Die britische Regierung will Mörder finden, noch bevor sie zur Tat schreiten. Dazu entwickelt eine Forschungsgruppe ein System, das zahlreiche persönliche – und zum Teil sehr intime – Informationen zusammenführt und daraus die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass die Person eine andere tötet. Das geht aus geheimen Dokumenten hervor, die die Nichtregierungsorganisation State Watch mit einer Reihe von Anfragen nach dem britischen Informationsfreiheitsgesetz erhielt.
In die Vorhersage fließen beispielsweise Daten dazu ein, in welchem Alter ein Mensch erstmals zum Opfer wurde, beispielsweise von häuslicher Gewalt. Dass Opfer mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zu Tätern werden, ist lange bekannt. Mit dem Mordvorhersagesystem werden nun aber sämtliche Opfer zu Verdächtigen. Außerdem erhebt das System Angaben zur psychischen Gesundheit, also beispielsweise, ob ein Mensch mit einer Sucht kämpft, ob er in der Vergangenheit selbstverletzendes Verhalten an den Tag gelegt hat oder gar einen Suizid versuchte.
Ebenfalls erhoben wird, in welchem Alter ein Mensch erstmals zum Zeugen einer Straftat wurde. All das fließt gemeinsam mit Daten zu kriminellen Vorstrafen, dem vollen Namen, dem Geburtsdatum, der ethnischen Zugehörigkeit und einer eindeutigen Identifikationsnummer in das Vorhersagesystem. Für dessen Training wurden die Daten von 100.000 bis 500.000 Menschen genutzt – ohne deren Zustimmung.
Ein ähnliches Tool ist bereits im Dienst
Statewatch nennt das geheime Projekt der britischen Regierung erschreckend und dystopisch. Bislang dient es Forschungszwecken, den Unterlagen zufolge ist jedoch geplant, es in die Praxis zu bringen. The Guardian schreibt, dass es vom Büro des Premierministers in Auftrag gegeben wurde, als Rishi Sunak von den Konservativen an der Macht war.
Ein ähnliches Tool, das Vorhersagen macht, wie wahrscheinlich ein Straftäter oder eine Straftäterin rückfällig werden, ist in Großbritannien bereits im Einsatz. Richter nutzen diese Vorhersagen beispielsweise, um zu entscheiden, wann eine Person aus dem Gefängnis entlassen wird. Dabei sind die Prognosen für Schwarze Menschen deutlich fehleranfälliger.
Laut Sofia Lyall, einer Forscherin von Statewatch, wird das Mordvorhersagesystem die strukturelle Diskriminierung, die dem Strafrechtssystem zugrunde liegt, noch weiter verschärfen. Neben rassistisch diskriminierten Menschen würden damit wohl auch einkommensschwächere Gruppen mit höherer Wahrscheinlichkeit zu potenziellen Mördern erklärt. Die Verwendung der sensiblen Daten zum Training des Modells hält sie für höchst besorgniserregend.
das ist ja der blanke horror! das ist das erste was mir dazu einfällt oO
Im Gegenzug könnte man ja auch gleich ein Tool entwickeln dass vorhersagt wie wahrscheinlich Menschen zu Finanzbetrüger werden mit den Faktoren reiche Familie, hohes Einkommen, viel Immobilienbesitz….
Schlussendlich kommt dann wohl jeder Mensch auf dieser Welt in solch eine Datenbank der Kriminellen.
Dass man sich auf die Vorhersage für potentielle Mörder konzentriert beweist m.E. dass man sich darauf konzentriert die Reichen vor den Armen schützen zu wollen.
Stimmt. Aber war das schon mal anders?
Wer hat „predictive policing“ schon einmal im Zusammenhang mit einem Oberklassenviertel gehört?
Kriminalitätsschwerpunkt hört man nie im Zusammenhang mit „Oberklassendelikten“ wie etwa Subventionsbetrug.
Wir haben im Wesentlichen ein Strafrecht aus Kaisers Zeiten, in dem das Adelsdelikt weniger hart geahndet wird als das Arbeiterklassedelikt. 300€ Sozialbetrug wird eher verfolgt als 300.000€ Steuerbetrug. Wir nennen letzteres ja nicht mal Betrug, sondern weich gewaschen als „Hinterziehung“. Seit einem höchstgerichtlichen Urteil wissen wir ja, dass Gefängnis für Steuerbetrug erst ab einer Million droht. Wieviel Sozialbetrug muss man machen, um im Gefängnis zu landen? Mir als Steuerzahler ist es egal, für welchen Betrug ich höhere Steuern und Abgaben zahlen muss, nur weil dem Staat entsprechendes Geld entzogen wird.
Erschreckend!
Wie „1984“.
Gehört sofort(!!!) verboten!
Das ist doch alles zu erwarten gewesen. Wenn man sich die Gesetze, die weltweit erlassen werden anschaut dann fällt auf das es einen Rückgang im liberalen Strafrecht gibt.
Rechtsgüterschutz = juckt niemanden
Evidenzbasiertheit = juckt niemanden
Und jetzt dank Minority Report:
Keine Strafe ohne Tat = juckt niemanden
Eine natürliche Entwicklung, die durch die Angst der Bevölkerung und fehlendem Hinterfragen möglich ist.
Wobei dieses fehlende hinterfragen und das schüren von Angst in vielen Ländern schon zum Regierungsprogramm gehören
Massenmord, Atomkriegsrisikovermehrung. Sachen, die Wüstenrennmäuse gut kennen, aber sind die Menschen schon weit genug dafür?
Dass eine Regierung ein solches „Forschungsprogramm“ in Auftrag gibt, ist wirklich erschreckend. Nicht nur ist es moralisch und ethisch vollkommen verwerflich. Auch scheint es mir das eigentlich Ziel – die Vorhersage von Mörder:innen – auf dieser Datengrundlage nicht erfüllen zu können. Aus der Forschung ist bekannt, dass der sozioökonomische Status, u.a. gemessen an Bildungsabschluss, Einkommen und Vermögen, eines der stärksten Prädiktoren krimininellen Verhaltens darstellt. Dieser fehlt einfach komplett. Stattdessen wird Ethnizität herangezogen, die mit dem sozioökonomischen Status korreliert und damit den fehlgeleiteten Eindruck bewirkt, Ethnizität hänge mit Kriminalität zusammen. Man bekommt den Eindruck, dieses „Forschungsvorhaben“ baue auf ein Gesellschaftsverständnis von vor 90 Jahren auf. Sehr gruselig.
Gabs da nicht mal ein Film
Da fehlt ja nur mehr die Studie darüber, welche Art von Regierungen eine so Projekte, wie man Menschen vorausberechnen könnte, vorantreiben. War diese Ideologie schon mal in seiner Geschichte aggressiv zur eigenen und zu anderen Bevölkerungen? Sorgen diese durch einen friedlichen Sozialstaat für die Bürger in diesem Land, oder wird propagiert, dass der Staat von Sozialschmarotzern und Ausländern ausgenutzt oder gar ausgeraubt werden.
Faschismus ist eben ein Kettenhund. In deren Geschichte genügte die falsche Form der Ohren und der Nase oder die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit oder nicht geduldeten Sexualverhalten, um ein minderwertiges Individuum, das man je nach Machtlust jedweder Art staatlicher Gewalt aussetzen konnte.
Neigen solche Regierungsformen vielleicht auch noch zu simplen Erklärungen zu ihren politischen Bestrebungen? Die im Artikel erwähnten Indikatoren für das Forschungsprogramm scheinen das schon zu verraten ja einiges. So werden Opfer von Gewalt zu Verdächtigen möglicher zukünftiger Gewalttaten genannt. Man könnte dann in Zukunft ja auch gleich die Opfer eines Verbrechens präventiv einkerkern. Man könnte sich in diesen Fall sicherlich auf jenes „Volk“ berufen, dass sowas ohnehin schon glaubt und Opfer bereits als Schimpfwort verwendet.
Wie schon Trump, der temporär größte Prophet populistischer Regierungsformen, sagte, wenn das so viele Menschen glauben, muss es auch wahr sein!
Oft sind eher die Regierungsapparate die treibenden Kräfte hinter Entwicklungen als die politischen Vertreter des Volkes, das ist das eine. Aber man sollte selbst nicht auf die eigenen Vorurteile hereinfallen. Hier wird in vielen Stellungnahmen so getan, als sei es das primäre Ziel solcher Programme z.B. eine Art Schutzhaft für die „potentiellen Täter“, mindestens aber soziale Stigmatisierung. Dann fehlt nicht viel zum Rundumschlag, schnell abgeschmeckt mit einer gesunden Portion Faschismus. Opfer von Gewalt in Kindheit und Jugend werden eben leichter zu Tätern, wer das bestreitet, sollte sich fragen, ob er nicht selbst bei wissenschaftliche Aussagen Rosinenpickerei betreibt. Dadurch liefert man selbst gerade den Protagonisten der einfachen, populistischen Lösungen Munition, die dann an der Wahlurne den Vereinfachern die Stimmen sichert. Was also passieren müsste: Solche Neuerungen dürfen nicht eingeführt werden, ohne dass die tatsächliche Wirksamkeit gewährleistet ist und damit meine ich nicht die Fähigkeit Menschen im schlimmsten Fall einfach zu verurteilen, bevor überhaupt etwas passiert ist, denn das verstößt in jedem Fall gegen Gesetze. Wenn schon gilt „Im Zweifelsfalle für den Angeklagten“, dann muss logischerweise auch gelten, „Keine Verurteilung oder Anklage ohne Tat“.
Aber vielleicht sollte man die Ergebnisse der soziologischen Analysen, die hinter diesen Programmen stehen, nutzen, um Präventionsprogramme für bzw. gegen die Entwicklung menschlicher Gewalt zu forcieren. Das könnte eine breite Anwendung z.B. bei der Betreuung junger Familien, sozialem Wohnungsbau, Städteplanung und Bildungswesen sein. Auf jeden Fall aber muss jedes dieser Programme aber auf Herz&Nieren und gesellschaftlichen BIAS untersucht werden, bevor irgendwelche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden.
Wie soll die ermittelte Wahrscheinlichkeit denn dann praktisch für staatliche Prävention genutzt werden?
Schwarzer Eintrag in der Bürgerakte und Jane Doe (farbig, Missbrauchsopfer, Zeugin häuslicher Gewalt)
– darf nicht die Schule abschließen, geschweige denn studieren (sie könnte ja auf Schulhof/Campus jemanden meucheln)
– kriegt keinen Job im öffentlichen Dienst (sie könnte ja bei Kontakt mit nervigen Bürgern das Taschenmesser rausholen und dann …)
– kriegt keine Behördentermine (man muss ja das Personal von potentiellen Gewalttäter:innen schützen)
– wird von Krankenhäusern abgewiesen (denn da gibt’s Skalpelle)
– usw, usw.
Anders gesagt – was will man denn alles tun, um so präventiv zu agieren, dass Jane Doe dann tatsächlich irgendwann kriminell wird, weil sie in der Gesellschaft weder Platz noch Futter abkriegt?
Zu UK mit seinem Klassendünkel würde das passen wie Faust auf Auge:
„See? We knew it right from the start. [That a working class girl with that CV would break the law sooner or later.]“