwissCom-WIFI zahlen. Wir gaben damals eine Pressemitteilung dazu raus und planten Alternativen. Wir brachten einen eigenen WIFI-HotSpot mit nach Genf und dank eines schweizer Studenten, der unsere Pressemitteilung gelesen hatte, bekamen wir noch einen zweiten. So konnten wir wenigstens rund um die wenigen Civil Society Büros ein kleines freies Netz aufbauen, weil dort Kabel hin verlegt wurden. Bezeichnenderweise gab es damals jeden Abend freies Netz auf dem Gegengipfel. Das war für viele die einzige Möglichkeit, wenigstens mal Mails zu checken. Von einer netzbasierten Kommunikation während des Gipfels, wie von der Zivilgesellschaft im ganzen Prozess praktiziert, blieb so nichts übrig. Wikis, Mailinglisten, Chats und IM konnten nicht wirklich genutzt werden.
Dieses Jahr sieht es wieder ähnlich aus. Das Thema ist immer noch die Verringerung der digitalen Spaltung und die Netzsituation ist wieder mal bezeichnend für die Diskussion. Unklar ist noch, ob der Preis für das unfreie WIFI ähnlich hoch sein wird, wie im Hochpreisland Schweiz. Nicht akzeptabel ist jedoch, dass von den Veranstaltern überhaupt nicht daran gedacht wird, freie Kommunikationsinfrastrukturen zur Verfügung zu stellen. Es ist ja auch nur der „Weltinformationsgipfel“. So kommt die Message rüber, dass nur diejenigen an einer Informationsgesellschaft teilnehmen können, die über die notwendigen finanziellen Ressosurcen verfügen. Dabei geht es auch anders.
In der internationalen Zivilgesellschaft haben die Planungen schon vor einiger Zeit begonnen. Wir werden wieder versuchen, rund um die Civil Society Büros ein Netz aufzubauen und werden die notwendige Technik dazu mitbringen. Andernfalls steht vermutlich kein Kontakt zur Aussenwelt zur Verfügung. Unklar ist noch, welche Art von Netz zur Verfügung steht und wie schnell das überhaupt ist. Da Tunesien eines der Länder ist, welches am meisten zensiert, rechnen wir vor Ort eigentlich mit allem. Zu hoffen ist, dass sich die tunesische Regierung etwas bewegt und wenigstens auf dem WSIS-Gelände ungefiltertes Netz bereit stellt. Samstag morgen geht es los nach Tunis, ich bin mal gespannt, wann und wie ich das erste Mal Netz habe. Und ob der Gipfel wieder mal an der Frage der Bereitstellung von freien Netzressourcen zeigen wird, wie sich Wirtschaft und Politik die Teilhabe am Netz vorstellen.
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