Eine der wichtigsten Finanzierungsquellen für Internetfreiheitsprojekte, der US-amerikanische Open Technology Fund (OTF), steht vor dem Aus. Übers Wochenende hat US-Präsident Donald Trump mit einer Verfügung („Executive Order“) eine Reihe eigentlich unabhängiger Behörden kaltgestellt, darunter die U.S. Agency for Global Media (USAGM). Über diese bezieht der OTF sein vom US-Kongress ausdrücklich für ihn bestimmtes Budget.
Für die Trump-Administration spielt die gesetzlich geregelte Unabhängigkeit dieser Behörden offenkundig keine Rolle. Als Folge der Verfügung habe USAGM der OTF-Leitung mitgeteilt, dass es die finanziellen Zuschüsse an den OTF einstellen werde, schrieb OTF-Präsidentin Laura Cunningham in einer gestrigen E-Mail an die Belegschaft. Derzeit prüfe man, wie sich die Internetprojekte weiterhin unterstützen ließen. „Während dieser Zeit der Unsicherheit werden wir keine neuen Anträge einholen oder neue Verträge vergeben“, so Cunningham in der Mail, die netzpolitik.org einsehen konnte.
Wenig Geld, große Wirkung
Der OTF verfügt über ein jährliches Budget von rund 40 Millionen US-Dollar. Damit finanziert der Fonds eine ganze Reihe an Internetprojekten mit, die sich vor allem an Menschen in autoritären Systemen richten und mit denen sich etwa Zensur umschiffen oder sicher kommunizieren lässt. Von der finanziellen Unterstützung haben in der Vergangenheit beispielsweise der Signal-Messenger oder das Tor-Projekt profitiert. Schon zuvor hatte die Trump-Regierung andere Geldquellen für solche Internetfreiheitsprojekte abgedreht, insbesondere betroffen sind Töpfe des US-Außenministeriums.
„Die unmittelbare Folge ist, dass, wenn dies so bleibt, über 45 Millionen Menschen den Zugang zu vertrauenswürdigen und sicheren VPNs verlieren werden“, sagte Cunningham der Nachrichtenagentur Bloomberg. Mit solchen Virtuellen Privaten Netzwerken lassen sich beispielweise Netzsperren umgehen und spielen in Ländern wie China eine wichtige Rolle dabei, an unabhängige Informationen zu kommen. Der Einschnitt werde „Diktatoren ermutigen und der US-Regierung die Möglichkeit nehmen, ein Publikum zu erreichen, das hinter autoritären Firewalls gefangen ist“, sagte Cunningham.
Eigentlich genießt der OTF breite überparteiliche Unterstützung in den USA. Schon im Jahr 2020 hatte Donald Trump in seiner ersten Amtszeit die USAGM und indirekt den OTF angegriffen: Der kurzzeitige USAGM-Chef und konservative Aktivist Michael Pack entließ etwa die damalige OTF-Chefin Libby Liu und versuchte, Fördermittel aus undurchsichtigen Gründen zu Closed-Source-Projekten umzuleiten.
Als Reaktion darauf verabschiedete der Kongress im selben Jahr ein Gesetz, um die Unabhängigkeit der USAGM weiter auszubauen. Auch das Budget des ebenfalls von der Regierung unabhängigen OTF wird eigens vom Kongress bewilligt und stieg in den vergangenen Jahren meist stetig an. Dies sollte sicherstellen, dass die Agenturen unbeeinflusst von politischen Kapriolen weiterarbeiten können.
Kahlschlag auch bei unabhängigen Medien
Diese Hoffnung hat sich offensichtlich nicht erfüllt: USAGM ist unter anderem auch für das Budget unabhängiger US-Medien wie Voice of America (VOA) und Radio Free Europe/Radio Liberty zuständig. Am Wochenende wurden über Tausend Mitarbeitende der formell eigenständigen Sender freigestellt, inzwischen sendet VOA Loops veralteter Beiträge. Es sei ein „blutiger Samstag“ gewesen, berichtet der US-Sender NPR.
Ganz überraschend kommt dies nicht. An der Spitze der USAGM steht mittlerweile der konservative Aktivist Leo Brent Bozell III, einflußreicher dürfte aber die Trump-Vertraute Kari Lake sein. Die ehemalige Fernsehmoderatorin und Verschwörungserzählerin, die sich mehrfach und letztlich vergeblich im tendenziell konservativen Arizona um politische Ämter beworben hatte, ist auf dem Papier zwar „nur“ USAGM-Sonderberaterin. Die Entlassungsschreiben, die Ende letzter Woche verschickt wurden, trugen NPR zufolge jedoch ihre Unterschrift und nicht jene von Bozell.
Ebenfalls von Lake stammt eine Pressemitteilung, in der sie den Kahlschlag mit teils abenteuerlichen Argumenten begründet. So hätten etwa Terrorist:innen die USAGM-Agentur unterwandert und „massive“ Verletzungen der nationalen Sicherheit begangen. Außerdem seien Hunderte Millionen US-Dollar in „Fake-News-Unternehmen“ geflossen, und die US-Auslandssender hätten „oft die Argumente der Gegner Amerikas nachgeplappert“, so Lake. Nun gehe es darum, so Lake, das Dekret Trumps vollständig zu implementieren. In der Anordnung hatte Trump erklärt, insgesamt sieben Behörden „im größtmöglichen, mit dem geltenden Recht vereinbaren Umfang zu eliminieren“.
Mittlerweile mehren sich die Rufe, dass die EU einspringen und die immer weiter klaffende Lücke schließen sollte. Unter anderem der tschechische Außernminister, Jan Lipavský, und die liberale Renew-Fraktion fordern ein „unverzügliches Handeln“, auch wenn noch nicht ganz klar ist, wie dieses aussehen sollte. Zugleich nimmt die Debatte rund um „Digitale Souveränität“ Europas immer mehr Fahrt auf, wobei es derzeit nichts dem OTF vergleichbares in der EU gibt.
Undemokratisches Vorgehen
Den brutalen Kahlschlag bekommen aktuell auch andere unabhängige Behörden zu spüren. So tauchten am Wochenende Mitarbeitende von Elon Musks DOGE-Gremium vor den Türen des U.S. Institute of Peace in Washington, D.C. auf. Nach einer kurzen Patt-Situation verschafften sie sich mit Hilfe der Polizei Zugang zu den Büros des Friedensinstituts und ließen dessen Mitarbeitende abführen.
„Unsere Satzung ist sehr eindeutig, was den Status dieses Gebäudes und dieses Instituts betrifft“, sagte der jüngst abgesetzte Institutsleiter George Moose laut New York Times. „Was hier heute passiert ist, ist eine illegale Übernahme eines privaten, gemeinnützigen Unternehmens durch Elemente der Exekutive.“
Unterdessen setzt sich die Trump-Regierung über eine richterliche Anorordnung hinweg, die Abschiebungen nach einem aus dem 18. Jahrhundert stammenden Gesetz für illegal erklärt hatte. Insgesamt steckt das Land in einer tiefen Verfassungskrise, wie inzwischen auch zurückhaltende Beobachter:innen einräumen.
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