ÜberwachungssoftwareEU-Kommission stellt Pläne für Exportkontrollen vor

Die EU-Kommission geht Exporteuren von Überwachungstechnologien an den Kragen. Europäischen Firmen wie FinFisher, Trovicor und HackingTeam soll es künftig nicht mehr so einfach möglich sein, Spähsoftware zu verkaufen, mit der Menschenrechte verletzt werden können.

Videoüberwachung – in Zukunft „intelligent“? – Matthew Wiebe

Die EU-Kommission hat diese Woche ihre Vorschläge für eine Reform der Dual-Use-Verordnung vorgelegt. Damit werden bestimmten Gütern Hürden beim Export auferlegt, die für militärische Zwecke genutzt werden können. Neu ist, dass für die Ausfuhr von Überwachungstechnik eine Lizenz beantragt werden muss. Damit möchte die EU-Kommission verhindern, dass mit Technologien von europäischen Herstellern Menschenrechtsverletzungen begangen werden.

Überwachungstechnik Made in Germany

Im Rahmen des Arabischen Frühlings und durch Veröffentlichungen von Forschern war bekannt geworden, dass deutsche und europäische Firmen, wie etwa FinFisher, Trovicor oder HackingTeam, Technologien zur Überwachung an autoritäre Staaten im arabischen Raum und in afrikanische Länder verkauft hatten. Mittels dieser wurden Menschenrechtler und Oppositionelle ausgespäht und unterdrückt. Die Politik gab sich überrascht und musste zugeben, dass sie über die Millionen-Geschäfte europäischer Firmen nicht viel wusste, wie erst neulich ein Mitarbeiter des Bundeswirtschaftsministeriums beim Internet Governance Forum Deutschland Anfang September in Berlin erklärte.

Neue Definition von Dual-Use-Gütern

In Deutschland gibt es daher seit letztem Jahr eine verschärfte Außenwirtschaftsverordnung, die eine Genehmigungspflicht für die Ausfuhr von bestimmter Überwachungstechnik vorsieht. Der Vorschlag der EU-Kommission würde dies auf alle europäischen Mitgliedstaaten ausweiten. Möchte ein Unternehmen zum Beispiel Spähsoftware nach Saudi-Arabien verkaufen, müsste es dafür künftig eine Lizenz beantragen.

In einem wichtigen Detail geht die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag über bisherige Formen von Exportkontrollen, wie in der deutschen Regelung oder dem internationalen Wassenaar-Abkommen, hinaus. Sie führt eine neue Definition von Dual-Use-Gütern ein: Bislang waren damit Güter gemeint, die für sowohl militärische als auch zivile Zwecke genutzt werden konnten. Nach der neuen Definition sind damit auch „Cyber-Überwachungs“-Technologien gemeint, die zur Verletzung von Menschenrechten genutzt werden können. Erstmals wird der Schutz von Menschenrechten explizit als Kriterium für Exportkontrollen genannt.

Lobbyschlacht um genaue Formulierungen

Während ein im Sommer geleakter Entwurf noch neun verschiedene Technologien auflistete, deren Ausfuhr künftig einer Lizenz bedarf, finden sich im finalen Vorschlag der EU-Kommission nur noch fünf Technologien. Darunter Überwachungszentralen, Systeme zur Vorratsdatenspeicherung und Geräte zum Abhören von Mobiltelekommunikation. Laut der Nachrichtenseite Euractiv.com liegt das auch am intensiven Lobbying von Industrie- und IT-Firmen.

Es besteht allerdings auch die Gefahr, dass durch die Verordnung IT-Sicherheitsforschung eingeschränkt wird. Darauf weist die britische Nichtregierungsorganisation Privacy International in ihrer Analyse des geleakten Entwurfs hin. Generell begrüßt sie aber die Pläne der EU-Kommission, wie ein Mitarbeiter gegenüber netzpolitik.org im Juli sagte:

Der Vorschlag stellt einen wichtigen Versuch dar, Schutzmaßnahmen für den Export von Überwachungstechnologien zu gewährleisten.

Als nächstes beraten EU-Parlament und der Rat der Europäischen Union über die Vorschläge der EU-Kommission im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens.

Amnesty International begrüßt Exportkontrollen

Dass Exportkontrollen geschaffen werden, fordern Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch seit langem. Sie bewerten sie als ein Mittel, um die Ausfuhr von Überwachungstechnik einzuschränken, erklärte Verena Haan von der deutschen Sektion von Amnesty International auf dem Internet Governance Forum Deutschland.

Auf demselben Podium warnte Frank Rieger vom Chaos Computer Club, dass Exportkontrollen nichts bringen würden. Er forderte stattdessen, die Herstellerfirmen zu schließen. Daran hat aber beispielsweise die Bundesregierung kein Interesse. Schließlich kaufen die hiesigen Sicherheitsbehörden Überwachungstechnik auch von den Firmen, die in der Vergangenheit an autoritäre Staaten wie Ägypten lieferten.

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