„Das Leben ist so leicht, wenn du dumm bist, weil es für alles einen einfachen Grund gibt“, heißt es im Refrain eines Songs von FiNCH. Der Rapper verleiht damit einer geläufigen Meinung Ausdruck: Wer sich vom rechten Populismus der AfD einfangen lässt, sei eben „dumm“.
Den (Wahl-)Erfolg der Rechten erklärt das nicht. Und es verschleiert die Sicht auf einen Gegner, der klassisch linke Agitationsmethoden besser nutzt als viele Linke. Denn die zeitgenössische Medienstrategie der Rechten ist maßgeblich vom Denken Antonio Gramscis beeinflusst, einem marxistischen Intellektuellen aus Italien.
Und im Netz lässt sich die rechte Anwendung der Gramsci-Strategie quasi live mitverfolgen.
Rechtslinke Medienstrategie
Gramsci war Mitbegründer der Kommunistischen Partei Italiens und wurde 1928 unter Mussolinis Regime zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. In seinen berühmten „Gefängnisheften“ analysierte er die Bedingungen für den erfolgreichen politischen Machtgewinn und deren Sicherung. Kulturelle Hegemonie nennt es Gramsci, wenn bestimmte Ideen die Oberhand gewinnen.
Nach dieser kulturellen Hegemonie streben auch rechte Aktivisten. In ihrer eindimensionalen Auslegung Gramscis wollen sie die geistige Basis dafür schaffen, um den gesellschaftlichen Diskurs insgesamt nach rechts zu verschieben. Das sogenannte „Vorfeld“, der außerparlamentarische Arm der Rechten in Deutschland, spricht im Netz offen über ihr großes Vorbild. Im Podcast des Jungeuropa Verlags fordert Benedikt Kaiser, rechter Autor und Publizist, die AfD dazu auf, Gramsci zu lesen.
Als Paradebeispiel für die erfolgreiche Anwendung der Gramsci-Strategie gilt etwa die Etablierung des Begriffs „Remigration“ innerhalb der Rechten. Auch der Chef der Identitären, Martin Sellner, glaubt an die Gramsci-Strategie. In einem Vortrag bei Familie Kubitschek in Schnellroda betonte er, dass die Rechten das Momentum der sozialen Medien ausnutzen müssten. Solange andere politische Kräfte das neue Instrument noch nicht im Griff hätten, schlage laut Sellner die Stunde der Opposition.
Entsprechend begeistert erzählt Sellner vom Erweckungsmoment der AfD auf TikTok: „Ein junger Mann bringt sein Smartphone in Stellung. Vor ihm baut sich ein stattlicher Sachse mittleren Alters auf. Sie befinden sich auf dem Grundstück einer Bekannten irgendwo in Deutschland.“
Der stattliche Sachse ist Maximilian Krah, der mit seinen TikTok-Ansprachen in der Medienlandschaft für Unruhe sorgte. Auch wenn der Mode-Ratgeber Derek Guy die reinste Freude an Krah hätte, haben dessen Videos Millionen Klicks erhalten.
Agitation an allen Medienfronten
Die rechte Strategie schlägt Wellen und trägt dazu bei, die AfD und ihre Ideologie zu normalisieren. Der Fitness-Influencer Tim Gabel hat – nach Wagenknecht, Lindner und Habeck – auch den AfD-Politiker Roger Beckamp in seinen Podcast eingeladen. Das Video kam schnell auf rund 500.000 Aufrufe. Weit mehr als alle anderen Gespräche mit deutschen Politgrößen, obwohl Beckamp längst nicht so bekannt ist wie die vorangegangenen Gäste. In der Kommentarspalte wird Gabel als „lupenreiner“ Demokrat gefeiert, der „mit jedem rede“, und Beckamp als besonnener Politiker gelobt. Im AfD-Lager dürfte das für Freudentaumel gesorgt haben.
Auch ästhetisch kommen die Inhalte rechter Aktivisten mehr und mehr an. Polnische Neonazis mit Zigtausenden Followern spülen ihren visuell aufpolierten Content in deutsche Feeds. Die jungen Männer könnten auf den ersten Blick auch der Berliner Technoszene entsprungen sein. Sie rauchen zu stampfenden New-Wave-Songs Zigaretten, trainieren mit ihren Freundinnen in Fitnessstudios oder spielen oberkörperfrei Gitarre am Strand.
Viele Menschen folgen ihnen vermutlich wegen ihres Aussehens, ohne sich der politischen Stoßrichtung der Content Creator bewusst zu sein. Dafür reichen die wohldefinierten Muskeln und eingängigen Songs aus. Um auf Instagram Erfolg zu haben, genügt es meist bereits, ein ansprechendes Bild abzuliefern.
Positiver Druck für Veränderung
Doch derzeit braucht es noch ein wenig mehr, um junge Menschen in ihrer Wahlentscheidung zu beeinflussen. Das zeigen die Ergebnisse der jüngsten Bundestagswahl und der große Erfolg der Linkspartei in den sozialen Medien. Sie hat das Gespenst der „starken AfD auf TikTok“ vorerst ausgebremst. Heidi Reichinnek und das Wahlkampf-Team der Linken waren sich nicht zu fein, den Gegner auf dem eigenen Territorium herauszufordern. Die Dynamik zeigt, wie essenziell soziale Medien für die Verbreitung der eigenen politischen Ideen bleiben.
Falls die Parteien der Mitte und ihre Botschaften weiterhin relevant sein wollen, brauchen auch sie eine bessere Anschluss- und Diskursfähigkeit im Netz und in der Gesellschaft allgemein. Dasselbe gilt für die traditionellen Medien und ihr politisches Sendungsbewusstsein. Noch stehen dort im Rampenlicht eher vermeintlich linke Shootingstars: populistisch Empörte, die sich Bild-gleich echauffieren; Prominente, die ihren „Protest“ auf roten Teppichen zur Schau tragen; oder Feuilletonisten, die ihre Selbstbeweihräucherung als Aktivismus tarnen.
Damit lassen sich junge Menschen nicht dauerhaft begeistern. Und dann werden im schlimmsten Fall noch mehr von ihnen nach rechts blinzeln. Wirklich problematisch wird es, wenn das, was es dort zu sehen gibt, besser aussieht als der Rest. Noch tut es das nicht. Noch.
Danke für diesen Beitrag